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Function-dependent shape characteristics of the human skull

Witzel, U.; Preuschoft, H.

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Anthropologischer Anzeiger Volume 60 No. 2 (2002), p. 113 - 135

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published: Jul 10, 2002

DOI: 10.1127/anthranz/60/2002/113

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Abstract

Using the FEM-program ANSYS 5.4, we have shaped a model of the human skull in which the flow of forces and the relative location and magnitudes of stresses are investigated. Forces are applied from below through the tooth row of the upper jaw. An ample volume is provided for the transmission of these bite forces upward to the roof of the braincase, where bearings counteract the forces from below. Within this volume, no other morphological features are considered than two cone-shaped orbits and a nasal channel which has a rounded, triangular cross section, extending upward between the orbits. Under loads (= bite forces) acting simultaneously in the directions and relative sizes of realistic bite- and chewing forces, there occurred stress concentrations inside the model which resemble closely the morphological characteristics of the human skull. The most remarkable pathways of stresses correspond to Toldt’s and Benninghoffs nasal, zygomatic and pterygoid pillars. Aside from these stress concentrations, stress-free regions become visible at places, where the skull shows excavations: the vaulted palate with canalis incisivus, the canine fossa, superior and inferior orbital fissure, or cavities like the maxillary sinuses and cavum cranii. Behind the posterior molars and the pterygoid, the stresses disappear abruptly, and in the side wall of the nasal cavity a maxillary hiatus remains without stresses. A flow of forces comparable to, but not at the exact position of the zygomatic arch extends from the highly stressed zygomatic bone rearward and upward. In a later step of simulation, somewhat deeper, at the place of the really existing zygomatic arch, a series of small forces was applied, which correspond to the resultant force that is created by the redirection of the pull of the m. masseter into the temporal fascia. This - biologically reasonable - manipulation of the model leads to a reduction of the forces in the zygomatic bone, and to a downward shift of the zygomatic arch and its isolation from the skull’s side wall by a deep, stress-free temporal fossa. The similarity between the stress flow in the model and the shape of the skull seems to indicate that the skull, like the bones of the postcranial skeleton, develops its shape in dependence from the mechanic stressing through the process of causal histogenesis. In view of experimental results, the possibility cannot be ruled out, that the safety facors in the skull deviate from those in the postcranial skeleton.

Kurzfassung

Mittels des FEM-Programms ANSYS 5.4 haben wir ein dreidimensionales Modell konstruiert, das den Spannungsfluß im menschlichen Schädel zeigt. Die morphologischen Vorgaben des Modells sind ausschließlich Einleitung der Beiß- und Kaukräfte von unten nach oben entlang des Zahnbogens, kegelförmige Augenhöhlen und eine abgerundet dreieckige Nasenhöhle, die sich aufwärts bis zwischen die Augenhöhlen erstreckt. Das Modell bietet ein halbzylindrisches Volumen, das sich in allen Richtungen weiter ausdehnt als der Schädel. Die Ausleitung der Kräfte erfolgt in einer Doppelreihe von vertikalen und horizontalen Lagerstellen. Deren Lokalisation entspricht der äußeren und der inneren Tafel des Schädeldaches entlang einer Begrenzung, die der üblichen Schnittführung bei Eröffnung einer Schädelhöhle entspricht. Unter einer Belastung, die der Beanspruchung durch Beiß- und Kaukräfte ähnelt, ergaben sich in dem Modell Spannungskonzentrationen, die den knöchernen Strukturen des Schädels sehr nahe kommen. Die auffälligsten Spannungsflüsse ähneln den in Benninghoffs Lehrbuch nach Toldt (1914) beschriebenen Nasen-, Jochbogen- und Pterygoidpfeilern des Mittelgesichtes. Diesen Konzentrationen hoher Spannungen stehen Bereiche gegenüber, die keine oder nur geringe Spannungen führen. Die zuletzt genannten lassen sich problemlos den Aussparungen und Hohlräumen am Schädel zuordnen: Gaumenwölbung einschließlich des Canalis incisivus, Fossa canina und Oberkieferhöhle, Fissura orbitalis superior und inferior und Cavum cranii. Hinter dem letzten Molaren und dem Pterygoid brechen die spannungsführenden Bereiche abrupt ab, und in der Seitenwand der Nasenhöhle bleibt ein Hiatus maxillaris spannungsfrei. Ein Kraftfluß ähnlich dem Jochbogen erstreckt sich vom hoch belasteten Jochbein rückwärts-aufwärts. In einem späteren Modellierungsschritt wurde unterhalb dieses Bereichs, an der Stelle des real existierenden Jochbogens, eine Reihe geringer, medial gerichteter Kräfte angesetzt. Diese entsprechen nach Richtung und Größe der Umlenkkraft, die aus dem Zug des M. masseter und der Weiterleitung der Masseterkraft auf die Fascia temporalis entsteht. Zudem wurden beiderseits im hinteren unteren Bereich des Modells Gelenkkräfte eingeführt. Durch diese - auch biologisch vertretbaren - Ergänzungen werden die Spannungen im Bereich des Jochbeins vermindert und der hier behandelte Spannungsfluß aus seiner Lage im oberen Schläfenbereich abwärts verschoben. Hinter dem Spannungsfluß bleibt eine völlig spannungsfreie Schläfengrube bestehen. Die Ähnlichkeit zwischen Spannungsverteilung im FEM-Modell und Materialverteilung im Schädel legt den Schluß nahe, daß auch der knöcherne Schädel, ebenso wie der Knochen des postkranialen Skeletts (aufgrund der kausalen Histogenese) seine Form in Abhängigkeit von der mechanischen Beanspruchung ausbildet. Aufgrund von experimentellen Befunden kann die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, daß die Sicherheitsfaktoren am Schädel andere sind als am postkranialen Skelett.

Keywords

Skull morphology • stress flow • bite forces • facial pillars • Finite Element Method • causal morphogenesis • Schädelmorphologie • Spannungsfluß • Beiß- und Kaukräfte • Gesichtspfeiler • Finite-Element-Methode • kausale Morphogenese