Abstract

Über Interglazialbildungen im niederrheinischen Diluvium

[On interglacial deposits in the lower rhenis diluvian]

Rein, U.

Kurzfassung

Die wärmezwischenzeitlichen Ablagerungen des Diluviums sind mit Hilfe pollenanalytischer Untersuchungen besonders gut zu erfassen. Aus der Pollenzusammensetzung einer Schicht lassen sich Schlüsse über den relativen Zeitpunkt dieser Ablagerung innerhalb einer Wärmezwischenzeit ziehen, und ebenso ergibt sich in einem gewissen Umfange die Unterscheidbarkeit der verschieden alten Interglazialia. Die Rückwanderung der von einem vorstoßenden Gletscher verdrängten Vegetation scheint in den einzelnen Wärmezwischenzeiten so weit unterschiedlich zu sein, daß sich zumindest für einen beschränkten Raum gleich oder verschieden alte Bildungen pollenstratigraphisch erkennen lassen. In den plio-pleistozänen Grenzschichten im Westen des Niederrheingebietes ergaben sich dankbare Objekte für die Anwendung der Pollendiagnose. In zahlreichen Tongruben sind der liegende Reuverton und der hangende Tegelenton, getrennt durch den ältesten Diluvialschotter, aufgeschlossen. Für die stratigraphische Stellung des Reuvertons ist das Auftreten von Pinus haploxylon neben sylvestris, von Tsuga, Sciadopitys, von Sequoia und den Taxodiaceen, von Jugions, Cary a und Pterocarya, von Fagus und Castanea und schließlich von Liquidambar-und Nyssa-Typen wichtig. Damit läßt sich eindeutig ein pliozänes Alter der Ablagerung nachweisen. Eine Veränderung in der Pollenzusammensetzung, die auf eine Änderung im Klima zurückzuführen wäre und bei einer Ablagerung des Reuvertons an der Wende zum Diluvium erwartet werden könnte, wurde bisher nicht festgestellt. In dem hangenden Tegelen-Ton fehlen bereits die Pinus haploxylon-Typen, Sciadopitys, Sequoia, die Taxodiaceen und die Nyssa-Typen. Diese Veränderung wird mit dem inzwischen erfolgten Einbruch der Eiszeit („älteste Diluvialschotter“) in Verbindung gebracht. Der Tegelen-Ton muß als eine wärmezwischenzeitliche Ablagerung des ältesten Pleistozäns aufgefaßt werden. Für sie ist das Auftreten von Tsuga und Cupressineen, von Juglans, Carya und Pterocarya, von Fagus und Liquidambar stratigraphisch wichtig. Dies sind auch die unterscheidenden Merkmale gegenüber den jüngeren Interglazialia. Da in den höchsten Horizonten des Tegelen-Tons die wärmeren Forenelemente fast vollständig fehlen und die Kiefer, Fichte, Tanne und Birke hervortreten, kann darin eine gerichtete Entwicklung von einem wärmeren zu einem kühleren Klimaabschnitt gesehen werden. Dies entspricht eher einer echten Wärmezwischenzeit, die in das Günz/Mindel-Interglazial zu stellen wäre, als einer interstadialen Ablagerung zwischen Günz I und Günz II, wohin die niederländischen Bearbeiter den Ton von Tegelen vorläufig gern eingliedern möchten. Die Gründe und Gegengründe für beide Auffassungen werden zur Diskussion gestellt. Ähnliche Pollenzusammensetzungen aus anderen Interglazialbildungen sind von Heck (von Northeim und Eichenberg) und von KrXusel (von Vogelheim aus dem Emschertal) beschrieben worden. Für die letztere Fundschicht wird im Hinblick auf die Pollenzusammensetzung im Tegelen-Ton und in den Krefelder Schichten und deren stratigraphische Stellung ebenfalls ein Günz/Mindel-interglaziales Alter wahrscheinlich gemacht. Aus dem Mindel/Riß-Interglazial sind die fossilführenden Krefelder Schichten als nächstjüngerc wärmezwischenzeitliche Bildungen bekannt geworden. Bereits Bertsch (1931) hatte die charakteristische Pollenzusammensetzung mit einem hohen Anteil an Kiefer, Fichte und Tanne bei der Untersuchung der Bohrung von Heideck bei Krefeld festgestellt. Der Horizont, der von Steeger die Bezeichnung „Kempener Schichten“ erhielt, liegt in 12 m Teufe der Krefelder Mittelterrasse. Da nunmehr in den vom Saale-(Riß-) Gletscher gestauchten älteren Mittelterrassenschottern im Hülser Berg bei Krefeld und bedeckt von Saale-Grundmoräne sowie Schottern des gleichen Eisvorstoßes humose Tonhorizonte gefunden wurden, die nach den Untersuchungen von Herrn v. d. Brelie, Frl. Mückenhausen und Verfasser die gleiche Pollenzusammensetzung wie die Kempener Schichten aufweisen, ist an dem Vorhandensein einer ehemals im niederrheinischen Raum weiter verbreiteten Torf-bildung im Mindel/Riß-Interglazial nicht zu zweifeln. Diese soll nach einer älteren Bezeichnung von Steeger einheitlich „fossilführende Krefelder Schichten“ benannt werden. Aus der jüngsten Interglazialzeit (Riß/Würm) sind die von Bertsch beschriebenen Mörser Schichten anzuführen. Zusammenfassend wird festgestellt, daß nunmehr mit Sicherheit auch am Niederrhein drei verschieden alte Interglazialbildungen nachzuweisen sind, von denen besonders die älteste eine stratigraphisch bedeutsame Pollenzusammensetzung aufweist. Die Untersuchungen werden an mehreren Profilen fortgesetzt.