Beitrag
Über den neuesten Stand der Angewandten Geophysik
[The current state of the art in applied geopysics]
Kutscher, F.

Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft Band 106 Heft 2 (1955), p. 562 - 565
veröffentlicht: May 15, 1955
DOI: 10.1127/zdgg/106/1955/562
ArtNo. ESP171010602050, Preis: 15.00 €
Kurzfassung
Zur Erforschung des nicht sichtbaren Untergrundes, für die man in der Geologie weitgehend auf Analogieschlüsse angewiesen ist, bedient man sich heute der Meßmethoden der geophysikalischen Untergrundsforschung. Sie benutzt die Wirkung bestimmter physikalischer Eigenschaften von Gesteinen entweder in ihrer direkten Fernwirkung oder aber in ihrer Wirkung auf künstlich hervorgerufene physikalische Prozesse, um daraus Schlüsse auf das Vorkommen und die räumliche Ausdehnung von Gesteinen oder Lagerstätten nutzbarer Bodenstoffe zu ziehen. Die Angewandte Geophysik stellt im Gegensatz zur Allgemeinen Geophysik ihre Sondiermethoden in den Dienst der Beherrschung und Ausnutzung der Natur, indem die obersten Erdschichten, soweit diese von unmittelbarem wirtschaftlichem Interesse sind, erkundet werden. Die Kennzeichen des heutigen Einsatzes der Methoden der Untergrundsforschung ist das Abrücken von der akademischen Forschung zu einem Routinebetrieb mit weitgehender Mechanisierung, wobei die praktische Verwendbarkeit der Methoden von der Wirtschaft gefordert und gefördert wird. Da mit Hilfe der Methoden der Untergrundsforschung der stoffliche Aufbau der obersten Erdkruste in seinem bunten Wechsel, wie ihn die Erdkräfte geschaffen haben, festgelegt werden soll, ist die Fragestellung eine geologische. Die geophysikalischen Meßergebnisse sind im allgemeinen vieldeutig. Zur klaren Beantwortung der jeweiligen Aufgabenstellung ist es daher notwendig, mit Hilfe geologischer Erkenntnisse die wirklichen Untergrundverhältnisse eindeutig zu klären. Dadurch, daß man sich jedoch bemüht, die qualitativen Meßergebnisse durch quantitative zu ersetzen, bahnt sich zur Zeit auch hier eine Verschiebung in den Aussagen zugunsten der Angewandten Geophysik an. Die geophysikalischen Methoden: Apparativer Fortschritt, Arbeitsrichtung, Methodik und Einsatzmöglichkeiten. Die physikalische Gesteinseigenschaft, auf die die gravimetrischen Verfahren ansprechen, ist die Massendichte. Drehwaagen und Pendelapparate sind heute fast ganz von den statischen Schweremessem verdrängt, die eine Meßgenauigkeit von 0, 01 mgal erreichen. Als Vorzüge sind geringes Gewicht, schnelle Meßmöglichkeit und hohe Empfindlichkeit zu nennen. Bei den statischen Schweremessern wird die Gleichgewichtslage einer Masse beobachtet, deren Schwere eine Gegenkraft (zumeist elastische Federn) als Vergleichskraft entgegenwirkt. Als neuestes deutsches Instrument kann das Askania-Gravimeter GS 9 genannt werden. Vorzüge dieses Instruments sind der lineare Skalenwert, eine Eichvorrichtung, die die Konstanten in jedem Meßbereich zu kontrollieren gestattet, sowie ein relativ großer Meßbereich. Gravimetermessungen sind heute nicht nur auf die feste Erdoberfläche beschränkt, sondern werden auch auf und unter Wasser in Form offener und geschlossener Taucherglocken mit Fernbedienung und Fernablesemöglichkeit angewendet und durch die Entwicklung eines Seegravimeters angestrebt. Bei der Auswertung bemüht man sich, durch höhere Ableitungen den Bestimmungsstücken der Gravimeteranomalien eine bessere Interpretation zu geben. Über die Bedeutung für die Erforschung der Lagerstätten hinaus haben die Schweremessungen in neuester Zeit Anwendung in anderen wissenschaftlichen Disziplinen gefunden; so u. a. für die Durchrechnung der Präzisionsnivellements und die Eichung und Messung allerhöchster Präzision. Die Seismik umfaßt die Meßverfahren, die heute bei der Untergrundsforschung mit Abstand am meisten und vielleicht auch am vorteilhaftesten zum Einsatz gelangen. Besonders die Reflexionsseismik ist ein untrennbarer Bestandteil der Erdöllagerstätten-Geologie geworden. Mit Hilfe von Sprengungen im Boden werden künstliche Erdbeben erzeugt, deren Druckwellen in ihrem Verlauf durch die Erdkruste verfolgt werden. Aus den aufgenommenen Registerkurven können die seismischen Unstetigkeitsflächen sowie die Fortpflanzungsgeschwindigkeiten der Wellen in den verschiedenen durchlaufenen Gesteinen bestimmt werden. Die Abteufung der Bohr- und Schußlöcher, die früher einen großen Zeitverlust bedeutete, wird heute durch den Einsatz mechanisierter Bohrgeräte weitgehend verkürzt. Die Fortentwicklung der Meßtechnik zielte im wesentlichen auf eine Rationalisierung ab. Durch Vermehrung der Seismographen wird eine Verlängerung der Beobachtungslinie pro Schuß erzielt. Der Energieausgleich, bisher durch abgestufte Sprengladungen erreicht, wird heute automatisch durch technische Einrichtungen der Aufnahmeapparaturen erzielt. Der Einfluß störender oberflächennaher Schichten wird durch Gruppenschaltungen der Seismographen weitgehend eliminiert. Für seismische Aufschlußarbeiten in unwegsamem Gelände wurden tragbare Seismographen entwickelt.
Schlagworte
Geophysik