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Diskussionsbeiträge zum Thema Geologie und Bildungswesen

[Some comments on the discussions on geology and education]

Schmidt, Hermann; Müller, O.; Kraus, E.; Hiltermann, Heinrich

Kurzfassung

Die Unterrichtsverwaltungen der Länder sollten dafür sorgen, daß für jeden Regierungsbezirk ein ortskundiger Geologe für vorbildliche Lehrwanderungen zur Verfügung steht. Die Organisation könnte im Museumswesen verankert werden. Jedenfalls können wir nicht auf den seltenen Glücksfall warten, daß sich jemand freiwillig zur Verfügung stellt, der den zu stellenden Ansprüchen entspricht. 2. Bezüglich Schulsammlungen: Es möge nichts aus seinem Platz in der Natur entfernt werden, was nicht unbeschränkt zur Verfügung steht. 3. Bezüglich Entwicklung des Lebens auf der Erde wird empfehlend verwiesen auf die Schulwandkarte (nebst Erläuterungen) von Thenius (1956, Verlag Hippolyt, München). O. Müller (Recklinghausen) zu dem Vortrag von E. Sobotha „Geologie im Schulbuch: 1. Aus meinen Ausführungen ging hervor, daß ich dem Leitfaden oder Lehrbuche in der Hand des Schülers mit sehr viel Mißtrauen gegenüberstehe schon aus dem einen Grunde, weil ein Schüler Naturgeschichte und vor allem Geologie nicht aus Büchern lernen kann. Wir sollten ferner damit rechnen, daß auch Lehrer mit menschlichen Schwächen belastet bleiben und der besondere Typ des Paukers — schon unter dem Druck der Stoffmengen in den Lehrplänen — kaum jemals ganz aussterben wird. Auch mit der anderen, aller wirklichen Bildung feindlichen Tatsache, daß nun einmal das gedruckte Wort bei einem großen Teil der Menschen eine geradezu suggestive Wirkung ausübt. „Es steht geschrieben — also muß es wahr sein **; die Autorität des Buches rückt nur zu leicht wie eine Mauer zwischen den Menschen und die Wirklichkeit der Dinge draußen in der Natur, die dazu oft nur mit Unbequemlichkeiten und Anstrengungen zu gewinnen sind. Vermeiden lassen sich Lehrbücher und Leitfäden selbstverständlich nicht; die Schäden und Gefahren werden vermindert, je mehr der Schülerxdurch handgreifliche Beschäftigung in der Natur und den Aufschlüssen zum eigenen Urteil und zur Kritik erzogen wurde und nunmehr sein Wissen mit Hilfe des Buches erweitern kann. 2. Wir haben ein reiches Spezialschrifttum, in welchem wohl jedes engere Heimatgebiet vertreten ist, wo Fund- und Beobachtungsstellen behandelt werden, also gerade die erlebenswertesten Einzelzüge hervortreten, auf die es dem Lehrer ankommt. Diese Schätze müßten in Lokalführem und Wanderbüchem fruchtbar gemacht werden. Daran fehlt es der Lehrerschaft, und es sollte kein Heimatgebiet ohne ausführliche naturgeschichtliche, vor allem geologische Heimatbücher geben. Sie müssen verständlich und ohne Fremdwörter geschrieben sein. In einem hervorragenden geologischen Wanderbuche, das ich für eine Lehrerzeitung zu besprechen hatte, fand ich Fachwörter — orogenes Geschehen, epirogenes Erzeugnis — und Namen, wie Favosites, Orthoceras, Cyathopnyllum; sie müssen sich unter allen Umständen annehmbar verdeutschen lassen. Derartige Bücher können nicht ausführlich genug sein: Zuerst die Tatsachen, die man sehen soll, dann die Schlüsse, die der Forscher aus ihnen zieht. Der Wanderer sollte auf jeder Seite den mühsamen und zugleich beglückenden Weg des Forschers verspüren und seinen Gedankengängen zu folgen lernen. 3. Eine sich anbahnende neue Art des Unterrichtes verlangt ein besonders reiches und vielseitiges, volkstümliches Schrifttum. Der starre Hörblock der Klasse mit dem Lehrer als Dozenten löst sich auf in Gruppen an Tischen und sogar in getrennten Räumen — mehr als auf jede bisherige Weise besteht dabei die Möglichkeit, Schüler an selbständige, geistige Arbeit zu gewöhnen. Habe ich z. B. durch Unterrichtsgänge zu den Aufschlüssen und anderen Gelegenheiten Wesentliches aus der Kreidezeit, Eiszeit usw. gewonnen, so muß es erweitert werden durch Kenntnisse von Dingen, die dort nicht angetroffen wurden: Großtierweit, Werte in den paläontologischen und urgeschichtlichen Sammlungen, Eiszeitmensch, Steinkohlen-Wälder, Entwicklung von Bergbau und Industrie in der Heimat, Lebensbilder großer Forscher usw. Das gibt eine Menge von Einzelaufgaben, die in kleinen Gruppen zu bearbeiten wären, wobei die Schüler zu den — einstweilen noch wenig vorhandenen — Reichtümern im Bücherschrank greifen könnten. Wohlverstanden: Keine Lehrbücher, sondern volkstümliche Lesebücher und Aufsätze in Zeitschriften mit vielen Bildern, die nicht nach der Schulentlaslung beiseite gestellt werden, sondern als Familienbücher auch später noch wirken müßten. Hier liegt m. E. das fruchtbarste Arbeitsfeld überhaupt für alle, die Bücher schreiben können. E. Kraus (München) zu dem Vortrag von W. Simon „Geologie im studium generale der Hochschulen“: „Vorlesungen, insbesondere auch geologische Vorlesungen, für das studium generale der Hochschulen müßten die allgemeinen Wissenszusammenhänge bringen, also die Ordnung und die übersichtlich-synthetische Darstellung der von den betreffenden Spezialfächern gelieferten Bausteine. Weil die Spezialisierung notwendig immer weiter fortschreitet, wird diese Aufgabe aber dem analysierenden Spezialisten immer schwieriger. Auf der anderen Seite verlangt die Universitas literarum die Synthese. Auch die allgemeine Bildung verlangt sie. Daher sollten die zukünftigen Lehrer der höheren Schulen neben einem Spezialwissen in Einzelfächem auch ausgerüstet werden mit der jeweils möglichen Zusammenschau dieser Fachgebiete. Erst dann können die Studienräte die allgemeine Bildung an die Jugend weitergeben. Ein loses, zu wenig geordnetes, aber viel zu umfangreiches Haufwerk von Spezialkenntnissen überlastet nur das Gedächtnis, den Unterrichtsstoff, die Lehrbücher. Nur als Harmonie können Natur, Schöpfung, Leben ergriffen werden; nur so sind sie zu lehren. Solches Streben hat nichts zu tun mit billiger Popularisierung, sofern es getragen wird von geeigneten Forschem. Es müßte zunächst einmal ein studium generale solcher Forscher selbst gelingen. Vermögen sie es dann, die enormen Bildungswerte der anorganischen und organischen Erdgeschichte in einheitlicher Schau allen Lehramtskandidaten der letzten Semester einzuprägen, so haben die Hochschulgeologen ihren sehr wesentlichen und den von ihnen zu erwartenden Aufgabenteil geleistet beim Einbau der Geologie in unser Schulwesen. “ Heinrich Hiltermann (Hannover): 1. Es ist zu berücksichtigen, daß jede Fachrichtung ähnliche Forderungen wie die Geologie an die zuständigen Ministerien und Schulaufsichtsbehörden richtet. 2. Inwieweit die Geologie in den Unterricht eingeschaltet werden soll, kann nur der didaktisch Geschulte beurteilen. Ausgangs- und Angelpunkt muß in jedem Schulsystem die Heimatkunde sein. 3. Entscheidend ist nicht die Tatsache, daß die Geologie als besonderes Fach erscheint, sondern daß Geologie und Paläontologie den Unterricht in der Geographie, Biologie und Chemie durchdringen. 4. Der Vorschlag von Prof. Herm. Schmidt, Göttingen, nach guten örtlichen Exkursionen und Exkursionsf (ihrem ist nachhaltig zu unterstreichen. 5. Neben der von Prof. Küpper, Wien, für die Schule besonders empfohlenen geologischen „Umgebungskarte“ wird hingewiesen auf den großen didaktischen Wert von selbst anzufertigenden geologischen Block-Modellen, in der Form, wie sie von Dr. -Ing. Mayr, Hannover, ausgestellt worden sind.