Abstract
Der Abbau der Deckentheorie im Harz
[Deprecation of the nappe theory for the Harz Mtns.]
Gallwitz, H.

Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft Band 109 Heft 2 (1958), p. 638 - 639
published: Feb 28, 1958
DOI: 10.1127/zdgg/109/1958/638
ArtNo. ESP171010902040, Price: 15.00 €
Kurzfassung
Die Bedeutung der Kossmatschen Deckenlehre für die Geologie des Harzes kommt u. a. deutlich im Anschwellen geologischer Harzliteratur nach 1928 zum Ausdruck. Sie hat zahlreiche Modifikationen durchgemacht, z. T. in Übersteigerung des Gedankens durch Wugk und Thierbach, z. T. durch Abschwächungen (Dahlgrün). Auch ständige Ablehnung fand der Deckenbau (Schriel), doch hat er 20 Jahre lang die geologische Harzforschung beherrsdit. Seit 1919 führten feinstratigraphische und tektonische Untersuchungen zwangsläufig zur Aufgabe deckentheoretischer Vorstellungen im Harz. Dieser jüngsten Phase der Erforschung der Harzgeologie war der Hauptteil des Vortrages gewidmet. Noch auf den Grundlagen des Deckenbaues hatte Dahlgrün (1939) den Begriff des „Mittelharzes“ der bisher üblichen Gliederung des Harzes in Ober- und Unterharz hinzugefügt. Sein „Mittelharz“ sollte vom NW-Fuß des Acker-Bruchberges bis an den N-Rand der Tanner Grauwacke reichen: Es wird vorgeschlagen, zu der alten Zweiteilung des Harzes in Ober- und Unterharz zurückzukehren und die Grenze zwischen beiden an den Südostrand des Sieber Kulms bzw. des Brockenmassivs zu legen, da die tektonischen Voraussetzungen für eine Dreiteilung hinfällig geworden sind. So haben auch spätere Autoren, wie Schriel und Schwan, jeder etwas anderes unter dem „Mittelharz“ verstanden. Der Ausdruck „Mittelharz“ für ein Gebiet, das die höchsten Erhebungen des Gebirges umfaßt, hätte außerdem nur zwischen NW-Harz (statt Oberharz) und einem SE-Harz (statt Unterharz) logische Berechtigung. Für das Acker-Bruchberg-Brockengebiet wird die Bezeichnung Hochharz vorgeschlagen, statt der neuerdings aufkommenden Bezeichnung „Zentrales Bergland“, um diesen geomorphologischen Fachausdruck nicht lokal festzulegen und seine auf W. Penck zurückgehende genetische Deutung nicht ohne weiteres auf den Hochharz übernehmen zu müssen. Der Ausgangspunkt und die stärkste Stütze des Deckenbaues im Harz war das Elbingeröder Fenster. Hier stellte Zöllich (1939) ein Abklingen der Massenkalk- und Schalsteinmächtigkeiten sowie charakteristische Faziesänderungen gegen den Rand des Fensters hin fest, eine Beobachtung, die gegen den Deckenbau spricht. Doch nahm er noch eine einheitliche Überschiebung des Elbingeröder Komplexes von SE her an. Die starke Abhängigkeit der Tektonik von der faziellen Ausbildung der Schichten wurde schon von ihm richtig erkannt und von Kryzwicki weiterverfolgt. Durch die Arbeiten des Halleschen Institutes konnten die faziellen Zusammenhänge zwischen „Fenster“ und „Rahmen“ weiter geklärt werden. Reichstein (1953) gelang der Nachweis des mitteldevonischen Alters der Band- und Buntschiefer von Michaelstein. Die Rotschiefer lassen sich als randliche Bildungen des Elbingeröder Roteisenerzes deuten. Derartige Anklänge an die Elbingeröder Fazies konnten auch in den oberen Stieger Schichten der Selkemulde (Meyer 1956) und der Südharzmulde (Kniesel 1956 und Wiefel 1956) festgestellt werden. Einige neue Fossilien aus diesen Schichten stützen ihre stratigraphische Zuordnung zum oberen Mitteldevon. Echte Grünschiefer, auch diaphthoritische, gibt es in den Stieger Schichten nicht. Sie haben sich als verschieferte Schalsteine herausgestellt und sind auf die unteren Stieger Schichten beschränkt. Diese scheinen sich am S-Rand der Selkemulde kontinuierlich aus der Hauptquarzitfazies zu entwickeln. Damit ist die Stieger Decke und ihre Herleitung von den Grünschiefem der metamorphen Zone des südöstlichen Harzes hinfällig geworden. Auch Dahlgrün (1939) hatte sie wegen des wahrscheinlich vorsilurischen Alters der Grünschiefer bereits aufgegeben.