Original paper
Geologie und Museum
[Geology and museums]
Hartung, Wolfgang

Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft Band 109 Heft 1 (1957), p. 244 - 261
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published: May 1, 1957
DOI: 10.1127/zdgg/109/1957/244
ArtNo. ESP171010901031, Price: 15.00 €
Kurzfassung
Geologie war eine publikumsfremde Wissenschaft. Aber wir müssen mit Nachdruck hervorheben: sie war es, denn darin ist eine wesentliche Änderung eingetreten. Mit größtem Interesse verfolgt heute die Weltöffentlichkeit, wie mit Hilfe geologischer Methoden und Erkenntnisse die Vorkommen wichtigster Bodenschätze — Rohstoffe von machtpolitisch oft ganz entscheidender Bedeutung — erweitert, neu entdeckt und erschlossen werden. In den Wirtschaftsberichten über diese Rohstoffe werden modernste geologische Forschungen, Methoden und Hilfsmittel berührt und damit ins grelle Licht der Öffentlichkeit gérückt. Hinzu kommt, daß der Bergbau — insbesondere der Erdöl-Bergbau — eine außerordentliche Ausweitung erfahren hat. Allenthalben geistert der Bohrturm im Lande umher. Der Bergmannsgruß „Glück auf“ erschallt heute in Gebieten, in denen man früher kaum jemals an Bergbau gedacht hat. Durch all diese Ereignisse ist das Wissen um die Geologie, ihre Ergebnisse und Methoden in das Volk gedrungen. Der Forscher mit dem Geologenhammer ist populär geworden. Heute weiß die Bevölkerung, was ein Bohrkern ist, sie hat Namen stratigraphischer Horizonte gehört, aus denen gefördert wird, Fossilien sind ihr vor Augen gekommen, und z. B. das ganze große Gebiet der Mikropaläontologie wird durch die weitgehende Mitarbeit nichtakademischer Kräfte, wie der sogenannten „Sambier“, in weite Kreise getragen. Seismische Meßtrupps werden bei ihrer Arbeit beobachtet, ihre Detonationen ertönen, und jeder weiß, daß sich hier durch künstliche Erdbebenwellen und feinste Meßapparate der Schichtenverlauf in der Erde bis in große Tiefen entschleiert. Oft genug haben sich auch Beziehungen zwischen Heimatvereinen und bearbeitenden Feldgeologen angebahnt, die zu Führungen, Besichtigungen und Vorträgen führen. Nicht zuletzt ist — wie bei vielen anderen Zweigen der Wissenschaften, insbesondere der Naturwissenschaften Kenntnis der Geologie und Paläontologie durch die moderne Unterhaltungs-Tatsachenliteratur verbreitet worden, die in Fülle wie ein Kometenschweif sich hinter dem ersten Stern dieser Literatur, dem bestseller, „Götter, Gräber und Gelehrte“ (C. W. Ceram 1949) hinterherzieht. Gerade hinsichtlich der Geologie ist schon vorher das 1947 erschienene Buch von Hans Cloos „Gespräch mit der Erde“ vielen, die nie mit geologischem Wissen in Berührung gekommen waren, zu einem Erlebnis geworden. Das alles hat die früher zweifellos vorhandene Publikumsfremdheit der Geologie völlig gewandelt und damit für die Frage „Geologie und Museum“ eine ganz andere, neue Lage von entscheidender Bedeutung geschaffen: Geologie wird heute im naturwissenschaftlichen Museum gesucht, und zwar wird nicht so sehr nach erdgeschichtlichen Sammlungen mit einer Fülle von Gesteinsproben und Fossilien gefragt als vielmehr nach einleuchtenden Darstellungen über den Bau von Lagerstätten, dem Aufbau der Erdrinde, der Lage der Gesteinsschichten in der Tiefe, über die Methoden, mit denen Lagerstätten aufgespürt werden, so besonders auch der Geophysik, und nach den mannigfachen Geräten und der Technik, mit denen das vor sich geht.