Abstract

Das ältere Tertiär der Hessischen Senke.

[Older tertiary deposits of the Hessian depression]

Gramann, F.

Kurzfassung

Von der Schichtfolge der Kasseler Braunkohlensenke: Schichten mit Borkener Pollenbild, Melanienton, Rupelton, Kasseler Meeressand, weicht das Tertiär am Nordrand des Vogelsberges in folgenden Zügen ab: 1. Die Schichtfolge beginnt hier über einer tertiären Bleichverwitterungsrinde (vielleicht auch teilweise älter) mit hellen Sanden und Tonen mit Heskemer Pollenbild (Ältere Sandund Tonserie). Das demgegenüber ältere Borkener Pollenbild ist hier nicht nachzuweisen. 2. Statt Kasseler Meeressand folgt hier Schleichsand auf den Rupelton. Der beiden Sedimentationsräumen gemeinsame Melanienton zeigt am Nordrand des Vogelsberges eine den mittleren Pechelbronner Schichten entsprechende Mikrofauna. Sannois-Alter ist durch eine Kleinsäugerfauna obendrein wahrscheinlich. Die Überprüfung des Profils Kirchhain mit Hilfe einer Kontrollbohrung und der Spezialkartierung der näheren Umgebung hat ergeben, daß die dort beobachtete Lagerung des Melanientons über Rupelton keiner normalen Schichtfolge entspricht. Es kann angenommen werden, daß es sich dabei um eine durch Abgleiten in den benachbarten Tuffschlot gestörte Schichtfolge handelt. Sonst wurde überall die Folge Melanienton—Rupelton—Schleichsand beobachtet. Der bisher vom Nordrand des Vogelsberges unbekannte Schleichsand sollte durch den oberen Melanienton vertreten sein. Damit ist aber der „obere Melanienton“ so zweifelhaft, daß nur noch mit einem Melanienton, dem unter dem Rupelton, gerechnet werden kann, was auch wesentlich besser mit der stratigraphischen Reichweite seiner Fauna übereinstimmt. Der Rupelton kann hier ganz wie im Mainzer Becken nach Spandel 1909 auf Grund seiner Foraminiferen in biofazielle Abschnitte gegliedert werden. Er beginnt über dem Melanienton stets (wie auch in der Kasseler Braunkohlensenke) mit dem unteren Rupelton. Der mittlere Rupelton, die Fazies der Fischschiefer, ist hier geringmächtig und undeutlich entwickelt. Der obere Rupelton läßt sich hier in eine untere Abteilung mit Cibicides ungerianus (Orbigny 1846) und in eine obere mit Uvigerina (Angulogerina) canariensis (Orbigny 1839) nochmals unterteilen. Der nach Volk 1956 zwischen diesen Zonen im Mainzer Becken auftretende Dentalinenhorizont ist in den bisher untersuchten Profilen hier nicht charakteristisch ausgebildet. Auf den oberen Rupelton mit Uvigerina (Angulogerina) canariensis folgt dann ganz entsprechend der von Doebl 1954 im Mainzer Becken beschriebenen Weise der Schleichsand. Er enthält auch hier eine allochthone Kreide-Alttertiär-Mikrofauna, wie das Doebl 1954 für den Schleichsand und Schad 1957 für die Melettaschichten des Rheintalgrabens beschrieb. Der Verfasser möchte diese aus dem Süden, aus Oberkreide und Alttertiär der helvetischen Zone der Alpen herleiten. Damit sind aber neue Argumente für Zusammenhänge zwischen Rheintalgraben, Mainzer Becken und Tertiärgebiet am Nordrand des Vogelsberges im Alttertiär erbracht. Dagegen fehlt in der Kasseler Braunkohlensenke der Schleichsand. Dafür tritt dort Kasseler Meeressand auf, dessen Südende möglicherweise der wegen des Fehlens autochthoner Faunen problematische Ziegenhainer Grünsand bezeichnet. Die Unterschiede zwischen Vogelsberg-Nordrand und Kasseler Braunkohlensenke sind wahrscheinlich auf die Kellerwaldschwelle Hummel’s 1930 zu beziehen — jenem tektonischen Element, das das Vorspringen des Kellerwalds und die Kulm-Insel von Ruhlkirchen bedingt. Sie wirkt sich demnach im Tertiär als zeitweilige Scheide zwischen Nordmeer und Südmeer aus.