Nach der Erstauflage im Jahre 1990 ist nun die zweite Auflage des Lehrbuches Allgemeine Hydrologie — Quantitative Hydrologie erschienen. Sie ist
geringfügig überarbeitet. So wurde etwa das Thema Makroporen einbezogen und in einigen Abbildungen ist die neue Erstreckung der Bundesrepublik
Deutschland berücksichtigt.
Im Arbeitsgebiet der Hydrologie ist in den letzten Jahren eine
Verschiebung zu orten, wobei nun neben rein quantitativen
Bemessungsaufgaben auch Fragen des Stofftransports oder der
anthropogenen Beeinflussung des Wasserhaushaltes im Vordergrund
stehen. Diese neue Stoßrichtung scheint sich in den jüngsten Jahren
sogar unter dem Begriff Umwelthydrologie als ein wichtigerTeilbereich
der Hydrologie international zu etablieren. Füralle diese
Fragestellungen sowohl in der Grundlagenforschung als auch bei
konkreten lngenieuranwendungen ist ein besseres Verständnis der
hydrologischen Prozesse eine unabdingbare Voraussetzung. Genau dieses
Prozeßverständnis versucht das vorliegende Lehrbuch dem Leser zu
vermitteln. Seit der Erstauflage hat es deshalb an Aktualität
gewonnen. Es handelt sich um den ersten Band einer Serie „Lehrbuch
der Hydrologie“. Erträgt den Titel „Allgemeine Hydrologie“ und ist
den physikalischen Grundlagen der Hydrologie gewidmet, wie auch im
Vorwort präzisiert wird. Gewisse Bereiche der Hydrologie wurden
deshalb bewußt ausgeklammert, wie etwa die Hydrometrie, die
lngenieurhydrobiologie oder die Regionale Hydrologie, für die eigene
Folgebände vorgesehen sind.
Da die moderne Hydrologie — selbst bei Konzentration auf die
Grundlagen — einen derart umfangreichen Stoff umfaßt, entschieden sich
die Herausgeber dafür, das Buch aus getrennten Abschnitten mit
unterschiedlichen Verfassern aufzubauen. Eine Einführung beschreibt
die Stellung der Hydrologie in den Natur- und Ingenieurwissenschaften
sowie die Geschichte der Hydrologie. Es folgen Abschnitte zu den
physikalischen Grundlagen: Wasser als Stoff; der Wasserkreislauf; die
Hydrosphäre; der Energiehaushalt der Erde; der atmosphärische
Wasserdampftransport. Die weiteren Abschnitte sind im wesentlichen den
einzelnen hydrologischen Prozessen gewidmet: Niederschlag; Schnee und
Eis; lnterzeption; Verdunstung; Versickerung und Bodenfeuchte;
Grundwasser; Abfluß. Zwei Abschnitte über Seen und Küstenhydrologie
runden die Darstellung ab.
Die einzelnen Kapitel sind als selbständige Teile konzipiert, und
daher gibt es in manchen Punkten Überschneidungen. Die meisten Leser
werden dies jedoch eher als nützlich empfinden, da alle relevanten
Informationen im jeweiligen Kapitel zu finden sind. Als Nebeneffekt
werden dadurch manche Sachverhalte (wie z. B. die Energiebilanz der
Erdoberfläche) von unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet, wodurch
auch die lnterdisziplinarität des Arbeitsgebietes der Hydrologie
dokumentiert wird. In allen Kapiteln wird die Fachkompetenz derAutoren
deutlich. Als besonders gelungen sind wohl die Kapitel zu den
physikalischen Grundlagen zu bezeichnen, aber auch andere wie etwa die
Darstellung des Grundwassers. insgesamt bietet jeder Abschnitt eine
Fülle von sehr nützlichen Informationen. Wenn ein Aspekt zu enivähnen
ist, der als Indikator für die derzeitige Arbeitsmethodik innerhalb
der Hydrologie anzusehen ist, so der Umstand, daß die Kapitel zum Teil
in unterschiedlichem Stil und in unterschiedlicher ‘liefe abgehandelt
werden. Manche sind eher beschreibend (z. B. die Interzeption), andere
eher quantitativ (z. B. der atmosphärische
Wasserdampftransport). Manche Abschnitte stützten sich vor allem auf
Differentialgleichungen, andere auf empirische Beziehungen. Wieder
andere gehen sehr ins Detail. Unterschiede können selbst innerhalb
eines Kapitels auftreten.
So wird etwa bei Schnee und Eis zwar die Massenbewegung von Gletschern
im Detail erörtert, den Wasserhaushalt einer temporären Schneedecke
streift das gleiche Kapitel aber nur am Rande. Diese Unterschiede sind
offensichtlich durch die Arbeitsweisen der Disziplinen bedingt, aus
denen sich die Verfasser rekrutieren. Leider erfolgt die Wahl einer
Methode oft auf Basis des Rüstzeuges‚ das dem Bearbeiter auf Grund
seiner Ausbildung zur Verfügung steht, und dieses Rüstzeug ist nun bei
Forschern und Ingenieuren, die im Bereich der Hydrologie tätig sind,
sehr unterschiedlich, je nachdem, ob ihre Ausbildung in der
Geographie, Meteorologie, Bauingenieurwesen, Forstkunde, Bodenkunde
oder Geologie erfolgte. Eine Auswahl der Methode sollte doch im
Idealfall auf Basis der Eigenschaften der hydrologischen Prozesse im
Rahmen einer konkreten Problemstellung erfolgen. Bei einer Neuauflage
des Buches gäbe es hier die Möglichkeit, durch Abstimmung der Methoden
in den einzelnen Kapiteln einen Schritt in Richtung der Integration
der Disziplinen zu setzen.
Seit dem Erscheinen der Erstauflage bzw. kurz davor sind eine Reihe
anderer ausgezeichneter Lehrbücher der Hydrologie erschienen, wie etwa
Dyck/Peschke (Grundlagen der Hydrologie, Verlag für Bauwesen‚ 1995) im
deutschen Sprachraum und Chow et al. (Applied Hydrology, McGraw-Hill,
1998) sowie Dingman (Physical Hydrology, Macmillan‚ 1994) im englischen
Sprachraum. Welche Rolle nimmt das vorliegende Buch nun im Vergleich mit
diesen Werken ein, wo liegen seine Stärken? Einen ersten Hinweis, der bei
der Lektüre des Buches bestätigt wird, gibt ein Blick auf die Autorenliste.
Mehr als ein Drittel der Autoren sind Meteorologen, fast zwei Drittel haben
schwerpunktmäßig mit großräumigen oder globalen Prozessen gearbeitet.
Die großräumige Betrachtung mit Betonung der atmosphärischen Prozesse
ist also eine der ganz großen Stärken dieses Buches. Weiter wird dadurch
ermöglicht, auch die anderen hydrologischen Aspekte bzw. Komponenten zu
den mehr globalen Fragen in Beziehung zu setzen. Schließlich werden die
physikalischen Grundlagen in einem Umfang und Detail dargestellt, die bei
vergleichbaren Lehrbüchern nicht möglich sind.
Das Buch ist für alle Hydrologen zu empfehlen, sowohl für Naturwissenschaftler als auch für Ingenieure, denn eine gute Kenntnis der Grundlagen
und Prozesse ist das beste Rüstzeug für zuverlässige Planungen und
Vorhersagen. Abschließend ist den Herausgebern und Autoren zu diesem
aktuellen und umfangreichen Buch zu gratulieren und den Herausgebern
gutes Gelingen für die Folgebände zu wünschen.
G. Blöschl, Wien