Methoden und Regeln der Geographie, aber auch anderer Fachrichtungen, wurden
vor allem in und für die außertropischen Regionen entwickelt. Jedoch gibt es
in den Tropen viel Typisches, was generell anders als in den Außertropen
abläuft. Die Tropen werden hier über Klima-, Boden-, Vegetationsformen
definiert, wobei wesentlicher Abgrenzungsfaktor gegenüber den Außertropen das
Fehlen einer "Eiszeitlücke" ist. Trotz unterschiedlicher Tropendefinitionen
und Abgrenzungsversuche ist es wichtig, Tropenphänomene darzustellen,
herzuleiten und in ihrer Bedeutung entsprechend zu gewichten. In der heutigen
Zeit ist dies ein unbedingtes Muß, wenn man "Vorgaben" und "Vorschriften" für
Sinn und Durchführung von Entwicklungshilfemaßnahmen in den Tropen
entsprechend bewerten will. Beispielsweise sind bestimmte Klischees auch
heute noch gängig wie "Folgen des Kolonialismus" oder "Die ökologische
Benachteiligung der Tropen", und solche Klischees bilden in vielen
Schulbüchern noch immer die Hauptaussagen über den Tropenraum.
Indem Frau Bremer die Hauptphänomene zu Beginn eines jeden Kapitels allgemein
vorstellt und danach an verschiedenen Fallbeispielen konkretisiert, gelingt es
ihr, die Aussagen derartiger Klischees so zu relativieren, daß sie für die
einzelnen Räume als Arbeitsgrundlage nachvollziehbar werden. Darin liegt das
erste Plus dieses Buches: Pauschalanalysen der Tropen sind (mangels
Raumspezifität) von nur eingeschränktem Aussagewert. Es müssen die
geographischen Spezifika der verschiedenen Kontinente zu einer räumlichen
Synthese verarbeitet werden.Und hier kommt das zweite Plus: Es ist wesentlich,
die naturgeographischen Voraussetzungen in ihren Wechselbeziehungen zu den
Folgen menschlicher Einflußnahme durch Besiedlung und Bewirtschaftung zu
sehen. Eine derartige thematische Synthese kann die wichtigsten
Interdependenzen in einem Raum aufzeigen und durch Raumvergleiche zur
Allgemeingültigkeit entwickeln. Was also besticht, ist die Synthese
landschaftsformender und -beeinflussender Elemente in einzelnen Teilräumen und
den Tropen allgemein.
Dabei kommen alle aktuell wichtigen Fragen zum Zuge wie beispielsweise
Desertifikationsvorgänge, Degradation der Savannen, Bodendegradierung,
Weideökologie, Anbaumethoden, Bedeutung der Holznutzung, CO2-Haushalt,
Klimamodelle einer unterschiedlich intensiven Brandrodung, Folgen ethischer
Unterschiede oder die Bedeutung tropischer Krankheiten. Daß aber trotz dieser
unbestrittenen Vorzüge des Buches einige Wünsche offenbleiben, ist anzumerken:
Auffallend ist, daß - vor allem bei wirtschaftsgeographischer Literatur - die
Auswahl sehr subjektiv zu sein scheint. Dies ist zwar legitim, doch für eine
Uberblicksarbeit wie hier nicht unbedingt nachvollziehbar. Auch fällt bei
Fallbeispielen und Literaturzitaten ein Schwerpunkt auf Arbeiten Indiens und
Südostasiens auf.
Dies wiederum spiegelt möglicherweise eine unterschiedliche Informationslage
in verschiedenen Tropenländern wider. Bei den verwendeten Abbildungen kommen
vorwiegend Originalvorlagen zum Zuge. Für den Leser ist dies eher mühsam, weil
sowohl die drucktechnische Wiedergabequalität darunter leidet (Verschwimmen
von Zwischentönen, Auflösung dünner Strichzeichnungen) als auch von Bild zu
Bild neue Schreibweisen zu verarbeiten sind. Hier hätte eine einheitliche
Gestaltung bei Format und Beschriftung (zumindest Eindeutschung) eine ganz
entscheidende Hilfestellung bieten können. Insgesamt liegt ein Werk vor, das
durch die akribische Ableitung einzelner Phänomene im Laufe ihrer Erforschung
den jeweiligen Kapiteln sogar einen wissenschaftshistorischen
Uberblickscharakter verleiht, etwa bei Verwitterungstheorien und
Landschaftsformen der Tropen.
Will man weiter die Eigenschaften dieses wichtigen Gebietes
unter dem Blickwinkel von Ursache und Wirkung, der Bedeutung von Eingriffen in
Natur- und Kulturgeschehen sowie der
Nachhaltigkeit von Hilfsmaßnahmen betrachten, sollte man unbedingt zu diesem
Buch greifen.
Prof. Dr. Volker Kaminske, Pfinztal, Naturw. Rdsch. 52Jg. 1999(9), 378