Der deutsche Polarforscher Prof. Dr. HANS FREBOLD vollendete während
der Kriegsjahre 1941/1943 in Kopenhagen ein Manuskript über die
Geologie der Arktis, das zwar noch im Februar 1945 gesetzt und
gedruckt worden war, aber durch Kriegsergebnisse zusammen mit allen
Unterlagen verloren gegangen ist. Lediglich Druckfahnen blieben im
Privatbesitz erhalten. Bei Nachforschungen in Kanada ist dieses
einzige Exemplar 2002 im FREBOLDschen Nachlaß wiederentdeckt worden
und jetzt als Reprint erschienen.
Bereits 1929 hatte FREBOLD einen Beitrag zur Schichtenfolge des
Jura und der Unter-Kreide an der Ostküste SW-Spitzbergens
veröffentlicht, wobei ihm Fossilfunde von K. GRIPP und E. TODTMANN
(Expeditionen von 1927) als Grundlage dienten
(Abh. naturwiss. Ver. Hamburg, 22).1930 hatte er als Dozent an der
Universität Greifswald an einer norwegischen Spitzbergen-Expedition
und 1931 an der dänischen Schiffs-Expedition mit der ,Godthaab' nach
Ost-Grönland teilgenommen. Im Auftrag skandinavischer Regierungen
bearbeitete er, von 1933 bis 1949 in Kopenhagen wohnhaft,
jungpaläozoische und mesozoische Evertebraten-Sammlungen in
Kopenhagen, Oslo und Stockholm. 1949 wechselte er zum Geological
Survey nach Kanada.
Der jetzt verfügbar gewordene Band bietet zunächst einen Abriß der
erdgeschichtlichen Entwicklung der großen strukturellen Einheiten der
Arktis einschließlich Nordamerikas und Sibiriens. Spezielle Kapitel
behandeln die Geologie Grönlands und des arktischen Kanada. Von LAGE
KOCH (in Geologie Grönlands", 1935) gelieferte ungenaue und von
dänischen Geologen stark kritisierte Darstellungen werden durch
FREBOLD revidiert und ergänzt. Im Gegensatz zu dem hier vorgestellten
1. Band (westliche Arktis mit Grönland und kanadische arktische
Inseln), sind in Band 2 - 1946 abgeschlossen - die östliche Arktis mit
Spitzbergen und Novaja Semlja behandelt. Ein Neudruck von Band I und
die Herausgabe von Band 2 waren in dem damals unter Blockade stehenden
West-Berlin nicht zu verwirklichen. Erst 1951 erschien lediglich der
2. Band mit dem Titel "Geologie des Barentsschelfes"
(Abh. dtsch. Akad. Wiss., [Ost-]Berlin).
In Band I informieren vergleichende stratigraphische Tabellen über die
Entwicklung der verschiedenen regionalen Bereiche vom kanadischen
arktischen Archipel, von West-, Ost- und Nordgrönland, Spitzbergen und
von Kaiser-Franz-Joseph-Land bis Novaja Semlja. Der besonderen
Entwicklung des Nordatlantik, den man damals als Skandik bezeichnete,
ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Die Bedeutung des Werks liegt in
der vergleichenden Zusammenfassung der seinerzeitigen Kenntnisse über
den kanadisch-arktischen und grönländischen Raum in deutscher
Sprache. Die Ansicht ist noch heute gültig, wonach der Nordatlantik
(,Skandik') im Perm und im Mesozoikum ein flaches Schelfmeer gewesen
ist [plattentektonisch gesehen: eine beginenende Grabenbildung mit
einem sich später daraus entwickelnden mittelozeanischen Rücken], mit
den Äußeren Hebriden als östlichster Teil des Kontinents Laurentia als
Teil Grönlands und Nordamerikas. FREBOLD folgte jedoch mit einer
fixistischen geotektonischen Vorstellung von der Entstehung der Ozeane
als eingebrochene Kontinente dem Einfluß seines Lehrers HANS STILLE.
Sich daraus ergebende Widersprüche zu der WEGNERschen
mobilistischen Kontinentaldrift-Theorie und zur heutigen
Plattentektonik konnten erst zwei Jahrzehnte später durch den Nachweis
der Öffnung, Spreizung und jungen Neubildung der Ozeanböden beseitigt
werden.
Das verschollen gewesene Werk FREBOLDs ist nach 59 Jahren wieder
zugänglich gemacht worden - ein wertvolles Dokument für alle, die sich
für die Geologie der Arktis, insbesondere für diejenige Grönlands und
Kanadas sowie deren Erforschungsgeschichte interessieren.
F. THIEDIG
Verh. d. natuwiss. Vereins in Hamburg, N.F. Bd. 41, 2005