Die klassische Einteilung der Mathematik in Elementarmathematik und
Höhere Mathematik krankt an der unbefriedigten Abgrenzung der
Lehrinhalte beider Gebiete voneinander.
Oft hört man an den Schulen, in denen üblicherweise die
Elementarmathematik gelehrt wird, den Satz: „Das verstehen Sie jetzt
noch nicht – das wird Ihnen später im Studium erklärt.“ Und dann zu
Beginn des Studiums an der Hochschule oder Universität, wo die Höhere
Mathematik beginnt, hört der Studienanfänger zu seinem Erstaunen: „Das
kennen Sie ja schon von der Schule – das wird hier vorausgesetzt.“
Der Leidtragende ist auf jeden Fall der Studienanfänger und ein
Großteil der Schwierigkeiten im Fach Mathematik, die für ihn beim
Übergang von der Schule zur Hochschule erfahrungsgemäß auftreten, ist
auf die ungenügende Kontinuität zwischen Elementarmathematik und
Höherer Mathematik zurückzuführen. Es fehlt das Bindemittel zur
Überwindung dieser Diskrepanz, es fehlt eine Mittlere Mathematik.
Viele Hochschulen versuchen deshalb, durch Vorbereitungslehrgänge oder
Brückensemester die Lücke zwischen Elementarer und Höherer Mathematik
zu schließen. Aus diesem praktischen Bedürfnis heraus ist dieses Lehr-
und Übungsbuch der Mittleren Mathematik entstanden. Es wurde über
mehrere Jahre bei der Vorbereitung ausländischer Studierender auf ein
Hochschulstudium in Deutschland erprobt und es gelang stets, die bei
Ausländern besonders starken Niveauunterschiede im Fach Mathematik so
auszugleichen, dass kaum Probleme zu Beginn der Höheren Mathematik im
Studium auftraten.
Der Aufbau der 26 Lektionen der Mittleren
Mathematik folgt nach dem Prinzip der Triplizität: a) Lehrervortrag
und Erklärung eines in sich abgeschlossenen mathematischen Themas b)
Selbststudium des schriftlich fixierten Vortrages mit
Fragenbeantwortung c) Lösen von Übungsaufgaben und Problemdiskussion
der Lektion im Seminar In den ersten Lektionen der Mittleren
Mathematik werden Mengenlehre, Logik, Rechenoperationen und
Zahlenbereiche behandelt. In den nachfolgenden Lektionen wird die
Differenzialrechnung vorbereitet. Dabei wird deutlich gemacht, welch
große Bedeutung die Zahlenfolgen bei der Begründung der
Infinitesimalrechnung spielen. Schwerpunkt der Lektionen 10–15 ist
die Differenzialrechnung mit ihren Anwendungen. Die Lektion 16
beschäftigt sich mit der Kombinatorik und dem
Wahrscheinlichkeitsbegriff im Modell von Bayes. Anschließend in den
Lektionen 17–21 wird die Integralrechnung mit ausgewählten
Anwendungen behandelt. Die letzten Lektionen widmen sich den
Matrizen, den Determinanten, den Vektoren und der analytischen
Geometrie. Zur Kontrolle der Lehrinhalte dienen Klausurvorbereitungen
und Klausuren nach jeweils etwa vier Lektionen und am Ende sieben
Prüfungsbeispiele zur Vorbereitung auf die Prüfung. Das selbständige
Lösen und Durchdenken dieser Aufgaben und Probleme ist weit mehr als
die passive Aneignung der Lehrinhalte.
Wenn manchem Studierenden
gerade das Lösen der praktischen Anwendungsaufgaben größere
Schwierigkeiten bereitet, so garantiert das „Sich- Reinknien“ in das
Problem, die Zähigkeit und Selbständigkeit beim Lösen der Aufgaben
auch den größten individuellen Gewinn. Und dieser Gewinn zahlt sich
auch in den Fächern aus, die die Anwendung der Mathematik erfordern.
Alle mit der Mittleren Mathematik gemachten Erfahrungen in den letzten
Jahren zeigen, dass die Kluft zwischen Elementarer und Höherer
Mathematik auf ein Minimum herabgesetzt werden konnte und dass diejenigen, die sich damit auf ein Studium vorbereitet haben, einen wesentlich höheren
Leistungsdurchschnitt als die übrigen Studierenden hatten, und das
nicht nur im Fach Mathematik.
Möge in Zukunft der Satz „Das kennen
Sie ja schon – das wird hier vorausgesetzt“ keine langen Gesichter und großes Erstaunen bei Studienanfängern hervorrufen, sondern Zustimmung
finden und freudige Erinnerung an längst bekannte Tatsachen.