Cover image of: Roland Baumhauer; Stefan Winkler - Glazialgeomorphologie Formung der Landoberfläche durch Gletscher

Roland Baumhauer; Stefan Winkler:

Glazialgeomorphologie

Formung der Landoberfläche durch Gletscher

[Glacial morphology: Glacial processes shaping the Earth's surface]

2014. 262 Seiten, 153 Abbildungen, 4 Tabellen, 14x21cm, 450 g
Language: Deutsch

(Studienbücher der Geographie)

ISBN 978-3-443-07151-6, brosch., price: 29.90 €

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Keywords

Erdoberfläche • kontinentales Eis • Klima • Tektonik • Erosion • glaziale Sedimente • Lehrbuch • Moräne • Glaziologie

Contents

Inhaltsbeschreibung top ↑

Die Autoren vermitteln eine durchgehend illustrierte Einführung in die Geomorphologie der Gletscher und ermöglichen damit ein fundiertes Verständnis der Zusammenhänge einer der wichtigsten Teildisziplinen der Physischen Geographie (und der modernen Klimaforschung).

Ausgangspunkt ist die Diskussion kontinentaler Eismassen (Kryosphäre), ihrer Bedeutung und wie sich diese im Laufe der Erdgeschichte änderte. Darauf werden die wichtigsten Eigenschaften von Gletschereis und Gletschern behandelt und glaziale Formungsprozesse vorgestellt, ergänzt um Grundlagen der Glazialsedimentologie. Anhand dieser prozessorientierten Grundlagen werden glaziale bzw. von Gletscherschmelzwasser geschaffene Landformen und Formengesellschaften erläutert. Durch ihre Fokussierung auf Prozesse und die Vermittlung gletscherkundlicher Grundlagen erreichen die Autoren eine umfassende Darstellung der wichtigsten glazialen Oberflächenformen, wodurch sich dieser Band von anderen, rein deskriptiven Darstellungen unterscheidet.

Als erstes deutschsprachiges Lehrbuch seiner Art benutzt dieser Band ­Begriffe, die der modernen internationalen Fachterminologie angepasst sind und erleichtert dadurch den Zugang zur internationalen ausschließlich englischsprachigen Fachliteratur.

Bespr.: FOSSILIEN Heft 2015 (3) top ↑

Gletscher sind zeitverzögerte Indikatoren für Klimawandel. Mittlerweile befinden sie sich fast überall auf dem Rückzug, in der noch gar nicht so fernen Vergangenheit waren sie hingegen für weite Teile der „gemäßigten“ Breiten landschaftsbestimmend und landschaftsformend. Nicht umsonst nennt man die jüngste erdgeschichtliche Periode auch das „Eiszeitalter“. Ihre Hinterlassenschaften an Gesteinen und ein typischer Formenschatz sind auch heute noch landschaftsprägend, sofern man diese Spuren auszuwerten und zu deuten versteht. Eine Unzahl von Fachtermini erschwert einem allerdings das Verständnis glazigener Prozesse beim Literaturstudium, zumal manche Begriffe von unterschiedlichen Autoren recht unterschiedlich gebraucht werden. Die Forschung ist seit dem klassischen Werk von Penck und Brückner keineswegs stehen geblieben und inzwischen internationalisiert. Manches ist sicherlich auch noch nicht abschließend verstanden worden, denn oft muss man aus den Produkten alleine auf deren Entstehung rückschließen, wenn aktualistische Beobachtungen nicht möglich sind oder verschiedene Prozesse ineinander gegriffen haben, die im Einzelnen nur schwer auseinander gehalten werden können.
Mit diesem Büchlein haben die Autoren, beide an der Universität Würzburg tätige Geographen, eine ganz wesentliche Lücke geschlossen und das in den vergangenen Jahrzehnten angesammelte Fachwissen in gut gegliederter und kompakter Form wiedergegeben. Nach einem Überblick über die Veränderlichkeit der eisbedeckten Gebiete in der Erdgeschichte, speziell aber im Pleistozän und Holozän, werden zunächst allgemeine Grundlagen wie die physikalischen Parameter von Gletschereis – das im mineralogischen Sinn einer Gesteinsmetamorphose unterliegt, und die Steuerungsfaktoren der Gletscherbewegungen sowie die wichtige Rolle des Schmelzwassers vorgestellt. Die nächsten Abschnitte sind den verschiedenen beteiligten Prozessen und den dabei hinterlassenen mehr oder weniger typischen Sedimenten gewidmet. Schließlich wird der außerordentlich reiche Formenschatz, der bei der Beteiligung von Gletschern an der Erdoberfläche entsteht, vorgestellt. Sehr anschauliche Grafiken und zahlreiche Geländefotos, einige wenige davon auch in Farbe, illustrieren die mitunter komplexen Sachverhalte. Ein sehr ausführliches und aktuelles Literaturverzeichnis ermöglicht dem Leser bei Bedarf die rasche Vertiefung einzelner Sachverhalte. Das Büchlein wendet sich in erster Linie an Studenten der Geographie und Geologie, ist aber auch für Paläoklimaforscher und Personen, die sich näher für Gletscher interessieren, unentbehrlich.

Günter Schweigert

FOSSILIEN Heft 2015 (3)

Bespr.: forstarchiv 86. Jg. (4), Juli/August 2015, Seite 118 top ↑

Wenn man als Bodenkundler das Buch Glazialgeomorphologie von Roland Baumhauer und Stefan Winkler ernst nehmen würde, müsste man sich von vielen lieb gewonnenen Vorstellungen und Begrifflichkeiten trennen. Vertraute Konzepte von der „glazialen Serie“ und „Stauchendmoräne“ werden da ebenso in Zweifel gezogen wie die Begriffe „Grundmoräne“ und „Geschiebe“. In ihrem Studienbuch der Geografie versuchen die beiden Autoren einen Spagat zwischen einem deutschsprachigen Lehrbuch und einer Reflektion, die den aktuellen internationalen Forschungsstand auf diesem Gebiet wiedergibt. Sie haben dem Buch eine sehr klare Struktur gegeben.
Im ersten Kapitel wird die Kryosphäre in ihrer räumlichen und zeitlichen Entwicklung dargestellt. Dabei halten sich die Autoren nicht lange mit prosaischen Beschreibungen von der Faszination der Gletscher und massiver Eisschilde auf, sondern überhäufen den Leser auf der ersten halben Seite mit Definitionen von Fachbegriffen: Landeis, Meereis, sedimentäres Eis, magmatisches Eis, Injektionseis, Segregationseis, Aggregationseis, Poreneis, Intrusiveis, Eislinsen, Kammeis, Nadeleis, Eiskeile und Permafrost. Wer an dieser Stelle das Buch nicht schon weggelegt hat, wird mit einer ausführlichen und verständlichen Darstellung der komplexen Wechselwirkungen zwischen Klima, Meeresströmungen und Eisdynamik auf der Basis aktueller Literatur belohnt. Dabei gelingt den Autoren – wie auch an vielen anderen Stellen – eine gute Balance zwischen Übersichtlichkeit und den für das Verständnis wichtigen Details.
Das zweite Kapitel beschreibt die „Glaziologischen Grundlagen der Glazialgeomorphologie“. In knapper, aber übersichtlicher Form werden die Dynamik von Gletschern mit ihren physikalischen Eigenschaften und die wichtigen Gletschertypen dargestellt. Wichtig für das weitere Verständnis ist an dieser Stelle die Beschreibung glazialer Debris-Kaskaden. In Kapitel zwei zeigt sich allerdings auch, dass die Anschaulichkeit der im ganzen Buch vorherrschenden Schwarz-Weiß-Darstellungen begrenzt ist. Insbesondere die mit viel Sorgfalt ausgesuchten, überwiegend von Stefan Winkler selbst gemachten Fotos wirken als Schwarz-Weiß-Aufnahmen teilweise unverständlich und antiquiert. Es ist nicht nachvollziehbar, warum ein Verlag nicht, wie in aktuellen Lehrbüchern üblich, ein neues Buch mit hochwertigen Farbfotos ausstattet.
Kapitel drei beginnt mit einer ausführlichen Definition und Begründung der verwendeten Begriffe. Die Neudefinitionen orientieren sich dabei an der aktuellen englischsprachigen Literatur. Dabei wird von den Autoren nahegelegt, beispielsweise auf die Begriffe Stauchendmoräne, Geschiebe, glaziär oder glazigen zu verzichten. Die Umbenennungen sind teilweise gut begründet und fundiert, da sich der Stand der Erkenntnisse weiterentwickelt hat, teilweise wirken sie aber auch etwas gewollt.
Den Hauptteil des Buches macht das vierte Kapitel aus, in dem die glazialen Oberflächenformen gegliedert nach ihrer Größe (Mikro-, Meso- bzw. Makroformen) dargestellt werden. Dabei wird viel Wert auf den aktuellen Wissensstand sowie die Neudefinitionen der Begrifflichkeiten gelegt. Die Autoren verfolgen dabei auch hier ganz konsequent das Konzept, die in der aktuellen Literatur üblichen englischen Fachbegriffe auch im Deutschen zu verwenden. Statt „Stauchendmoräne“ sprechen sie von „push moraines“ oder „thrust moraines“, statt „Ausschmelzen“ wird „melt out“ benutzt, statt „Absetzen“ „lodgement“. Der Vorteil dieser Vorgehensweise ist die Nähe zur aktuellen Literatur, die die Autoren sehr klar, übersichtlich und informativ darstellen. Dies ist sicherlich einer der größten Vorzüge dieses Buches. Es ist insbesondere in Kapitel 4 teilweise mehr ein Review des aktuellen Wissensstandes als ein Lehrbuch. Sehr informativ, aber teilweise mit zu wenig Erläuterungen und anschaulichen Darstellungen grundlegender Zusammenhänge. Aus der gehäuften Verwendung von Anglizismen resultiert eine schlechte Lesbarkeit, weil der Sprachfluss immer wieder unterbrochen wird.
Das Buch eignet sich aus meiner Sicht nicht als Einführung in das Themengebiet. Zu diesem Zweck lassen sich allgemeine Lehrbücher der Geomorphologie besser verwenden. Es liefert aber sehr gute Übersichten der Forschung in den einzelnen Themenschwerpunkten und eignet sich daher vor allem zur Vertiefung. Ob sich das von den Autoren vorgeschlagene glazialgeomorphologische Vokabular im deutschsprachigen Raum durchsetzen wird und ob wir als Bodenkundler und Standortkartierer demnächst unsere gewohnten Begrifflichkeiten aufgeben und umlernen müssen, wird die weitere Auseinandersetzung um das Thema zeigen.

Martin Jansen, Göttingen

forstarchiv 86. Jg. (4), Juli/August 2015, Seite 118

Bespr.: Bücherrundschau - Buchneuheiten 2 - 2015 top ↑

Lagen die Polargebiete vor einhundert Jahren noch am Rande der bekannten Welt, so rücken sie zunehmend in den Blickpunkt internationaler Forschung, vor allem im Zusammenhang mit dem Klimawandel und seinen Folgen. Eine der dramatischsten Folgen ist die zunehmende und sich beschleunigende Abschmelzung der Polkappen. Diese Ereignisse haben vielfältige Auswirkungen, vom Anstieg des Meeresspiegels über den Verlust der polaren Klimakammern, den Verlust von Lebensraum für zahlreiche an die Eisregionen angepasste Tierarten sowie klimatische Ereignisse mit besonderen Wetterphänomenen. In diesem Zusammenhang interessiert die Wissenschaft auch die Vergangenheit, als die Erdoberfläche wiederholt von großen Eismassen bedeckt war und diese zu Formung der Landschaft, von Lebensräumen sowie zu Verlust und Gewinn von neuen Vegetationszonen beitrugen. Die beiden Geographen Roland Baumhauser und Stefan Winkler vermitteln in einem neuen durchgehend illustrierten Band aus dem Stuttgarter Verlag Borntraeger Science Publishers eine Einführung in die Geomorphologie der Gletscher und ermöglichen damit ein fundiertes Verständnis der Zusammenhänge einer der wichtigsten Teildisziplinen der Physischen Geographie (und der modernen Klimaforschung). Ausgangspunkt ist die Diskussion kontinentaler Eismassen (Kryosphäre), ihrer Bedeutung und wie sich diese im Laufe der Erdgeschichte änderte. Darauf werden die wichtigsten Eigenschaften von Gletschereis und Gletschern behandelt und glaziale Formungsprozesse vorgestellt, ergänzt um Grundlagen der Glazialsedimentologie. Anhand dieser prozessorientierten Grundlagen werden glaziale bzw. von Gletscherschmelzwasser geschaffene Landformen und Formengesellschaften erläutert. Durch ihre Fokussierung auf Prozesse und die Vermittlung gletscherkundlicher Grundlagen erreichen die Autoren eine umfassende Darstellung der wichtigsten glazialen Oberflächenformen, wodurch sich dieser Band von anderen, rein deskriptiven Darstellungen unterscheidet. Als erstes deutschsprachiges Lehrbuch seiner Art benutzt dieser Band ­Begriffe, die der modernen internationalen Fachterminologie angepasst sind und erleichtert dadurch den Zugang zur internationalen ausschließlich englischsprachigen Fachliteratur. Der vorliegende Band mit seinen zahlreichen Abbildungen ist eine gut verständliches und übersichtlich gegliedertes Grundlagenwerk zur Glazialgeomorphologie und empfiehlt sich neben Studierenden auch allen an Glaziologie Interessierten, wie auch Alpinisten und im Hochgebirge Aktiven. Nicht zuletzt ist der Band auch ein wertvolles Werk für alle Bibliotheken mit naturkundlichen und geologischen Büchern!

Bücherrundschau - Buchneuheiten 2 - 2015

Bespr.: Jahrbücher des Nassauischen Vereins f. Naturkunde Bd. 136 (2015) top ↑

Als Teilgebiet der Geomorphologie beschäftigt sich die Glazial(geo)morphologie mit den glazialen und glazifluviatilen Formungsprozessen und den daraus resultierenden Landformen. Die beiden Verfasser vom Geographischen und Geologischen Institut der Universität Würzburg versuchen mit dem vorliegen­den Buch eine im deutschen Sprachraum seit mehr als 50 Jahrzehnten fehlende zusammenfasende Darstellung unter Verwendung einer Terminologie, die dem aktuellen, internationalen prozessorientierten Verständnis entspricht. Dabei legen sie Wert auf die Trennung von Prozess und resultierender Form, um eine deutlichere Differenzierung der häufig sehr komplexen Bildungsprozesse zu ermöglichen.
Im ersten (S. 9-36: Die Kryosphäre in Raum und Zeit) von vier Kapiteln liegt der Schwerpunkt auf der Diskussion der kontinentalen Eismassen, der Stellung der Kryosphäre im Klimasystem und ihren Änderungen im Laufe der Erdgeschichte. Im zweiten Kapitel (S. 37-72: Glaziologische Grundlagen der Glazialgeomorphologie) werden die Bildung von Gletschereis und dessen Eigenschaften dargestellt, außerdem die geophysikalischen und morphologischen Gletschertypen, die Bewegung der Gletscher und deren Veränderungen, ihre Massenbilanz und das Schmelzwasser im Gletscher.
Im dritten Kapitel (S. 73-112: Glaziale Prozesse und Sedimente) werden die Prozesse der glazialen Erosion vorgestellt, ergänzt um Grundlagen der Glazialsedimentologie.
Im abschließenden vierten und umfangreichsten Kapitel (S. 113-222: Glaziale Oberflächenformen und Formengesellschaften) werden basierend auf den im vorausgehenden Kapitel erörterten prozessorientierten Grundlagen die glazialerosiven Formen in allen Größendimensionen, die Moränen, subglaziale und ebenso glazifluviale und glazimarine Akkumulationsformen sowie typische glaziale Formengesellschaften präsentiert und erläutert.
Das Buch endet mit einem umfangreichen Literaturverzeichnis (S. 222-258) und einem Stichwortverzeichnis (S. 259-262).
Dieses Buch, das in der Reihe „Studienbücher der Geographie“ erscheint, fokussiert auf glaziale Prozesse und die Vermittlung gletscherkundlicher Grundlagen und unterscheidet sich als erstes deutschsprachiges Lehrbuch seiner Art dadurch von der rein deskriptiven Darstellung der glazialen Oberflächenformen. Außerdem werden erstmals Begriffe benutzt, die der modernen internationalen Fachterminologie angepasst sind. Der Rezensent störte sich aber an diesen immer wieder eingestreuten Anglizismen (die einmalige Übersetzung des jeweiligen deutschen Begriffs ins Englische hätte genügt und wäre auch so der Intention der Verfasser entgegengekommen).
Das im Hinblick auf konzentrierte Wissensvermittlung gute und anspruchs­vol­le, im Hinblick auf Zeichensetzung allerdings etwas sorglos geschriebene Buch richtet sich an Geographen, Glaziologen, Studenten anderer Fachrichtungen sowie an Klimatologen. Diese Zielgruppe hätte es sicherlich begrüßt, wenn alle 95 Photos von Landschaften, Gletschern und Sedimenten in Farbe wiedergegeben worden wären und nicht nur 12. Falls eine 2. Auflage geplant sein sollte, wird der Verlag diesem Mangel sicherlich abhelfen.

Prof. Dr. Benedikt Toussaint

Jahrbücher des Nassauischen Vereins für Naturkunde Band 136, 2015

Bespr.: Zentralblatt f. Geologie u. Paläontologie, Teil II, Jg. 2016 H. 3-4 top ↑

Ein aktuelles, deutschsprachiges Lehrbuch zur Glazialgeomorphologie zu erarbeiten ist unbedingt lobenswert. Eine zentrale Absicht der Autoren ist die gründliche Berücksichtigung des aktuellen Forschungsstandes aus der Sicht derjenigen, die sich dem Verständnis der durch Gletscher erzeugten, die Erdoberfläche bis heute mitgestaltenden Prozesse gewidmet haben. Damit verbunden ist in diesem Teilgebiet der Geowissensschaften leider auch eine unvermeidliche Verwendung der englischsprachigen Fachterminologie, um „ ... internationale Literatur ohne größere Begriffsverwirrung ...“ nutzen zu können. Viele dieser Prozesse hat man noch nicht endgültig verstanden oder ihre Interpretation bleibt strittig. Wenn man aber im Buch beispielsweise mehr als 14 verschiedene Begriffskreationen zum Till findet, bleibt nur zu hoff en, dass sich unter den englischsprachigen Autoren derzeit nicht eine noch viel größere Verwirrung breit macht. Dabei ist ganz allgemein auch für andere Wissenschaftsbereiche kritisch anzumerken, dass mit dem langsamen Verschwinden tradierter anderssprachlicher Begriffe auch die Möglichkeit schwindet, historische Literatur zu recherchieren und angemessen zu würdigen. Manchmal nennt man zwar noch beispielsweise die deutschen Termini, wenn man aber meist Moränenmaterial und Debris schreibt und man den Begriff Geschiebe (glacial erratic boulder) und damit auch die Geschiebeforschung „ ... aufgrund der damit verknüpften Vorstellung eines Moränenmaterial ‚vor-sich-her-schiebenden‘ Gletschers (für) überholt.“ hält, schießt man hier deutlich über das Ziel hinaus. Lediglich auf der Seite 100 erwähnt man noch die Erratika (Findlinge) und ihre große wissenschaftliche und wissenschaftshistorische Bedeutung. Wichtig an dieser Stelle hervorzuheben ist der von Schallreuter (1998) eingeführte Begriff der Klastenforschung, der den Wissenschaftsrahmen wesentlich umfassender spannt (siehe unten).
Zu loben sind jedoch die zahlreich in den Text eingefügten Literaturhinweise und das sehr umfangreiche Literaturverzeichnis, das auf eine gründliche Literatursichtung bis einschließlich 2013 schließen lässt. Im Register hätten man aber noch mehr der englischsprachigen Begriffe auflisten müssen. Der Platz dafür wäre auf den Seiten 258–262 noch vorhanden gewesen.
Das erste Kapitel „Kryosphäre in Raum und Zeit“ reißt die präpleistozäne „Kryosphäre in der früheren Erdgeschichte“ und erste größere Vereisungen im Oligozän nur kurz an. Die Abb. 1.1 „Aktuelle Verteilung von Landeis und Meereis“ und die Tab. 1.1 zur Gletscherausdehnung im Pleistozän unterschlagen die aktuellen Gletschergebiete der subtropischen Anden. Zwar wird zu den Hochgebirgsgletschern ein Kap. 3.1.7 angekündigt, dieses Kapitel fehlt jedoch! Ganz erfreulich ist aber das Anführen zahlreicher und gar nicht mehr so ganz neuer Argumente zu den Klimafakten, die allesamt gegen die Klimaideologie des IPCC sprechen: dass Temperaturanstiege von 5° C innerhalb weniger Jahrzehnte möglich sind und der CO2-Anstieg verzögert dem folgt, dass während der letzten beiden Interglaziale der Meeresspiegel höher stand als derzeit, dass im Holozän die Hochgebirgsgletscher in 8–12 Zeitabschnitten eine geringere Ausdehnung hatten als um das Jahr 2000 und dass die Rückkehr aus der „Kleinen Eiszeit“ immer noch nicht abgeschlossen ist.
Ein sehr lesenswertes Heft der ZDGG (Wiederhold 2009) bespricht ein im vorliegenden Buch etwas zu kurz gekommenes Thema. Dies verfestigt den Eindruck des Rez., dass den Autoren die Hochgebirgsgeomorphologie mehr liegt als die nicht zu unterschätzende Formenvielfalt, die die großen Inlandeisschilde hinterließen.
Trotz gewisser, leicht behebbarer Mängel und einiger weniger Druckfehler (Seiten 85, 96 und 198) kann das Buch wegen seiner sehr umfassenden Darstellung und Erläuterung glazialmorphologischer Formen, Prozesse und Sedimente für Geowissenschaftler zu einem Standardwerk reifen.

Gerhard Schöne, Wedel

Zentralblatt für Geologie und Paläontologie, Teil II, Jg. 2016 Heft 3-4

Bespr.: GeoLoge volume 2-2018 top ↑

Einleitung
Die Glazialgeomorphologie ist die Wissenschaft der Oberflächenformung durch Gletscher und ihre Schmelzwasser. Während heute noch etwa 10 % der Festlandsfläche der Erde von Gletschern bedeckt sind, waren es in den Kaltzeiten des Pleistozäns bis zu 25 %. Glaziale Formen und Sedimente prägen daher weite Teile der Erdoberfläche – so etwa im Norddeutschen Tiefland oder im Alpenvorland. Entsprechend widmen alle Lehrbücher zur Allgemeinen Geomorphologie (z. B. Leser 2009, Ahnert 2015, Zepp 2017) den glazialen Formungsprozessen ein eigenständiges Kapitel. Zudem existieren deutschsprachige Lehrbücher über das Eiszeitalter (Ehlers 2011) und die Spuren der Eiszeit (z. B. Fraedrich 2016), die auch glazialmorphologisches Grundlagenwissen vermitteln. Abgesehen von der vergriffenen Glazialmorphologie von Kuhle (1991) fehlten bisher jedoch tiefergehende deutschsprachige Einführungen zur glazialen Formung. Diese Lücke schließen Roland Baumhauer und Stefan Winkler mit ihrem 2014 in Erstauflage erschienenen Lehrbuch.
Inhaltswiedergabe
Auf insgesamt 212 Seiten zuzüglich Verzeichnisse führen die Autoren systematisch in die Grundlagen der Glaziologie und Glazialgemorphologie ein. 153 Fotos, Schemazeichnungen und Diagramme veranschaulichen die Inhalte. Bis auf wenige Farbfotos sind die Abbildungen in Schwarzweiß gehalten, was in Anbetracht einer zumeist farblosen Gletscherwelt und dank der sorgfältigen Gestaltung der Grafiken vollkommen ausreichend ist. Das klar strukturierte Lehrbuch beginnt mit einem Kapitel zur Kryosphäre in Raum und Zeit. Nach einer kurzen Übersicht zur Typisierung und globalen Verbreitung von Eis wird auf die Rolle der schnee- und eisbedeckten Bereiche im Klimasystem eingegangen. Es folgt eine Darstellung der Vereisungsgeschichte von den frühen Erdzeitaltern bis hin zu den prognostizierten Veränderungen der nahen Zukunft. Der Schwerpunkt liegt hierbei verständlicherweise auf den pleistozänen Kaltzeiten und dem Holozän. Das zweite Kapitel liefert die glaziologischen Grundlagen der Glazialmorphologie. Unter anderem werden Entstehung, Eigenschaften und Typisierung von Gletschern sowie der Massenhaushalt und die ihn steuernden Faktoren behandelt. Das dritte Kapitel widmet sich den glazialen Prozessen und Sedimenten (40 Seiten), bevor in Kapitel 4 die hieraus resultierenden Formen und Formengesellschaften beschrieben werden (109 Seiten). Die klare inhaltliche Trennung von Prozess und Form erweist sich hierbei als besonders sinnvoll.
Kritische Analyse
Ungewöhnlich für deutschsprachige Lehrbücher ist die konsequente Ausrichtung an der internationalen englischsprachigen Fachterminologie. Die Autoren begründen dies mit der Tatsache, dass in den vergangenen Jahrzehnten fast ausschließlich in englischer Sprache publiziert wird und sich mit dem wissenschaftlichen Fortschritt eine Terminologie herausgebildet hat, für die es zum Teil keine etablierten deutschen Übersetzungen gibt oder der die traditionelle deutsche Terminologie nicht mehr gerecht wird. Die Verwendung deutscher Fachbegriffe beschränkt sich daher auf die Fälle, in denen eine unmissverständliche Übersetzung möglich ist. Gleichwohl bemühen sich die Autoren, die im deutschen Sprachraum gebräuchlichen Begriffe aufzugreifen und den internationalen Fachausdrücken zuzuordnen. Neben einem präzisen und dem aktuellen Forschungsstand angepassten Sprachgebrauch erleichtert dieses Vorgehen dem deutschsprachigen Leser eine weiterführende Vertiefung in die internationale Fachliteratur. In diesem Zusammenhang positiv hervorzuheben ist die reiche Ausstattung aller Kapitel mit Literaturverweisen; das Literaturverzeichnis umfasst knapp 700 Quellen. Dank eines Stichwortverzeichnisses und zahlreicher Querverweise zwischen den Kapiteln lässt sich das Lehrbuch auch als Wörterbuch und umfangreiches Nachschlagewerk nutzen.
Teilweise lässt sich die Entscheidung zum Verzicht auf die etablierten deutschen Termini jedoch nicht nachvollziehen. So ersetzen die Autoren den Begriff der Detraktion durch „plucking“, da die Definition des Letzteren den aktuellen Erkenntnissen angepasst wurde (S. 73). Dies wirft die Frage auf, ob die Anpassung und Spezifizierung von Fachtermini ausschließlich englischen Begriffen vorbehalten werden sollte. Zudem wird dem Rezensenten nicht klar, inwiefern sich das hier zugrunde gelegte Prozessverständnis des „plucking“ von jenem der in den Lehrbüchern vertretenen Detraktion fundamental unterscheidet. Wenn sich die Autoren zum Ziel gesetzt haben, mit veralteten Begriffen, Konzepten und Prozessvorstellungen aufzuräumen, dann sollten die Gründe auch im Einzelfall erläutert werden. Nur hierdurch könnte der Leser deutschsprachige Literatur kritisch betrachten und die neuen Erkenntnisse und Ansichten entsprechend einordnen. Die Autoren weisen zwar durchaus immer wieder auf widersprüchliche Ansichten und uneinheitliche Verwendung von Fachtermini hin, in vielen Fällen bleibt der Leser aber doch etwas ratlos zurück. So etwa im Fall der „Glazialen Serie“, welcher die Autoren nur noch einen didaktischen und wissenschaftshistorischen Wert zumessen und stattdessen die „glazialen Landsystems“ als das überlegenere Konzept propagieren. Hier hätte das Buch wirklich Neues bringen können, doch leider werden die „glazialen Landsystems“ nicht mal ansatzweise erläutert noch werden die Kritikpunkte an der „Glazialen Serie“ dargelegt.
Mitunter ist die Vermeidung deutschsprachiger Fachausdrücke unnötig und wirkt etwas übertrieben. Sprachlich wenig elegant erscheint den Autoren immerhin die Verwendung von „till“ im Deutschen als Begriff für abgelagertes Moränenmaterial. Ein ähnliches Feingespür hätte sich der Leser wohl auch an so manch anderer Stelle gewünscht, etwa wenn Reibung durch Friktion ersetzt wird. Grundsätzlich handelt es sich hierbei aber letztlich um eine Frage des Stils und nach der Zukunft von Deutsch als Fachsprache, deren weitere Behandlung an dieser Stelle nicht der Sache dient. Es ist zu hoffen, dass die reiche Verwendung von Anglizismen den Studierenden die Scheu vor der englischsprachigenGeoLoge volume 2-2018 Literatur nimmt und sie nicht von der Glazialmorphologie abschreckt. Die beiden Autoren erweisen sich als ausgesprochene Kenner ihres Fachs. Sie verstehen es, die teils komplexen Mechanismen und Ursache-Wirkungsgefüge sowie die Prozess- und Formenkombinationen verständlich darzustellen. Im Einzelfall würde sich der Rezensent aber für die zweite Auflage ein paar Ergänzungen und didaktische Überarbeitungen wünschen. So wird die Entstehung der Sölle als Toteislöcher ohne Vorwissen kaum verständlich. Für weitere Verwirrung sorgt die Abbildung 4.86, in der verschiedene Entstehungsweisen von Söllen dargestellt sind, die jedoch ohne weitere textliche Erläuterung schwer nachvollziehbar bleiben.
Im Sinne einer allgemeinen Glazialgeomorphologie verzichten die Autoren auf eine gesonderte Darstellung der Vereisungsgeschichte und der glazialen Prägung Mitteleuropas, die für die deutschsprachige Leserschaft sicher von besonderem Interesse ist. Diesbezüglich steht jedoch im Gegensatz zu einer prozessorientierten geomorphologischen Betrachtung ausreichend Literatur zur Verfügung. Im Vergleich zu den zwangsweise stark gerafften und häufig auch vereinfachten Darstellungen der einführenden Lehrbücher zur allgemeinen Geomorphologie zeichnet sich die Glazialgeomorphologie von Baumhauer und Winkler durch eine dem aktuellen Forschungsstand angepasste detaillierte und differenzierte Betrachtung aus, welche die Vielzahl an Prozessen und Formen vollständig abdeckt. Wer sich intensiver mit der glazialen und glazifluvialen Formung auseinandersetzen möchte, wird an diesem Lehrbuch kaum vorbeikommen. Auch jenen, die sich einen Überblick über die quartären Klimaschwankungen und ihre Steuerfaktoren verschaffen wollen, sei die Lektüre des ersten Kapitels nahegelegt.

Dr. Till Kasielke, Geographisches Institut, Ruhr-Universität Bochum

GeoLoge volume 2-2018

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Vorwort 5
1 Die Kryosphäre in Raum und Zeit 9
1.1 Landeis und Meereis 9
1.2 Die Kryosphäre im Klimasystem 12
1.3 Änderungen der Kryosphäre 14
1.3.1 Die Kryosphäre in der früheren Erdgeschichte 14
1.3.2 Die Kryosphäre im Pleistozän 15
1.3.3 Die Kryosphäre im Holozän und historischer Zeit 27
1.3.4 Die Kryosphäre in Gegenwart und Zukunft 33
2 Glaziologische Grundlagen der Glazialgeomorphologie 37
2.1 Bildung und physikalische Eigenschaften von Gletschereis 37
2.2 Geophysikalische Gletschertypen 40
2.3 Gletscherbewegung und das Gletschertransportsystem 43
2.4 Schmelzwasser im Gletscher 58
2.5 Die Massenbilanz von Gletschern 63
2.6 Gletscherveränderungen und deren Steuerung 67
2.7 Morphologische Gletschertypen – ein kurzer Überblick 69
3 Glaziale Prozesse und Sedimente 73
3.1 Prozesse der glazialen Erosion 75
3.1.1 Abrasion 75
3.1.2 Plucking/quarrying 77
3.1.3 Erosion von Lockermaterial und Deformation 80
3.1.4 Glazitektonische Prozesse 82
3.1.5 Glazifluviale Erosion 83
3.1.6 Wirksamkeit glazialer und glazifluvialer Erosionsprozesse 84
3.2 Prozesse der glazialen Akkumulation 85
3.2.1 Grundzüge glazialer Akkumulation 85
3.2.2 Lodgement 86
3.2.3 Melt-out 89
3.2.4 Deformation, Glazitektonik und Sublimation 91
3.2.5 Dumping und Resedimentation 91
3.2.6 Glazifluviale Akkumulation 93
3.3 Glaziale Sedimente 94
3.3.1 Terminologie und Klassifikation glazialer Sedimente 94
3.3.2 Allgemeine Charakteristika glazialer Sedimente 97
3.3.3 Lodgement till 100
3.3.4 Subglazialer Melt-out till 102
3.3.5 Supraglazialer Melt-out till 103
3.3.6 Flow till 105
3.3.7 Andere Typen von Moränenmaterial 106
3.3.8 Glazifluviale Sedimente 108
3.3.9 Glazimarine und glazilimnische Sedimente 111
4 Glaziale Oberflächenformen und ­Formengesellschaften 113
4.1 Glazialerosive Mikro- und Mesoformen 113
4.1.1 Gletscherschrammen 113
4.1.2 Friktionsbrüche und verwandte Formen 116
4.1.3 Rundhöcker 119
4.1.4 Felsdrumlins 121
4.1.5 Whalebacks und andere Mesoformen 123
4.1.6 Glazifluviale Erosionsformen 124
4.2 Glazialerosive Makroformen 129
4.2.1 Kare und Karlinge 130
4.2.2 Glaziale Talformen 135
4.2.3 Glazifluviale Talformen 145
4.2.4 Glaziale Erosionslandschaften 148
4.3 Moränen 152
4.3.1 Supraglaziale Moränen 152
4.3.2 Randmoränen: Einführung 158
4.3.3 Push moraines 160
4.3.4 Thrust moraines 166
4.3.5 Lateralmoränen 169
4.3.6 Sonderformen 177
4.4 Subglaziale Akkumulationsformen 181
4.4.1 Drumlins und verwandte Formen 181
4.4.2 Fluted moraines 185
4.4.3 Grundmoräne 187
4.4.4 Glazitektonische Formen 188
4.5 Glazifluviale und glazimarine Akkumulationsformen 190
4.5.1 Oser 190
4.5.2 Kames und Kameterrassen 194
4.5.3 Sander 198
4.5.4 Eiskontaktdeltas und De-Geer Moränen 203
4.6 Typische glaziale Formengesellschaften 209
4.6.1 Die „glaziale Serie“ und verwandte Konzepte 209
4.6.2 Eiszerfalls- und Niedertaulandschaften 212
4.6.3 Holozäne Gletschervorfelder und das paraglaziale Prozess-System 216
Literaturverzeichnis 223
Stichwortverzeichnis 259