Das tief in das Rheinische Schiefergebirge eingeschnittene Rheintal
zwischen Bingen und Bonn bietet mit zahlreichen, oft weit
durchhaltenden Aufschlüssen ein besonders instruktives geologisches
Querprofil durch das variscische Gebirge. Der aktuelle
Exkursionsführer erschließt dieses bislang nur ausschnittweise und
meist in wenig verbreiteten Tagungsbänden behandelte Gebiet erstmals
im Zusammenhang. Über die durch den Titel geweckten Erwartungen hinaus
deckt das auf langjähriger Erfahrung der Autoren aufgebaute Buch nicht
nur das Rheintal und die engeren Mündungsbereiche der Nebenflüsse
ab. In einigen Nebentälern (z.B. Ahr, Saynbach, Wisper) wurden auch
Aufschlüsse berücksichtigt, die bis zu 20 km vom Rhein entfernt
sind. Durch Routenbeschreibungen entlang der Hauptfernstraßen westlich
und östlich des Mittelrheintales wird dieser Führer auch für
Durchreisende interessant.
Nach kurzen geographischen und geologischen Überblicken umreißen die
Autoren die seit über 200 Jahren andauernde Erforschungsgeschichte des
Exkursionsgebietes. Mehr als die Hälfte dieses Führers entfällt auf
eine Darstellung der geologischen Entwicklung dieses Bereiches, die in
dieser Vollständigkeit bisher fehlte. Für den vanscischen Sockel gehen
die Autoren auf Stratigraphie, Fazies, Paläogeographie, Magmatismus,
Eßlagerstätten, Deformation und Metamorphose ein. Bei der
postvariscischen Entwicklung werden nach der
jungmesozoisch-alttertiären Verwitterung die tertiären Sedimente, der
tertiäre und quartäre Vulkanismus im Siebengebirge und am Laacher See
sowie die quartären Rheinterrassen berücksichtigt. Ein spezielles
Kapitel ist den auch wirtschaftlich bedeutenden Mineralquellen
gewidmet.
Der regionale Teil enthält als Schwerpunkt Erläuterungen für eine
Schiffs-, Bahn- oder Busreise von Bonn nach Bingen. Empfohlen wird
besonders die Schiffsreise, da bei dieser Art der Fortbewegungen beide
Rheinseiten gleich gut betrachtet werden können. Im Text sind jeweils
die Beschreibungen für die rechte und linke Rheinseite auf
gegenüberliegenden Seiten wiedergegeben. Dies ermöglicht eine einfache
Erkennung der angesprochenen Objekte während der Fahrt. Blockbilder
vermitteln in eindrucksvoller Weise einen sehr plastischen Eindruck
von Relief und Struktur des jeweiligen Exkursionsabschnittes. Die
vorgenannten Beschreibungen werden ergänzt durch Erläuterungen zur
Fahrt auf den rechts- und linksrheinischen Autobahnen A3 und A61. Eine
Anlage mit einer geologischen Karte und einem vollständigen
geologischen Profil entlang des Mittelrheintales ermöglicht parallel
zum Text jederzeit einen orientierenden Überblick und eine
Positionierung entlang der Traverse. Das Profil ist eine
Überarbeitung von älteren Profilen der Autoren, bei der neuere
Interpretationen nach modernen Konstruktionstechniken Eingang gefunden
haben. Bei deren Verwendung waren die Autoren jedoch sehr
zurückhaltend, da etliche der für diese Methoden geforderten
lithologischen, faziellen und petrologischen Voraussetzungen im
Rheinischen Schiefergebirge nicht gegeben sind bzw. keine
ausreichenden Informationen darüber vorliegen.
Die Einzelaufschlüsse werden in stratigraphischer Reihenfolge vom
Sockel bis zum jüngsten Vulkanismus beschrieben. Weitere Abschnitte
sind Aufschlüssen gewidmet, die die variscische, tertiäre und quartäre
Tektonik, die Entstehung der Terrassenlandschaft, die Lagerstätten und
die Mineralquellen zeigen. Die Beschreibung der Aufschlüsse entspricht
dem aktuellen Zustand und umfaßt alle wichtigen Informationen wie Lage
nach Gitterkoordinaten, Zugang, Beobachtungsmöglichkeiten und
ggfs. Fossillisten, Analysedaten sowie Literaturverweise. Eine Auswahl
von Aufschlüssen nach regionalen Kriterien wird durch Übersichtskarten
in den Umschlaginnenseiten ermöglicht. Da die Aufschlußnumerierung
entsprechend der Lage von N nach S vorgenommen wurde und nur auf einer
topographischen Grundlage dargestellt wurde, ist die Zuordnung der
Aufschlüsse zum stratigraphischen Teil oft problematisch. Hier wären
im numerischen Verzeichnis der Aufschlüsse im Anhang Hinweise auf die
stratigraphische Stellung und die Seitenzahlen, wo die Aufschlüsse
beschrieben werden, hilfreich.
Sehr anregend ist eine Liste von Museen mit geologischen,
paläontologischen oder mineralogischen Abteilungen innerhalb des vom
Führer abgedeckten Gebietes. Dazu geboren einerseits Ausstellungen zu
den Vulkaniten des Laacher Sees und des Siebengebirges oder den
Erzmineralisationen und Lagerstätten des Mittelrheingebietes,
andererseits Präsentationen zu wichtigen Fossillagerstätten wie dem
unterdevonischen Hunsrückschiefer oder den tertiären Fischschiefern
von Rott. Dazu kommen Möglichkeiten zum Studium früherer Basaltabbaue
oder der Dachschiefergewinnung.
Abgeschlossen wird der Führer durch ein aktuelles und mit fast 500
Zitaten sehr umfangreiches Schriftenverzeichnis sowie ein hilfreiches
Orts- und Sachregister. Gegenüber der großen Leistung und dem Nutzen
des Führers sind Mängel kaum erwähnenswert. Die Autoren haben die
gravierendsten Ansatzpunkte für Kritik, wie die Art der
Profilkonstruktion und eine z.T. uneinheitliche Handhabung
stratigraphischer Begriffe, selbst erkannt und ihr Vorgehen im Vorwort
angemessen begründet. Anregungen für eine Neuauflage könnten trotz
des bereits großen Umfanges des Buches die Hinzunahme einer größeren
Zahl von Aufschlußzeichnungen sowie eines Kapitels über die
Beziehungen zwischen geo logischem Substrat und Weinbau sein. Wer
bereits eine Exkursion in das Mittelrheingebiet plant, dem wird dieser
Führer eine unersetzliche Hilfe sein. Anderen mag dieses Buch als
Anregung für ein bislang wenig besuchtes, aber dennoch lohnendes
Exkursionsziel sein.
Manfred Brix, Bochum
Berichte zur deutschen Landeskunde, Bd.74, H.1, 2000