Das Nördlinger Ries, das von seiner geographischen Lage her zwischen
Schwäbischer und Fränkischer Alb vermittelt, entstand vor 15
Mio. Jahren im Mittelmiozän durch den Einschlag eines Riesenmeteoriten
bzw. Asteroiden. Der nahezu kreisrunde Rieskrater besitzt einen
Durchmesser von etwa 23 km. Die Entstehung des Nördlinger Rieses war
lange Zeit umstritten; doch sprach sich die Mehrzahl der Ries-Geologen
zunächst für eine vulkanische Entstehung aus. Ein Paradigmenwechsel
zugunsten der sogenannten "Impakt-Theorie" erfolgte erst im Jahre 1961
mit der Entdeckung der Quarz-Hochdruckmodifikationen Coesit und
Stishovit und deren Deutung als Ergebnis einer Stoßwellenmetamorphose.
In der seit Jahrzehnten bewährten Reihe "Sammlung Geologischer Führer"
ist jetzt der Band 92 mit dem Titel "Das Ries und sein Vorland"
erschienen. Die drei inzwischen pensionierten Autoren J. Th. GROISS,
H. HAUNSCHILD & A. ZEISS fassen darin das aus ihrer mit dem Ries
verbundenen Forschungstätigkeit erwachsene Fachwissen zusammen. Sie
betonen im Vorwort, dass es ihnen ein besonderes Anliegen war,
besonders auch die neuere Literatur zu berücksichtigen, nicht zuletzt
deshalb, um dem fachkundigen Leser die Möglichkeit zu weiterem
vertiefenden Literaturstudium zu erleichtern.
In den ersten drei Hauptkapiteln wird der geographische und
geologische Rahmen abgesteckt. Auf die Einleitung (Kap. I) folgt ein
"Paläogeographie" (Kap. II) überschriebener Teil, der in die
paläogeographische Entwicklung des süddeutschen Raumes und
insbesondere des Ries-Bereiches seit Ende der Ariszischen
Gebirgsbildung einführt. Mit 110 Seiten recht umfangreich ist
Kap. III, das die Stratigraphie des Rieses und seines Vorlandes im
Zeitraum Perm bis Tertiär detailreich und Schichtabschnitt für
Schichtabschnitt vorstellt. Den größten Raum nehmen dabei die
Schichtentwicklungen von Trias und Jura ein. Da das behandelte
Gesamtprofil im näheren Umfeld des Rieses nicht allein durch
Tagesaufschlüsse dokumentiert werden kann, wurden Bohraufschlüsse in
größerem Umfang mitberücksichtigt. Auch wenn das Kapitel mit
"Stratigraphie" überschrieben ist, so wünscht sich der interessierte
Nutzer des Buches doch, insbesondere was den Teil "Trias" betrifft,
wenigstens ein paar knappe Hinweise auf das Ablagerungsmilieu der
jeweils behandelten Schichteinheiten. Hier liegt für den süddeutschen
Raum inzwischen ehe Schrifttum vors worin für bestimmte
stratigraphische Einheiten recht gute Vorstellungen zu den
Bildungsbedingungen entwickelt wurden, das im vorliegenden Band leider
nur unzureichend oder gar nicht berücksichtigt worden ist.
Kap. IV widmet sich auf über 40 Seiten der Entstehung des Rieses und
den für das Ries charakteristischen Gesteinen. Zunächst wird ein
historischer Abriß gegeben, in dem Deutungsversuche seit dem
18. Jahrhundert vorgestellt werden. Nach eingehenderer Behandlung der
"vulkanischen Deutungshypothesen" wird die Impakt-Theorie näher
erläutert. Durch das Impakt-Geschehen selbst. dem 1) eine Auftreff-
und Kompressionsphase und 2) eine Auswurfphase zugeordnet wird, kam es
zur Bildung charakteristischer Gesteinsgruppen. Die Autoren
unterscheiden die eigentlichen Impakt-Gesteine", an denen durch die
Stoßwellenmetamorphose verursachte Gesteins- und Mineralumwandlungen
zu beobachten sind, von den Auswurfgesteinen, zu denen Bunte Breccien.
Kristallin-Breccien, Allochthone Schollen und der Suevit zählen. Im
Anschluß daran wird das "postriesische Tertiär" behandelt. Breiter
Raum wird dabei den "Ablagerungen des Ries-Sees" eingeräumt,
insbesondere der Genese der Süßwasserkalke. Es schließen sich
Ausführungen über das Quartär mit seinen Ablagerungen im Ries und ein
Abriß der "Landschaftsentwicklung im Pleistozän" an.
Als geologischer Führer enthält der Band natürlich einen ausführlichen
Exkursionsteil, der 50 Seiten umfaßt. Die vorgeschlagenen Exkursionen
widmen sich 6 verschiedenen Regionen. In das "Mittelfränkische
Keuperbecken und das Nördliche Riesvorland" (A) führen 3 Exkursionen,
in den "Weißen Jura des östlichen Riesgebietes`. (B), in das
"westliche Ries" (C), zum "nördlichen Riesrand" (D), zum "südlichen
Riesrand" (E) und zum "östlichen Riesrand" (F) je eine Exkursion. An
das Literaturverzeichnis schließt sich ein Register-Teil, bestehend
aus Sach-, Orts- und Fossilregister, an.
Den Band "Das Ries und sein Vorland`' sollte jeder an geologischen
Fragen interessierte Besucher des Rieses im Gepäck haben. denn es wird
ihm damit die innerhalb Mitteleuropas eindrucksvonsie Impakt-Struktur
fachkundig nahegebracht. Doch auch in die Erdgeschichte der näheren
Umgebung des Nördlinger Rieses bekommt er eine detaillierte
Einführung. Auch Studenten und Dozenten der Geowissenschaften finden
zahlreiche Anregungen und Informationen zur Vorbereitung von
Exkursionen in dieses geologisch äußerst interessante Gebiet. Es soll
an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass etwa zeitgleich mit der
hier besprochenen Publikation ein weiteres "Ries-Buch" auf den Markt
gekommen ist. So erschien bereits 1999 im Verlag Dr. Friedrich Pfeil.
München, in der Reihe "Wanderungen m die Erdgeschichte als Band 10
"Meteoritenkrater Nördlinger Ries" von R. HÜTTNER & H. SCHMIDT-KALER.
N. Hauschke, Halle (Saale)
Der Aufschluss 5/6, Sept.-Dez.2002, S. 372