Die Kanarischen Inseln liegen im Atlantik in einer geographischen
Region mit der Bezeichnung Makaronesien. Dazu zählen auch die
Kapverden, die Azoren, das Madeira-Archipel und die Ilhas
Selvagens. Die Kanaren gehören geographisch zu Afrika, politisch zu
Spanien. Sie bestehen aus den sieben Hauptinseln Lanzarote,
Fuerteventura, Gran Canaria, Teneriffa, La Gomera, La Palma und El
Hierro, den sechs Nebeninseln Alegranza, Graciosa, Montaña Clara,
Lobos, Roque del Este und Roque del Oeste und den noch kleineren und
unbewohnten Felsinseln Anaga, Salmór und Garachico. Der höchste Berg
auf den Kanaren ist der auf Teneriffa liegende Vulkan Pico del Teide
mit 3.718 m Höhe. Die östlichst gelegene Insel Teneriffa findet sich
etwas mehr als 100 km vom benachbarten afrikanischen Kontinent
entfernt im Atlantik westlich von Marokko. Die überwiegend aus
vulkanischen Ablagerungen aufgebauten Inseln sind das Ergebnis
endogener und exogener Vorgänge. Im Norden und Westen der Inseln
entstanden Steilküsten – überwiegend durch marine Erosion, im Osten
und Süden Flachküsten. Das Innere der Inseln bestimmen Vulkanismus und
Erosion durch Fließgewässer. Ihre einzigartige, großteils endemische
Flora und Fauna machten die Inseln schon im 18. Jahrhundert
weltberühmt.
Ganzjährig zum Ziel des Massentourismus geworden, vernichtete man
besonders auf Gran Canaria in großem Maßstab Naturräume durch
Baumaßnahmen. Auf sämtlichen Hauptinseln entstanden Flugplätze für die
Millionen von sonnenhungrigen Touristen, die jährlich auf den Inseln
„einfallen“. Die kleineren Inseln sind per Schiff bzw. Fischerboot von
Gran Canaria und Teneriffa aus zu erreichen. Schützenswerte
Naturlandschaften wies man inzwischen (glücklicherweise) als
Biosphärenreservate und Nationalparks aus.
Die natur- und geowissenschaftliche Erforschung der Inselgruppe lässt
sich bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen. 1986 entstand die erste
Auflage des geologischen Führers von PETER ROTHE. Im dazugehörigen
Vorwort bemängelte er, dass die Inseln geologisch noch nicht
ausreichend untersucht seien. 10 Jahre später gab es so viele neue
Erkenntnisse, dass eine Aktualisierung des Führers (1996) notwendig
wurde. Und nochmals 12 Jahre später war eine neuerliche Überarbeitung
fällig. Heute sind die Kanaren neben Hawaii die am besten untersuchte,
vulkanisch gebildete Inselgruppe im Meer. Die Zahl wichtiger
Forschungsarbeiten übersteigt inzwischen das publikationsfähige
Volumen eines geologischen Führers im Taschenbuchformat bei weitem,
sodass PETER ROTHE gezwungen war, eine gewisse Auswahl zu treffen.
Das vorliegende Werk beginnt mit den jeweiligen Vorworten der drei
Auflagen. Danach folgen: geographischer Überblick (einschließlich
Flora und Fauna), Entdeckungsgeschichte und frühe Besiedlung, Geologie
und Petrographie. Die geologische Beschreibung der Kanaren und die
Exkursionsvorschläge erfolgen, nach Inseln getrennt, beginnend mit
Lanzarote und den Isletas, gefolgt von Fuerteventura, Gran Canaria,
Tenerife (Teneriffa), Gomera, La Palma und Hierro. Den Schluss des
Führers bilden Literaturverzeichnis, Sachregister und
Ortsregister. Das Kapitel Exkursionen, das Literaturverzeichnis und
die Register setzte man im Kleindruck. Dadurch gewann P. ROTHE mehr
Platz für seine Exkursionsvorschläge.
Die geologischen Beschreibungen der einzelnen Inseln liefern kein
klares Bild einer gemeinsamen Entstehungs- und
Entwicklungsgeschichte. ROTHE, der schon mehrere Jahrzehnte auf und
über die Kanaren forscht, diskutiert Insel für Insel die von ihm und
von namhaften Geowissenschaftlern veröffentlichten
Entstehungstheorien. Neue bzw. neu berechnete physikalische
Altersbestimmungen und neue geophysikalische Untersuchungen stellen
manchen sicher geglaubten Erklärungsversuch wieder in
Frage. Tiefbohrungen in Fuerteventura förderten prävulkanische,
mesozoische Sedimente und Sedimentgesteine zutage, die in der Tiefsee
gebildet und durch tektonische Kräfte mehrere Kilometer gehoben
wurden. Darüber folgen vulkanische Serien, denen punktuell miozäne,
pleistozäne und rezente Sedimente und Sedimentgesteine – oft biogenen
Ursprungs – eingeschaltet sind. Der teils explosive, teils effusive
alkaline Vulkanismus lieferte primitive, aber auch hochdifferenzierte
Magmen.
Der Vulkanismus setzte vor ca. 20 Millionen Jahren ein und prägt bis
heute die subaërische Morphologie der Inseln. Bis auf Fuerteventura
und Lanzarote, die man beide als eine Einheit betrachten kann, machten
alle Inseln eine individuelle geologische Entwicklung durch. Auf eine
Vorstellung aller diskutierten Theorien und individuellen
Entwicklungsgeschichten wird hier aus Platzgründen verzichtet.
Der Exkursionsteil hält für jede Insel mehrere Exkursionspunkte
bereit. Alle Punkte sind gut beschrieben. Genaue Anweisungen, wie man
zum jeweiligen Punkt kommt, zumeist farbige Geländefotos (sehr gute
Neuerung gegenüber den alten Auflagen!) und ausführliche
Beschreibungen laden den Naturfreund und Wanderer, aber auch den
Geologen, teils zu Fuß, teils mit dem Auto, zum „Abenteuer-Urlaub“
ein. Eine beliebte „Sehenswürdigkeit“ sind die Montañas del Fuego,
eine erst 1730 bis 1736 entstandene Vulkankette im
Timanfaya-Nationalpark. Der strenge Naturschutz bewirkt hier, dass
selbst Fachleute nicht mehr zum Fotografieren von Lavaströmen aus dem
Reisebus aussteigen dürfen!
Für wissenshungrige Urlauber gibt es inzwischen eine Reihe von
Informationszentren. Dort erfahren sie u. a. auch, dass auf den
Kanaren jederzeit wieder Vulkane ausbrechen können. Wer mehr über die
Ökosysteme auf den Kanaren, insbesondere über ihre Flora und Fauna
erfahren will, ist mit dem hier leider nicht zitierten Buch von POTT
et al. (2003) gut beraten.
Der vorliegende geologische Führer eignet sich besonders für
Geowissenschaftler, Studenten der Geologie, Geophysik, Geographie,
Mineralogie und Paläontologie und für geowissenschaftlich
interessierte Laien. Fachunkundige Wanderer und Urlauber werden zwar
nicht alle Einzelheiten der Geologie verstehen. Doch sind die
verhältnismäßig umfangreichen, einführenden Kapitel und die vielen
Exkursionspunkte eine wertvolle Hilfe für eine individuelle
Erforschung der Inseln abseits der Touristenhochburgen.
A.SCHMITT-RIEGRAF
Zentralblatt Geo. Pal. T. II Jg. 2009 H. 1-2