Seit nunmehr über 100 Jahren (!) gibt der Borntraeger-Verlag die
Taschenbuchreihe „Sammlung Geologischer Führer“ heraus. Sie richtet
sich sowohl an Fachwissenschaftler und Studenten, die sich auf
Exkursionen näher mit einer Region beschäftigen möchten, als auch an
den geologisch und/oder paläontologisch interessierten Amateur. Um
beiden Anforderungen gleichermaßen zu entsprechen, ist das angelegte
Niveau, was notwendige Vorkenntnisse und Fachvokabular angeht, recht
hoch angesetzt, freilich je nach Autor etwas schwankend. Mittlerweile
sind bereits 98 Bände erschienen, einige davon sogar schon in
mehrfacher Auflage. Die beiden jüngsten Erscheinungen sind
überarbeitete Neuauflagen der beiden Führer über das Gebiet des Hegau
sowie der Kanarischen Inseln.
Das Gebiet des Hegau, im äußersten Südwesten Deutschlands gelegen, ist
geologisch ausgesprochen vielseitig. Vom Unterbau aus Jura-Gesteinen
über alttertiäre Verwitterungsbildungen, die vielfältigen Ablagerungen
der Molasse (u.a. mit den berühmten miozänen Maarsee-Ablagerungen von
Öhningen) und verschiedene vulkanische Bildungen reicht das Spektrum
bis in das Quartär mit eiszeitlichen Schottern und glazigenem
Formenschatz. Der Autor hat sich als kartierender Geologe intensiv mit
dieser Landschaft und dessen Geologie befasst und schlägt 11
Exkursionsrouten mit verschiedenen Schwerpunkten (z.B. Molasse,
Vulkanismus, Jura) vor. In der nunmehr 3. Auflage dieses geologischen
Führers wurden seit der aus dem Jahr 1982 stammenden 2. Auflage einige
Daten aktualisiert. So wurden z.B. für den Jura die offiziellen
Formationsnamen teilweise, wenn auch nicht vollständig
übernommen. Einiges an neuerer Fachliteratur ist zwar in das
Literaturverzeichnis eingeflossen, freilich ohne dass die darin
enthaltenen neuen Forschungsergebnisse für den Inhalt dann auch immer
umgesetzt worden wären. Einige Fossilnamen sind veraltet oder falsch
geschrieben. Erfreulich sind hingegen Hinweise auf bestehende
Naturschutzgebiete mit Sammelbeschränkungen oder die Angabe von
aktuellen Kontaktadressen zum Betreten von noch im Abbau befindlichen
Steinbrüchen. Leider beschränkt sich auch in dieser 3. Auflage die
Beschreibung der Aufschlüsse auf eine rein geologische Darstellung,
die zudem äußerst knapp bemessen ist, was den Nutzen dieses Führers
für eine breitere Leserschaft und auch für den Fossiliensammler doch
erheblich einschränkt. Als Verzeichnis anschaulicher Aufschlüsse ist
dieser Führer allerdings brauchbar.
Die zwar gegenüber diesem Hegau-Führer um die Hälfte teurere, dafür
aber auch mehr als dreimal so umfangreiche, neu bearbeitete 3. Auflage
von Peter Rothes Führer über die Kanarischen Inseln besticht nicht nur
durch eine gelungene Umsetzung von aktuellen Forschungsergebnissen,
sondern auch eine umfassende, sowohl für den interessierten Laien als
auch für den Fachmann lesenswerte Darstellung des geologischen
Werdegangs dieser Inselgruppe. Zwar stehen die flächenmäßig bei weitem
dominierenden vulkanischen Bildungen naturgemäß im Vordergrund, doch
wird speziell auch den Sedimentgesteinen der Inseln Aufmerksamkeit
gewidmet. Wissenschaftlich besonders interessant sind die auf
Fuerteventura nachgewiesenen mesozoischen Flyschgesteine des
prävulkanischen Untergrunds, die teilweise erst in jüngster Zeit mit
Fossilen, darunter kreidezeitliche Ammoniten und Foraminiferen,
datiert werden konnten. Für den Fossiliensammler ergiebiger sind
weiter verbreitete tertiäre und quartäre karbonatische Flachwasser-
oder Strandsedimente mit Muscheln, Gastropoden, Seeigeln und Korallen,
vor allem auf Lanzarote, Fuerteventura und Gran Canaria. Festländische
Ablagerungen enthalten dagegen vor allem Landschnecken, zuweilen auch
aber auch Vogel- und Landschildkröteneier. Eine vom Autor vor
Jahrzehnten entdeckte Fundstelle von Straußeneiern auf Lanzarote wurde
mittlerweile unter Schutz gestellt; auch sonst sind Teile der Inseln
inzwischen als Nationalparks ausgewiesen, in denen leider
z.T. erhebliche Restriktionen selbst des Betretens
herrschen. Pflanzenfossilen als wichtige Zeugen für die Entwicklung
der heute nur noch in Relikten vorhandenen Lorbeerwaldvegetation der
Kanaren findet man am ehesten in pliozänen Ablagerungen von Gran
Canaria. Hinweise auf zwischen Vulkaniten eingelagerte Sedimente
verdienen hier eventuell eine verstärkte Aufmerksamkeit. Ein Blick in
das überaus umfangreiche Literaturverzeichnis liefert dem speziell
Interessierten weitere Daten über Fossilfunde. Kulturgeschichtliche,
rezentbotanische und zoologische sowie klimatische Detailinformationen
einschließlich der Besiedelungs- und Erforschungsgeschichte und
touristische Insidertipps kommen ebenfalls nicht zu kurz. Gegenüber
der 2. Auflage ist nun sogar noch eine ganze Anzahl an hochwertigen,
farbigen Geländebildern enthalten, die diesen Führer zusätzlich
attraktiv und für einen geologisch interessierten Besucher der
Kanarischen Inseln eigentlich unentbehrlich machen.
Günter Schweigert
Fossilien Heft 2/2009 S. 102