Über Jahrzehnte war der alte geologische Führer in 1. Auflage von
Matthes & Okrusch (1965) über den Spessart vergriffen. Wer eine
Exkursion in das seit Jahrhunderten für seine charakteristischen
Gesteine und Minerale bekannte Mittelgebirge machen wollte, musste
erst einmal viel Zeit in die Planung investieren, um folgende Fragen
zu beantworten: Welche altbekannten Steinbrüche, Aufschlüsse und
Zeugen alten Bergbaus sind noch zugänglich? Welche neuen Aufschlüsse
gibt es? Welche Genehmigungen zum Betreten sind notwendig? oder Wo
findet man welche interessanten Minerale, Gesteine und Fossilien?
Mit dem Erscheinen des umfassenden, aber ziemlich schwergewichtigen,
großformatigen Buches Spessartsteine schloss der Spessart-Spezialist
Joachim Lorenz eine große Lücke (Lorenz 2010), doch enthält dieses
extrem preiswerte, sehr gut ausgestattete und fachlich gelungene Werk
weder Exkursionsrouten noch eignet es sich zur Mitnahme ins Gelände.
Martin Okrusch, Gerd Geyer und der bereits genannte Joachim Lorenz
erstellten in Zusammenarbeit mit Jürgen Jung in sechsjähriger Arbeit
den nun vorliegenden geologischen Führer durch den Spessart und das
angrenzende Spessartvorland mit folgendem Aufbau: Impressum, Inhalt,
Vorwort, 1. Geographischer Überblick; 2. Geologie und Gesteinsaufbau
des Spessarts: Das kristalline Grundgebirge im Vorspessart,
Postvariscischer Magmatismus, Das Deckgebirge, Hydrothermale
Aktivität; 3. Gewinnung von Erzen, Steinen und Erden im Spessart: Erz-
und Mineral-Lagerstätten, Festgesteine, Lockergesteine, Brennbare
organi sche Gesteine (Kaustobiolithe), Wasser, Mineralwasser, Sole,
Salz; 4. Aufschlüsse: Aufschlüsse im kristallinen Grundgebirge,
Aufschlüsse in permischen Vulkaniten, Aufschlüsse in tertiären
Vulkaniten, Aufschlüsse im Deckgebirge; 5. Dingliche Relikte von altem
Bergbau und historischer Technik: Erzbergbau, Schwerspat-Bergbau,
Braunkohlen-Bergbau und Torf-Abbau, Glasherstellung, Mineralquellen;
6. Exkursionsvorschläge: Übersichtsexkursionen mit PKW oder Bus,
Fußexkursionen. Literatur, Sachwortverzeichnis und Ortsverzeichnis.
Die zweite Auflage zeigt im Vergleich deutliche Unterschiede zur
ersten. Einen großen Teil der geologischen Blätter kartierte man seit
1965 offiziell neu. Die Verfeinerung der mineralogischen,
petrologischen, geochemischen, geochronologischen,
strukturgeologischen und geophysikalischen Untersuchungsmethoden
führte vor allem zu neuen Erkenntnissen bei der Deutung des
kristallinen Grundgebirges im Vorspessart. Das seit Jahrzehnten
weltweit anerkannte Modell der Plattentektonik veränderte das globale
Weltbild und damit auch die Vorstellungen über die geotektonische
Entwicklung des Spessarts und Vorspessarts. Die Interpretation des
Deckgebirges passte man dem neuen Verständnis der sedimentbildenden
Prozesse und der aktuellen stratigraphischen Gliederung an. Viele
ältere Aufschlüsse sind inzwischen verschwunden; neue gibt es aufgrund
von Rekultivierungsmaßnahmen kaum noch, so dass sich die
Aufschlussverhältnisse insgesamt erheblich verschlechterten. Trotzdem
sind im aktuellen Buch 294 Aufschlüsse gegenüber 131 Aufschlüssen der
Erstauflage beschrieben.
Neben der umfangreichen fachlichen Überarbeitung wurden die
Aufschlussangaben – mit Angabe der Gauss-Krüger-Koordinaten (leider
ohne moderne GISDaten) – um „nicht-geowissenschaftliche“ Informationen
wie historische Bauten, Museen, Aussichtspunkte und andere
Sehenswürdigkeiten ergänzt sowie das Layout gegenüber der ersten
Auflage komplett verändert und an die modernen Bände der Sammlung
geologischer Führer angepasst. Der Führer zeigt nun ein größeres
Format, einen flexiblen, orangefarbenen und wasserabweisenden Einband,
viele farbige Abbildungen und eine herausnehmbare farbige Falttafel.
Auf dieser finden sich: 1. eine geologische Übersichtskarte des
Spessarts mit eingetragenen Exkursionspunkten und 2. eine Karte des
kristallinen Grundgebirges im Vorspessart mit eingetragenen
Exkursionspunkten im „Metamorphikum“ und der Lage der im Buch
abgebildeten Profile.
Sieht man sich das Inhaltsverzeichnis an, so entsteht zuerst der
Eindruck, der Führer enthielte wenig Interessantes für Paläontologen
und Fossilienfreunde. Doch weit gefehlt: Das Deckgebirge des
Spessarts und Vorspessarts enthält in seinen permischen, triadischen,
tertiären und quartären Sedimentgesteinen und Sedimenten eine Reihe
verschiedener Spurenfossilien und Fossilien. Die meist nicht sehr
zahlreichen Fossilfunde werden im Kapitel Geologie und Gesteinsaufbau
des Spessarts und im Kapitel Aufschlüsse vorgestellt, z. T. sogar
abgebildet (Abb. 79: Wedelrest von Voltzia hexagona, Abb. 89:
Wurzelabdrücke von Koniferen; Abb. 87: Fußabdrücke von
Chirotherium, Abb. 95: Wedel von Anomopteris sp.,
Abb. 96: Beneckeia buchi; Abb. 97: Balanoglossites
triadicus und Trypanites).
Stratigraphische Profile in beiden Kapiteln ergänzen die ausführlichen
Informationen – leider ohne Eintragung der fossilführenden Horizonte.
Fossiliensammler werden unter den 294 Exkursionspunkten vor allem den
paläontologisch interessanten Stegocephalen- und Hölzer-führenden
Buntsandstein- Aufschluss an der neuen Mainbrücke bei Marktheidenfeld
vermissen.
Obwohl die beigefügte Falttafel auf den ersten Blick recht ansprechend
aussieht, sollte man doch drei Dinge ansprechen: 1) Die Farben
entsprechen nicht den üblichen in amtlichen geologischen Karten. Das
für kretazische Ablagerungen typische Grün verwandte man für tertiäre
Vulkanite. 2) Die Gesteine des Muschelkalks (m) sind in der Legende
von Karte 1 in Hellblau gehalten, in der Karte aber – wie normal
üblich – violett abgedruckt. In Karte 2 ist der
Quarzdiorit-Granodiorit-Komplex mit GD und in der zugehörigen Legende
mit QD bezeichnet. 3) Die braunen Farbnuancen in beiden Karten –
stellvertretend für die verschiedenen Buntsandstein-Horizonte – sind
aufgrund der reliefabhängigen Braunschattierung kaum zu unterscheiden.
Dieser seit langem erwartete geologische Führer überzeugt durch seine
Fülle an aktuellen Informationen über die regionale Geologie, die
aktuellen Aufschlussverhältnisse, den historischen Bergbau, die
Gewinnung von Erzen, Steinen und Erden sowie Wasser, Mineralwasser,
Sole, Salz und brennbaren organische Ablagerungen, durch das neue
Layout und den günstigen Verkaufspreis (Förderung der Drucklegung
durch die Unterfränkische Kulturstiftung und die Stiftung Sparkasse
Mainfranken). Die gelungenen Exkursionsvorschläge für Autofahrer und
Wanderer fordern den Leser geradezu dazu auf, sich den Spessart als
nächstes Urlaubs- bzw. Exkursionsziel vorzumerken.
Der vorliegende geologische Führer ist der ideale Ratgeber und
Begleiter fürs Gelände. Er ist jedem Studenten der Geologie und
Mineralogie, jedem Geowissenschaftler, Mineralien- und
Gesteinssammler, Fossiliensammler aber auch jedem Touristen sehr zu
empfehlen, der sich für die regionale Geologie und Mineralogie
bzw. den alten Bergbau oder die Gewinnung der verschiedensten
Rohstoffe im Spessart und Vorspessart interessiert.
Cornelia Schmitt-Riegraf, Münster i. Westf.
Zentralblatt für Geologie und Paläontologie Teil II Jg. 2012 Heft 5/6