Die Eigenheit der Flora schwermetallhaltiger Standorte hat schon früh
die Botaniker verschiedener Fachrichtungen interessiert. Aufgrund
ihrer disjunkten Verbreitung sind die
Schwermetallpflanzengesellschaften auch heute noch ein interessantes
Forschungsfeld, da sie in besonderer Weise das Studium von
Sippenbildungsprozessen in evolutionär sehr kurzen und überschaubaren
Zeiträumen erlauben. In der Vergangenheit wurden eine Vielzahl
eigener Schwermetallsippen beschrieben, deren taxonomische Rangstufe
umstritten ist. In der vorliegenden Studie wird die genetische
Differenzierung mitteleuropäischere Populationen von drei ausgewählten
Arten (siehe Titel) anhand molekularer Methoden untersucht
(AFLP-Analyse, ITS-Sequenzierung). Den Schwerpunkt der Untersuchungen
stellen die Fragen zur genetischen Struktur und der genetischen
Variabilität der Sippen auf Schwermetallstandorten im Vergleich zu
Populationen auf Normalstandorten dar, sowie die daraus abzuleitenden
Rückschlüsse zu Evolution und Arealentwicklung der Sippen. Auch
Naturschutzaspekte hinsichtlich möglicher Schutzmaßnahmen werden
berücksichtigt. Für den Floristen von besonderem Interesse sind die
Einschätzungen zum taxonomischen Status der drei Arten. Die Befunde
zum Status haben auch Konsequenzen für die Fassung der
Pflanzengesellschaften innerhalb der Klasse der Schwermetallrasen
(Violetea calaminariae).
Die einleitenden Kapitel behandeln die Typen der Schwermetallstandorte
und die montanhistorischen und geologischen Aspekte der einzelnen
Untersuchungsgebiete. Die zusammenfassenden Ergebnisse der im
Hauptteil der Arbeit ausführlich behandelten drei Arten seien hier
kurz dargestellt:
Die Schwermetallpopulationen von Silene vulgaris gehen in den
verschiedenen Regionen offenbar auf wiederholte
Kolonialisierungsereignisse der metallhaltigen Standorte durch
tolerante Individuen aus benachbarten Populationen von
Normalstandorten zurück. Eine genetische Differenzierung von den
benachbarten Populationen war nicht nachweisbar. Von Endemismus kann
daher nicht gesprochen werden. Ein eigenes Taxon (subsp. bzw. var.)
humilis ist somit nicht gerechtfertigt.
Die Tieflandsformen von Minuartia verna sind als Glazialrelikte
aufzufassen (Paläoendemismus). Die Schwermetallpopulationen zeichnen
eine starke regionale Differenzierung und geringe genetische
Variabilität aus, die das Resultat einer langandauernden genetischen
Isolation darstellen. Die molekularen Daten stützen die Abtrennung der
alpinen Form (subsp. gerardii) von den Tieflandsformen, die zu einer
weitgefassten Subspezies hercynica zusammengefasst werden können.
Die Schwermetallformen von Armeria maritima s. l. haben einen
polyphyletischen Ursprung, der offenbar im Schwarm der subkontinental-
kontinental verbreiteten Subspezies elongata liegt.
Verschleppungsereignisse haben wohl einen Beitrag zum genetischen
Austausch geleistet.
Die Bildung eigener Unterarten (z. B. hornburgensis, bottendorfensis,
eifeliaca, calaminaria) oder einer weitgefassten subsp. halleri ist
nicht gerechtfertigt, da eine zum Teil starke regionale
Differenzierung und enge Beziehungen zu A. elongata vorliegen.
Allenfalls der Status als Varietäten von Subspezies elongata ist
begründbar.
Stefan Nawrath
Kochia 1 (2006)