Der Arbeitskreis Innovative Erkundungs-, Sanierungs- und
Überwachungsmethoden des altlastenforums Baden-Württemberg widmet
sich im vorliegenden Heft der in der Altlastenbearbeitung mit
zunehmender Relevanz diskutierten Thematik der natürlichen
Schadstoffminderung Natural Attenuation" (NA). Der Statusbericht
benennt die wesentlichen naturwissenschaftlich/technischen Grundlagen
und Methoden zur technischen Umsetzung und schlägt eine
Entscheidungsstruktur für die gezielte Berücksichtigung von
NA-Prozessen in der Praxis vor. Vor dem Hintergrund derzeit fehlender
rechtlicher Vorgaben verzichtet er auf eine eingehende Diskussion der
verwaltungsrechtlichen Aspekte und beschränkt sich auf NA-Prozesse in
der gesättigten Zone (Grundwasser) und hierbei nur auf die natürlich
vorhandenen Prozesse und nicht auf die künstlich anregbaren Prozesse,
die unter dem Begriff Enhanced Natural Attenuation" oder in
situ"-Sanierung zusammengefasst werden können.
Die Darstellung der naturwissenschaftlich/technischen Grundlagen
erfolgt als kurzer Überblick mit Focus auf den schadstoffabbau- und
-rückhaltungsrelevanten Prozessen und deren Bedeutung für die
jeweiligen Schadstoffgruppen. Schwerpunkt des gesamten Berichtes ist
die Darstellung der Methoden zur Implementierung von NA. Dabei werden
sowohl etablierte als auch innovative Methoden diskutiert und bewertet
sowie Möglichkeiten und Grenzen bei der Berücksichtigung von NA in
Form von Schadensszenarien aufgezeigt.
Da der Bericht Grundlagen und Methoden nicht umfassend darlegen kann
und will, ersetzt er nicht das Studium weiterführender Literatur. Zur
Bearbeitung eines Standorts unter dem Gesichtspunkt der natürlichen
Schadstoffminderung ist ein fundiertes Prozessverständnis jedoch
unerlässlich. Der vorliegende Bericht bietet hierfür einen guten
Einstieg und gibt Hilfestellungen für die Fokussierung auf die
relevanten fachlichen Details. Besonders hervorgehoben wird die
Modellierung der Prozesse und dazu verschiedene konzeptionelle Wege
vorgestellt: Konzeptmodell, Prinzipmodell (deterministisch, numerisch,
stochastisch).
Für die Umsetzung von NA schlägt der Bericht eine
Entscheidungsstruktur mit drei Elementen vor: die Quantifizierung der
Prozesse, deren Bewertung und eine anschließende
Langzeit-Überwachung. Die Quantifizierung gliedert sich zunächst in
eine standortübergreifende und eine standortspezifische
Betrachtung. Beide werden in einem Prinzipmodell zusammengeführt und
auf Plausibilität geprüft. Im Ergebnis werden Reaktionsraum und
NA-Raten dargestellt.
In Anlehnung an das etablierte stufenweise Vorgehen in der
Altlastenbearbeitung sollte auch die Prozess-Quantifizierung in
mehreren Untersuchungsschritten erfolgen:
* erste Einschätzung des NA-Potenzials auf der Basis vorhandener
Daten, standortübergreifender Informationen und eines vereinfachten
konzeptionellen Standortmodells
* Prinzipmodell nach ergänzenden hydrogeologischen, geochemischen
und mikrobiologischen Untersuchungen
* Quantifizierung der Prozesse durch Verifizierung des Modells und
Ermittlung der NA-Raten anhand von Frachtbetrachtungen im Feld
(ggf. weitere Untersuchungen)
* standortspezifische Akzeptanzbetrachtung unter Berücksichtigung der
Gefahrenabwehr für die Umwelt, der Folgenutzung des Standorts und
möglicher Sanierungsalternativen
* Bewertung.
Im Falle einer positiven Entscheidung für die Berücksichtigung von NA
wird für die praktische Umsetzung ein Langzeit-Monitoring-Konzept
gefordert, das die Einhaltung der vereinbarten Zielwerte
gewährleistet. Falls diese nicht erreicht werden können, müssen
Ersatzmaßnahmen bereitstehen.
Der Bericht ist ein guter Einstieg in die Thematik der natürlichen
Schadstoffminderung: Er benennt die relevanten Sachverhalte und
Grundlagen, diskutiert das Für und Wider der vorhandenen Methoden und
gibt einen Ausblick auf innovative Methoden. Entscheidend ist, dass
dies stets mit Blick auf die behördliche Akzeptanz geschieht und nicht
auf wissenschaftliche Aspekte und Interessen beschränkt bleibt. Somit
leistet der Bericht einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung und
Akzeptanz der bislang umstrittenen Diskussion um die bewusste
Berücksichtigung von natürlichen Schadstoffminderungsprozessen in der
Altlastenbearbeitung.
Dr. Johannes Müller
Zeitschrift für Angewandte Geologie 2/03, 49. Jg.