Dieses neue Spitzenprodukt aus der SDGG-Reihe beginnt mit Grußworten
von Olaf Lies, dem niedersächsischen Minister für Wirtschaft, Arbeit
und Verkehr, von Gerhard Lenz, dem Geschäftsführer/Stiftungsdirektor
des Weltkulturerbes Rammelsberg und der Stiftung Welterbe im Harz, von
Ugur Yarmanci, dem Präsidenten der Akademie für Geowissenschaften und
Geotechnologien (früher: Niedersächsische Akademie der
Geowissenschaften e.V. bzw. Akademie der Geowissenschaften zu Hannover
e.V.) sowie von Henning Zellmer, dem Vorsitzenden der Fachsektion
Geotope und Geoparks der DGGV.
Der zuletzt Genannte weist eindrücklich darauf hin, in den heutigen
Schulen und selbst in den klassischen Regionen unserer Wissenschaft
sei das Kennenlernen erdgeschichtlicher Grundlagen vor der eigenen
Haustür nicht mehr vorgesehen und die Geotope, ihre Popularisierung
und ihr Schutz seien deshalb von ganz besonderer Bedeutung.
Peter Heintzmann aus Bern berichtet über den Rheinfall bei
Schaffhausen, der schon zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert zur
klassischen Bildungsreise durch Europa gehörte und fragt „... ist das
überhaupt ein Geotop?“ Die geologischen, geographischen,
topographischen, kulturellen und touristischen Besonderheiten werden
vorgestellt, aber auch ihre ökonomischen Belange, von der
Energiegewinnung über die Eisenverhüttung und den Waggonbau bis zu den
Composite-Produkten, den Feuerwaffen und Verpackungsanlagen. Nicht nur
weil schon darüber nachgedacht worden war, das störende felsige
Hindernis gänzlich abzutragen, kommt der Verf. wenig überraschend zu
dem Schluss, hier handele es sich tatsächlich um ein schützenswertes
Geotop.
Friedhart Knolle und Gerd Röhling berichten im Kapitel Geotop und
Gestein des Jahres über die zahlreichen publikumswirksamen Aktionen im
UNESCO-Geopark Harz . Braunschweiger Land - Ostfalen zwischen 2010 und
2017, stellen die wichtigsten Geotope vor und drucken einige der
zugehörigen Informationstafeln ab. Wenn man dabei manchmal wegen ihrer
Informationsfülle eine Lupe zu Hilfe nehmen muss, ist das kein
entscheidender Nachteil. Es geht den verschiedensten Initiatoren zum
einen um die Popularisierung der geologisch vielfältigen
Gebirgslandschaften – vom Brocken, dem Huy und Heseberg, die
Eichsfeldschwelle und die Südharzer Gipskarstlandschaft – zum anderen
um die Gesteine selbst, den Brockengranit, um Stromatolithe und
Rogensteine, um das Trümmereisenerz und die Alabasterknollen, um
Diabas-Steinbrüche und den wegen seiner komplexen Genese besonders
erklärungsbedürftigen Eckergneis. Außerdem plädieren die Autoren
dafür, einem kontraproduktiven Gegeneinander „Geotop versus Biotop“
entgegenzuwirken.
Jörn H. Kruhl berichtet in seinem zweiseitigen Kapitel über
Geotourismus in Nepal – Probleme und Lösungen und die Idee, dieses
Land mit seinen „... omnipräsenten Geo-Kataststrophen. Erdbeben,
Bergstürze, Hangrutschungen und Überschwemmungen ...“ geotouristisch
zu nutzen, um damit die Verhältnisse im Lande zu
verbessern. Angesichts der aktuellen Ereignisse des Jahres 2017 in der
Schweiz, mit dem Bergsturz am Piz Cengalo im Kanton Graubünden, dem
tödlichen Ende für acht Bergwanderer und der anschließenden
Überflutung des Dorfes Bondo, hat dieser Beitrag etwas ganz ungewollt
Makaberes.
Der kurze Artikel von Annette Krüger, Kerstin Fiedler et al. über den
Beuchaer Granitporphyr und das „Dorf der Steine“ berichtet über die
geologischen Besonderheiten dieses Gesteins und Ortes und ihre große
Bedeutung für die sächsische Industriegeschichte, ist aber leider „mit
der heißen Nadel gestrickt“. Das Wort Inwertsetzung kommt z. B. kaum
modifiziert gleich sechsmal vor; auf der Seite 55 hat man den Rat
eines ?Lektors: „Bitte anders formulieren:“ weder beachtet noch
entfernt, und laut Seite 57 fand die berühmte Studentenexkursion von
Herrmann Credner am 13. Mai 1970 statt.
Gerhard Lenz berichtet aus seiner Sicht und Erfahrung über die
Entwicklungs- und Vermittlungsperspektiven des Weltkulturerbes
Bergwerk Rammelsberg mit der Altstadt Goslar (seit 1992) und des 2010
hinzugekommenen Welterbes Oberharzer Wasserwirtschaft. Das
Schutzgebiet erstreckt sich damit über große Teile des NW-Harzes in
einem Bogen von Goslar mit Hahnenklee, über Lautenthal, Bad Grund,
Clausthal-Zellerfeld und Schulenberg, Altenau, St. Andreasberg und mit
zahlreichen „Dezentralen Welterbezentren“ bis zum Kloster Walkenried
an der Grenze zu Thüringen. Es ist eine immense Herausforderung, ein
solches Welterbe mit seinen „weit über 2000 Welterbeelementen“ den
potentiellen Besuchern schmackhaft zu machen und dauerhaft erlebnis-
und erkenntnisreich zu gestalten.
Nancy Schumacher & Katrin Schüppel berichten im Kapitel Drei
Rohstoffe aus einem Berg von der seit Mitte des 19. Jahrhunderts
bis zur Stilllegung 1970 umgehenden Rohstoffgewinnung im Wittener
Hettberg im Ruhrtal: über Steinkohle aus der Zeche Nachtigall,
Tonstein für die Ziegelei Dünkelberg und Sandstein als Baumaterial aus
dem Steinbruch. Primär geht es um die Geschichte der Zeche Nachtigall
und wie ein früher und wichtiger Industriestandort schließlich zum
Industriemuseum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe wurde. Über
die weitere Erforschung und Vermittlung der Arbeits- und
Lebensbedingungen hinaus soll die Dauerausstellung zum Schwerpunkt
Geologie und Historische Rohstoffgewinnung ausgebaut werden. Es folgt
diesem Artikel noch ein weiterer von Katrin Schüppel über die Chancen
durch den Einsatz des Geocaching für die Öffentlichkeits- und
Bildungsarbeit im Ruhrgebiet.
Klaus Stedingk & Ivo Rappsilber berichten über die in den letzten
Jahren neu erarbeiteten geohistorischen Karten in Sachsen-Anhalt. Die
an solche Karten gestellten Ansprüche und zu erfüllenden Zielvorgaben
haben sich in Zeiten des Geomarketings und Geotourismus‘ gründlich
gewandelt. Außerdem haben sich der Harz bei seiner Entstehung, und die
zwei Jahrtausende lange Technikentwicklung bis zur Montanindustrie
schon gar nicht um heutige Landesgrenzen gekümmert, so dass eine
länderübergreifende Zusammenarbeit notwendig war. Mit repräsentativen
Kartenausschnitten wirbt man für die neuen Karten, und viele von ihnen
musste man wegen hoher Nachfrage schon neu auflegen. Es handelt sich
um folgende Kartenausschnitte: die GMK 50 Mansfeld-Sangerhausen (1.–
2. und 3.–4. Aufl.), die Karte Geologie und Bergbau von Halle und
Umgebung 1:50.000, die Geologisch-montanhistorische Karte des Harzes,
die Geologisch- montanhistorische Karte Triasland und die
Geologisch-montanhistorische Karte 1:20.000 des Elbingeröder
Komplexes.
Jutta Weber lieferte zwei Seiten mit dem Titel Geo-Naturpark
Bergstraße-Odenwald (UNESCO Global Geopark): Die Geotope des Jahres
als Mittler zwischen Wissenschaft und Gesellschaft.
Von besonderem Reiz ist der Beitrag von Friedrich-W. Wellmer & Jürgen
Gottschalk Leibniz‘ Wirken im Harz. Er versetzt den Leser mit
wenigen Zeilen schnell in eine Zeit, als die von Leibniz eigentlich
als seine Wirkungsstätte erhoffte Weltstadt Paris bereits 400.000
Seelen, ganz Niedersachen aber nur 150.000 beherbergte. Bei all seiner
Genialität – z. B. bei der Entwicklung der Infinitesimalrechnung – und
voller innovativer und später auch erfolgreich umgesetzter Ideen,
waren die beiden Phasen seiner Tätigkeit im Harzer Silberbergbau auch
mit manchem Scheitern verbunden, wie z. B. bei der dauerhaften Nutzung
einer Horizontalwindmühle mit archimedischer Spirale als Pumpensystem.
Unter der Zielsetzung und dem Titel des gesamten Heftes ist der
Beitrag von Henning Zellmer zur Gesellschaftlichen Relevanz
geologischer Aufschlüsse im Wandel der Zeit besonders gelungen und mit
seinen 37 Abbildungen und dem umfangreichen Literaturverzeichnis auch
sehr informativ. Hier werden beispielhaft nur einige der historischen
Abbildungen und Texten zur Kultur-, Montan- und zur
Wissenschaftsgeschichte von Geologie und Mineralogie aufgezählt:
Der Brocken oder Bloks-Berg von L. S. Bestehorn (1749),
Erzschürfer bei der Lagerstättensuche aus Agricolas De re
metallica, zwei kolorierte Kupferstiche aus Athanasius Kirchers
Mundus subterraneus von 1664, die „Zungensteine“ erkannte man
als Haizähne, aus Nikolaus' Stenos Canis carchariae dissectun
caput von 1667, erster bekannter Profilschnitt aus Lehmanns
Versuch einer Geschichte von Flöz-Gebürgen ... von 1756, von
John Kay eine Karikatur von Hutton aus „Hutton in the field“ von 1787,
eine Skizze von Gideon Mantell, Termin mit Charles Lyell beim
Aufsammeln von Knochen und Zähnen des Iguanodon, das erste
umfassende Bild der Gesteinsentstehung aus James Huttons Elements
of Geology von 1838, zwei Illustrationen von Melchior Kraus für
das Werk von Tebras Erfahrungen vom Innern der Gebirge von
1785, Aufbau der Gebirge aus Alexander von Humboldt & Bromme
(1851), Zeichnung Die Gebirge der Alten und Neuen Welt im
Vergleich von Goethe, rekonstruiertes Großsteingrab am Waldrand bei
Groß Steinum. Hinzu kommen noch die Stätten der deutschen
Nationalromantik (wie Loreley, Hübichenstein und Externsteine),
Aufschlüsse als schützenswerte Naturdenkmale und Biotope und
schließlich zahlreiche Aufschlüsse und Geotope des 21. Jahrhunderts.
Johannes Grossewinkelmann, Friedrich Wilhelm Luppold, Peter Buchholz,
Lothar Klappauf, Katharina Malek und Klaus Stedingk lieferten zusammen
den Beitrag Kurzexkursion Weltkulturerbe Rammelsberg, denn es
geht um mehrere, sehr unterschiedliche Themen. Zuerst um die
„Weltklasse-Lagerstätte“ selbst, ihre Entstehung, ihre Form und
Erzabfolge in den beiden Alten und im Neuen Lager sowie die Geschichte
und heutige Präsentation der Sammlungsbestände in den Räumen des
ehemaligen Bergwerks. Zweitens um den direkt neben dem Werk
befindlichen ehemaligen Versatz-Tagebau Schiefermühle mit der
aufgeschlossenen Lithostratigraphie des älteren Mittel-Devon und
schließlich um die spannenden montanarchäologischen Arbeiten am
südöstlichen Ende der Schiefermühle. „Das Quellenpotential der
offenliegenden Fundstelle am Alten Lager des Rammelsberges ist
ungeheuerlich ...“ und ermöglicht „... endlich die Vorstellungen von
der frühen Metallurgie mit zu bestimmen.“
Zum Thema Die Klassischen Quadratmeilen der Geologie beschließen zwei
umfangreiche Beiträge das Heft, denen nur separate Besprechungen
gerecht werden können. Es handelt sich dabei um zwei
Beschreibungen:
1) von Heinz-Gerd Röhling, Friedhart Knolle,
Friedrich Wilhelm Luppold, Rainer Müller, Simon Siemianowski, Jürgen
Vespermann und Hennig Hellmer: Exkursion I: Nordwestliches
Harzvorland und 2. von Hans-Joachim Franzke, Friedhart Knolle,
Heinz-Gerd Röhling, Eberhard Schindler, David Colin Tanner, Justus
Teike, Friedrich-Wilhelm Wellmer, Volker Wilde und Hennig Hellmer
Exkursion II. Oberharz.
Wenn man ein kurzes Fazit zum großartigen neuen Heft der SDGG-Reihe
versuchen will, könnte es lauten: Das Thema ist von hoher Aktualität;
es wurde von den zahlreichen Mitwirkenden in allen Belangen voll
getroffen. Fast nur kleinere Druckfehler sind zu bemängeln, und es
entstand dabei ein unbedingt lesenswertes Heft für einen großen
Leserkreis, insbesondere für Pädagogen und allen, die an den
Erdwissenschaften und unserer gesamten vielfältigen Umwelt
interessiert sind; zugleich ein Ansporn für andere, diesen Autoren
nach Kräften nachzueifern!
Gerhard Schöne, Wedel
Zentralblatt für Geologie und Paläontologie Teil II Jg. 2017 Heft 3-6