Die Grube Messel wurde 1995 in die Liste der Weltnaturerbestätten der
UNESCO aufgenommen und ist damit die dritte ihrer Art weltweit und die
erste auf deutschem Boden. Der Weg bis hin zu dieser bedeutenden
internationalen Auszeichnung war steinig und wurde von
Interessenkonflikten flankiert. Die als Band 52 in der „Kleinen
Senckenberg- Reihe“ erschienene Publikation „Faszination Welterbe
Grube Messel“ vermittelt eine Chronologie der Ereignisse, die
besonders seit den frühen 70er Jahren des 20. Jahrhunderts politische
Brisanz hatten. Bereits 1791 wurden die Messeler Ölschiefer- und
Braunkohlevorkommen entdeckt. Von Interesse für die Paläontologie
wurde die Grube Messel im Jahr 1875, als Reste eines Krokodils
geborgen wurden.
Erste wissenschaftliche Grabungen erfolgten schließlich 1966; sie
zeigten das enorme Potential für die paläontologische Forschung
auf. Als das Land Hessen die Grube Messel 1972 in eine zentrale
Mülldeponie umwidmen wollte, war ein politischer Konflikt
vorprogrammiert. Die Gründung einer Bürgerinitiative 1975, die sich
gegen solche Bestrebungen richtete sowie die Intensivierung der
Grabungsaktivitäten durch verschiedene Museen und
Forschungsinstitutionen, wie das Forschungsinstitut Senckenberg in
Frankfurt am Main, in den nachfolgenden Jahren führten letztendlich
zur Erhaltung der Grube Messel als einzigartiger Fossillagerstätte.
Die Eröffnung eines Besucherzentrums im Jahre 2010 bildet den
konkreten Anlass für die vorliegende Publikation von Gerd MANGEL.
Das Besucherzentrum, so lautet die Botschaft, solle „kein musealer
Ort“ sein, sondern ein „Erlebniszentrum“. Dem Besucher werden drei
Erkenntnisse vermittelt, dass 1) die Erde ein dynamisches System sei,
wobei die Evolution den Motor für die Entwicklung des Lebens
bereitstelle, 2) der Mensch als Teil der Natur mit dieser sorgsam
umgehen müsse und 3) der aktuelle Zustand der Erde und des Lebens nur
zu begreifen sei, wenn die Entwicklungsgeschichte unseres Planeten und
seiner Lebewelt wissenschaftlich immer weiter entschlüsselt
werde. Schließlich sei Forschung „spannend und macht Spaß“. Auf der
Grundlage dieses Anspruchs führt der Autor ein in die vielgestaltigen
Facetten der Grube Messel. Im Kapitel „Faszination Messel“ werden
exzellente Beispiele von in den Messeler Ölschiefern geborgenen
Fossilfunden, einer 47 Millionen Jahre alten Flora und Fauna,
vorgestellt. Abschließend wird dem aktuellen Lebensraum „Grube“, der
sich mittlerweile zu einem artenreichen Biotop entwickelt hat,
nachgespürt. Das Kapitel „Messel, oder was wir mit der Natur machen“
zeigt auf, welche gewaltigen Eingriffe in die Natur die
Ölschiefer-Förderung sowie die Produktion von Rohöl, Farbkoks und
Paraffin mit sich brachten in der Zeit von 1885 bis 1962. Das neue
Besucherzentrum wird im Kapitel „Extravagant: Ölschiefer als Vorbild
der Architektur“ vorgestellt. Auf einem Rundgang kommen Aspekte zur
Sprache, die sich um die Grube Messel ranken: Landschaft, Vulkanismus,
Expedition Bohrung, Regenwald, Evolution und Schatzkammer. Nach
Durchschreiten der einzelnen Räume hat der Besucher die Möglichkeit,
den Außenbereich zu betreten, wo er einen Blick in die mittlerweile
legendäre Grube Messel werfen kann. Im Kapitel „Ein Maarvulkan
verändert die Landschaft“ wird aufgezeigt, dass die Fossillagerstätte
„Messel“ nur durch seine vulkanische Vorgeschichte denkbar ist. Die
Ölschiefer, die beim Spalten die in sie eingebetteten Fossilien
freigeben, lagerten sich vor 47 Millionen Jahren im ehemaligen
Messel-See, einem Maar, ab, das von einem tropischen Regenwald
umstanden wurde. Eine im Jahr 2001 abgeteufte Forschungsbohrung
erbrachte nicht nur detaillierte Kenntnisse von der sedimentären
Seefüllung, sondern ebenfalls von der Füllung des Vulkanschlotes im
Liegenden. Das Protokoll des Bohrverlaufs wird akribisch
wiedergegeben. Im Kapitel „Ein See im tropischen Regenwald“ werden
auch Überlegungen zum damaligen Klima angestellt. Bei der Suche nach
rezenten Vergleichsbeispielen stieß man auf einen See auf der Insel
Sumatra. „Foschung: Geheimnisse des Lebens – Fossilien als
Momentaufnahmen der Evolution“ ist das nächste Kapitel
überschrieben. Darin wird auf spezielle analytische Verfahren, wie die
Röntgen- und Computertomografie, eingegangen, die bei der Erforschung
der Messel-Fossilien zum Einsatz kommen. So können beispielsweise
Erkenntnisse über das Innenohr von Messel-Fledermäusen gewonnen
werden. Untersuchungen am Rasterelektronenmikroskop kommen zum Einsatz
bei der Erforschung der Mageninhalte von Urpferden, die sich danach
von Blättern und Früchten ernährten. Auch dem Messel-Primaten „Ida“,
der über längere Zeit die Schlagzeilen beherrschte, wird entsprechende
Aufmerksamkeit gewidmet. Ausgewählte Fossilfunde aus der Grube Messel
werden im Kapitel „Ein Schatz der Menschheit“ vorgestellt. Die
einzelnen Kapitel gewinnen durch Interviews, die mit Wissenschaftlern
zu den behandelten Themen geführt wurden. Ein Glossar erläutert
Fachbegriffe, während ein knapp gefasstes Literaturverzeichnis auf
weiterführende Messel-Publikationen verweist.
Die neu erschienene Veröffentlichung „Faszination Welterbe
Grube Messel“ führt kompetent und gut lesbar in den „Messel-
Komplex“ ein. Sie macht zudem „Appetit“ darauf, das neue
Besucherzentrum in unmittelbarer Nähe dieser Weltnaturerbestätte
der UNESCO bei nächster Gelegenheit zu besuchen.
Norbert HAUSCHKE, Halle (Saale)
der Aufschluss Ausgabe 4, Jg. 63 (Juli/August 2012), Seite 223-224