Thüringen, in der Mitte Deutschlands gelegen, ist eines der kleineren
Bundesländer. Aber auch eines der wenigen, für die eine fundierte
geologische Beschreibung vorliegt. Nur acht Jahre nach Erscheinen der
ersten. Auflage 1995, wird nun bereits die zweite Fassung
präsentiert. Dies mag einerseits an der vielgestaltigen Geologie des
Landes liegen, die vom variszisch überprägten Proterozoikum der
Mitteldeutschen Kristallinschwelle bis zum glazial und periglazial
geformten Deckgebirge weite Bereiche der Erdgeschichte umfasst. Es ist
vor allem aber auch das Verdienst von Gerd Seidel, der als Herausgeber
auf ein vielköpfiges Autorenteam erfahrener Geowissenschaftler aus
Landesämtern, Universitäten (hier vor allem Jena und Würzburg) und
Museen zurückgreifen konnte. Die zahlreichen neuen Erkenntnisse,
insbesondere zu den paläozoischen Baueinheiten des Thüringer
Schiefergebirges und des Thüringer Waldes, aber auch zum mesozoischen
Deckgebirge berechtigen zu einer Neuauflage des Werkes.
Von den stattlichen 600 Seiten des Buches nehmen verständlicherweise
das Proterozoikum und das variszisch deformierte Paläozoikum des
Thüringer Waldes, des Thüringischen Schiefergebirges und des Südharzes
einen Großteil ein. In Thüringen liegen die stratigraphischen und
tektonischen Schlüsselpositionen der prävariszischen
paläogeographischen Entwicklung ebenso wie die der Entstehung des
variszischen Orogens. Mit der metamorphen Zone des Südharzes, vor
allem aber mit einem nahezu vollständigen Querschnitt des
Saxothuringikums gehören die paläozoischen Gebiete Thüringens zu den
klassischen Forschungsregionen dieser Periode. In der Neuauflage ist
es hervorragend gelungen, die aktuellsten Daten aus
strukturgeologischer, paläontologischer und paläogeographischer
Forschung in die regionalgeologische Entwicklung Thüringens und seiner
Nachbarregionen einzubinden und diese im Lichte moderner
plattentektonischer Sichtweisen und neuer Modelle der variszischen
Orogenese darzustellen.
Etwa gleichgewichtig werden die spät- bis postvariszischen
vulkanogenen Bildungen und kontinental terrestrischen Ablagerungen des
Rotliegenden, die bedeutenden evaporitischen Sedimente des Zechstein,
mit ihren stein- und kalisalzführenden Lagerstätten sowie die
weitflächig verbreiteten mesozoischen, insbesondere triassischen
Folgen des Thüringer Beckens auf fast 200 Seiten behandelt. Der Umfang
ist berechtigt, berücksichtigt man die Bedeutung des Rotliegenden im
Saaletrog, des Zechstein im Werra- und Leinegebiet, des
Buntsandsteins, vor allem auch des Muschelkalks und Keuper im
Thüringer Becken für die internationale stratigraphische
Gliederung. Mehrere Stratotypen befinden sich in Thüringen,
international gültige Formationsnamen sind der Thüringischen Region
entliehen. So wird z.B. die Erdgeschichte des unteren Zechstein in den
klassischen Salzabbaugebieten der Werra und der Leine geschrieben!
Auch das Känozoikum hat mit den Braunkohlevorkommen des
Weißelsterbeckens und dem jungtertiären Basaltvulkanismus der Rhön
wichtige Akzente zur regionalen Geologie Thüringens gesetzt, von der
mannigfaltigen Überprägung durch das glaziale Regime im Quartär ganz
zu schweigen.
Etwas stiefmütterlich kommt, wie auch in der ersten Auflage der
angewandt-geologische Teil des Buches weg. Werden die Salzlagerstätten
noch gebührend berücksichtigt, sind den bedeutenden
Uranerzlagerstätten im Ronneburger Raum (sie haben Deutschland kurz
vor der Wende zu einem der wichtigsten Uranproduzenten der Welt
gemacht!) kaum mehr als einige Zeilen gewidmet, ebenso den anderen
Erzvorkommen. Die Beschreibung einer hydrogeologisch sehr
vielfältigen Region beschränkt sich auf die mühselig lesbare
Wiedergabe von Tabellen. Es geht auch anders!
Alles in allem aber stellt die Neuauflage der Geologie von Thüringen
eine der besten regionalgeologischen Beschreibungen Deutschlands dar,
die stratigraphisch wie strukturgeologisch durchaus überregionale
Bedeutung hat. Es wäre wünschenswert, wenn andere Bundesländer dem
Beispiel folgten.
Das Werk ist eine wichtige Grundlage für jede Vorlesung zur regionalen
Geologie Mitteleuropas. Im Vergleich zur Erstauflage ist die
z.T. schlechtere Abbildungsqualität ein Minuspunkt, der aber durch die
gestiegene Seitenzahl wettgemacht wird.
JEAN THEIN
Erdkunde Band 58/2004, Heft 1