In der vorliegenden, umfangreichen und reich illustrierten Publikation
haben die beiden emeritierten Mineralogen Marino Maggetti und Robert
B. Heimann ihr geballtes Wissen zu antiken und historischen Keramiken
zusammengetragen und in englischer Sprache zu Papier gebracht.
Die Autoren widmen sich ausschließlich der Gefäßkeramik und streichen
besonders ihre Funktionen als Kochund Tafelgeschirr heraus, was
bereits aus dem Untertitel des Buches ersichtlich ist. Sie halten
diesen Aspekt für besonders wichtig, da der Gebrauch von
Keramikgefäßen die Lagerung, Zubereitung und Konsumation von
Nahrungsmitteln revolutionierte. Die Entwicklung und Herstellung von
Keramik erlaubte mehr Kontrolle über die Nahrungszubereitung, was
wiederum für die Entwicklung menschlicher Gesellschaften wesentlich
war. Für Recherchen und Experimente zu den im Buch angesprochenen
unterschiedlichen kulinarischen Traditionen erhielten sie
Unterstützung von Ihren Frauen. Bei der Lektüre des angenehm und
flüssig, aber auch (was leider nur auf wenig Fachliteratur zutrifft)
spannend zu lesenden Buches gewinnt der Leser den Eindruck eines
lustvollen Arbeitsprozesses seitens des Autorenduos bzw. -quartetts –
was das Lesevergnügen gleich noch einmal steigert.
Obwohl beide Autoren aufgrund ihrer Ausbildung primär
Naturwissenschafter sind, pflegen sie einen ausgesprochen
interdisziplinären Zugang zur Keramik, der auch schon bei zahlreichen
ihrer früheren Publikationen unverkennbar war. Für das Verstehen
historischer Gesellschaften sprechen sie der Keramik eine wesentliche
Rolle zu und erachten für ihre Untersuchung einen holistischen Zugang
und interdisziplinäre Zusammenarbeit als erforderlich. Dieser
Forderung kommen die Autoren auch in vollem Umfang nach. Das
vorliegende Buch enthält neben den Eigenschaften von Tonen, ihrem
Verhalten während des Verarbeitungsprozesses und
mineralogisch-physikalischen und chemischen Aspekten keramischer
Eigenschaften vor allem Erkenntnisse der Archäologie und
Kunstgeschichte und berücksichtigt auch – sofern vorhanden –
zeitgenössische Schriftquellen, wie beispielsweise Cipriano
Picolpassos Tre libri dell’Arte del Vasaio. Dies belegen die Autoren
mit einem umfangreichen Literaturverzeichnis, das 55 Seiten und damit
über 10 % des Buches umfasst.
Neben diesem umfangreichen Literaturverzeichnis machen ein keramischer
Index, ein Ortsregister und ein Namensregister und schließlich ein
Rezeptregister das Buch zu einem weltumspannenden Nachschlagewerk für
Keramik. Der Hauptteil des Buches ist in zwei Teile (Grundlegendes
und Ausgewählte Keramiken und kulinarische Traditionen) und 20 Kapitel
gegliedert. Vorangestellt wird eine Einleitung, in der die Bedeutung
von Keramik als erstes durch Menschen künstlich hergestelltes Material
betont wird. Diese Bedeutung zeigt sich auch in zahlreichen
Entstehungsmythen weltweit, welche die Entstehung des Menschen mit der
Formung von Ton vergleichen und verbinden.
Teil I, Grundlegendes, nimmt etwa ein Fünftel des Buches ein und
widmet sich den Eigenschaften von Keramik, ihren Klassifikationen,
Rohstoffen und Rohstoffverarbeitung, Töpferöfen und Brenntechnik und
schließlich auch den physikalisch-chemischen Vorgängen beim Brand und
Phasenänderungen. Besonders in Zusammenhang mit Töpferöfen und
Brenntechnik berücksichtigen die Autoren nicht nur technologische und
historische Aspekte sondern auch wirtschaftliche Fragen. Anhand von
Berechnungen zum Brennstoffbedarf von einzelnen Öfen zeigen sie auf,
dass Töpfer wohl oft das technisch Mögliche der Wirtschaftlichkeit
geopfert haben.
Teil II, ausgewählte Keramiken und kulinarische Traditionen, umfasst
weltumspannend keramische Regionen in einem Großteil Europas, dem
Nahen und Fernen Osten sowie Nord- und Südamerika und ein Zeitfenster
von 10.000 Jahren, das bis in das 18. Jahrhundert reicht. Ausgewählt
wurden Gefäßkeramiken, die in Zusammenhang mit Nahrungszubereitung und
Nahrungskonsumation stehen. Sie werden in Kombination mit Gerichten,
die darin vermutlich zubereitet und/oder konsumiert wurden
dargestellt.
Bei der Recherche nach Rezepten und ihrer experimentellen Erprobung
standen die Autoren vielfach vor dem Problem, dass viele Zutaten heute
nicht erhältlich oder gar unbekannt sind. Darüber hinaus sind kaum
Mengenangaben in alten Rezepten zu finden. Sie verstanden sich weniger
als Arbeitsvorschrift sondern vielmehr als Erinnerung. Trotzdem sehen
die Autoren ihr Werk aufgrund der Rezepte, die es beinhaltet, mit
Augenzwinkern auch ein wenig als Kochbuch.
Vor dem kulinarischen Teil jedes Kapitels wird die jeweilige
Keramikgruppe hinsichtlich ihrer Scherbenqualitäten, Dekore, Formen
und Herstellungstechnik, aber auch in Hinblick auf Gebrauchsspuren
beleuchtet. Darüber hinaus werden die Entwicklungen der Keramikgruppen
auch in ihren historischen Kontext eingebettet, was den holistischen
Zugang zum Thema vervollständigt. Jedem Kapitel ist eine
Zusammenfassung des Inhalts auf einer halben bis ganzen Seite
vorangestellt, die dem Leser einen guten Überblick über das
Wesentliche des folgenden Kapitels verschafft.
Die Keramikregionen und -epochen wurden einerseitsdahin gehend
ausgewählt, dass sie Entwicklungsschübe repräsentieren, basieren aber
auch auf persönlichen Vorlieben der Autoren und sind daher keinesfalls
erschöpfend. Sie umfassen urgeschichtliche Keramikgruppen wie jene
des Neolithikums im Nahen Ostens, namentlich in Mesopotamien,
Anatolien, Ägypten und Iran sowie Keramikgruppen der Ägäischen
Jungsteinzeit, Bronze- und Eisenzeit. Als Beispiel für römische
Irdenware gehen die Autoren ausführlich auf die Terra Sigillata
ein. Die Entwicklung des europäischen Steinzeugs in Mittelalter und
Frühneuzeit wird anhand der Rheinischen und Sächsischen
Steinzeugzentren Siegburg, Frechen, Köln, Westerwald, Raeren und
Waldenburg einschließlich ihrer Vorgänger in Badorf, Mayen und
Pingsdorf dargestellt. Die Entwicklung der zinnglasierten Fayencen und
der Lüsterware aus dem Nahen Osten und aus Italien wird ebenso
dargestellt, wie jene des englischen und französischen
Steinguts. Breiter Raum wird auch der Entwicklung des Porzellans in
Europa eingeräumt, das von der Herstellung von Weichporzellan im
Frankreich des 17. Jahrhunderts über die Erfindung des Hartporzellans
in Meißen im 18. Jahrhundert bis zur Entwicklung des noch heute in
England hergestellten und beliebten sogenannten Bone Chinas, das einen
Knochenascheanteil von 45 % enthält, reicht. Für Amerika wurden
Keramikgruppen aus Süd- und Mittelamerika, dem Südwesten Nordamerikas
und dem Mississippi-Tal, die in die Zeit vor der europäischen
Eroberung ab dem 16. Jahrhundert datieren, ausgewählt. Den Fernen
Osten repräsentieren Keramikgruppen aus China, Thailand und Japan,
deren Entwicklungen von neolithischen Irdenwaren über Steinzeug bis zu
Porzellan reichen.
Insgesamt handelt es sich bei dem vorliegenden Buch um ein umfassendes
Kompendium zur Keramikforschung, das nicht nur an Keramik
Interessierten sondern auch Fachleuten sehr ans Herz zu legen
ist. Aufgrund der englischen Sprache ist dem Buch eine weiträumige
Rezeption zu wünschen und auch zu erwarten.
Dr. Gabriele Scharrer-Liška, Universität Wien
Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich 30/2014
Österreichische Gesellschaft für Mittelalterarchäologie