Adolf Seilacher ist in der Fachwelt seit Jahrzehnten u. a. für seine
Arbeiten über fossile und rezente Spuren mit ihren einleuchtenden, so
typischen Illustrationen so hinreichend bekannt, dass man darüber
nicht noch viele Worte verlieren muss. Vor wenigen Jahren flossen
seine gesammelten Erfahrungen in ein Lehrbuch über Spuren ein
(Seilacher 2008). Unglücklicherweise nennt er sich hier kurz „Dolf“,
was in der Bibliographie dann zu Seilacher, A. und Seilacher, D. führt
und dann für unwissende Zeitgenossen zwei verschiedene Autoren
existieren.
Der vorliegende Band begann als ein 40seitiges Heftchen in deutscher
Sprache im Jahr 1995, erschien dann als Katalog zu einer
Wanderausstellung mit fotografi erten Spurenplatten in englischer
Sprache im Jahr 1997 und bereits mit 63 Seiten Umfang. Als die
Ausstellung 2008 auch an Seilachers Hauptwirkungsstelle, nämlich an
der Universität Tübingen, zu sehen war, erschien wiederum ein
erweiterter Katalog mit 97 Seiten, der in etwa dem hier vorliegenden
weitgehend entspricht und den es vorher auch in japanischer und
portugiesischer Sprache gab, denn die Wanderausstellung war inzwischen
in Deutschland, USA, Kanada, Japan, Brasilien, Portugal, Rumänien,
Kroatien, Spanien, Norwegen und Dänemark zu sehen. Das vorliegende
Heft ist so die 2. deutschsprachige Aufl age. An der ETH Zürich machte
man diese Ausstellung zusätzlich auch blinden und sehbehinderten
Menschen zugänglich, weil die vorgestellten Gesteinsplatten meist ein
kräftiges Relief aufweisen und somit auch gut abzutasten sind.
Hans Luginsland besorgte die Fundbergungen, Wolfgang Gerber und Edith
Seilacher die Fotografie, erstere beiden vom
Geologisch-Paläontologischen Institut der Universität Tübingen,
inzwischen das Institut für Geowissenschaften. Die charakteristischen
Zeichnungen fertigte der Verf. natürlich selbst an.
Die fotografierten Spurenplatten stammen aus allen fünf Kontinenten
und zu jeder gäbe es sicher eine recht bemerkenswerte Geschichte zur
Entdeckung und Bergung zu erzählen. Da Spurenplatten häufig den
Nachteil einer großfl ächigen Ausdehnung haben, oft gar nicht von
ihrer Gesteinsunterlage zu trennen sind und – falls doch geborgen –
ein enormes Gewicht aufweisen, fertigte man bereits vor Ort oder für
die Ausstellung gut kolorierte Abgüsse an. Hinzu kommt, dass manche
Fundstellen fossiler Spuren wie bei der australischen Ediacara-Fauna,
den Dinosaurierspuren in Barkhausen im Wiehengebirge oder einer
berühmten Trilobitenspur in Nordspanien unter gesetzlichem Schutz
stehen und nicht beschädigt werden dürfen.
Beim vorliegenden Heft muss man in Ruhe die jeweils ganzseitigen
Tafeln der Reihe nach betrachten und am besten auch die Erläuterungen
auf der gegenüberliegenden linken Seite zur Kenntnis nehmen. Die
deutschsprachigen Texte sind bewusst kurz gehalten, wenn auch
stellenweise sprachlich nicht gut aus dem Englischen übersetzt. Das
faszinierende an fossilen Spurenplatten, Fährtenzügen und dergleichen
ist, dass sie Aktivitäten (Bewegung, Fressen, Auflauern, Verkriechen,
Ruhen, Sterben, Kämpfe) von vergangenen Lebewesen für die Nachwelt
überliefern, ohne dass man vielfach weiß, von wem sie stammen. Dies
gilt in besonderer Weise für das Archaikum und Proterozoikum, wo
Fossilien praktisch keine Hartteile aufweisen – sie waren vermutlich
noch nicht oder selten entwickelt. Das ändert sich dann mit dem
Kambrium. Charakteristische Spuren sind jedoch häufi g gerade da
erhalten, wo Fossilreste nicht körperlich überliefert sind. Ein gutes
Beispiel sind die Dinosaurierspuren von Barkhausen im westfälischen
Wiehengebirge und im niedersächsischen Münchehagen – keine Spur von
Knochenfunden. Die teilweise recht langen Fährtenzüge belegen
allerdings ein lebhaftes Hin- und Herlaufen von Raubdinosauriern und
pfl anzenfressenden Sauropoden. Im Einzelfall kann eine solche
Spuren-Lagerstätte sogar einiges über die Anatomie und das
Sozialverhalten von Dinosauriern verraten. Solche Fährtenzüge wären im
vorliegenden Heft nur als Foto zu dokumentieren gewesen. Hier sehen
wir nun – um einige Beispiele zu den 45 Farbtafeln zu nennen –
quallenähnliche Bildungen, Abdrücke seltsamer Wesen aus der Frühzeit
der Erde (Vendobionten in der sogenannten Ediacara-Fauna), Ruhespuren
von Seesternen, Trilobitenspuren, Spuren von Nacktschnecken, Wurm-,
Muschelund Arthropodenspuren sowie Wirbeltierfährten. Am Schluss zeigt
eine Karte die Fundorte der Objekte auf einer Weltkarte und eine
schematisierte Geologische Zeittabelle.
Außer Spuren sind jedoch auch Sedimentstrukturen wie Trockenrisse,
Wellenrippeln, dann anorganisch entstandene Liesegangsche Ringe,
ferner körperliche Fossilien wie Stromatolithe und
Muschelanreicherungen zu sehen.
Am vorliegenden Katalog ist kaum etwas zu kritisieren. Nur ist im
Impressum ein peinlicher Fehler unterlaufen: Statt „DR. A. Seilacher“
muss es richtig „Prof. Dr. Adolf Seilacher“ heißen, denn er hatte bis
zu seiner Emeritierung an der Universität Tübingen als Ordentlicher
Professor den Lehrstuhl für Paläontologie inne – das muss man zu
seiner Ehre hier ergänzen. Der Text ist seltsamerweise aus dem
Englischen ins Deutsche rückübersetzt worden – dadurch entstanden
etliche stilistische, sprachliche und noch viel mehr einzelne,
durchwegs vermeidbare Schreibfehler. Eine Titelseite gibt es auch
nicht: Das Heft beginnt mit einem Vorwort, dann kommt das Impressum
und dann wieder ein Vorwort – nicht gerade fachmännisch! Der Verlag
Schweizerbart erhielt wohl das in Dänemark fertig hergestellte Heft in
der vorliegenden Form so zum Vertrieb.
Das vorliegende Buch kann für alle an der Natur Interessierten eine
ästhetische oder anregende Literatur sein, Studenten vor allem der
Geologie/Paläontologie besonders einleuchtende Beispiele für die
wissenschaftliche Auswertung solcher Funde liefern und für Künstler
durchaus auch als Anregung für weitere Werke dienen. Insofern ist der
Kreis der Liebhaber bei diesem Band wahrscheinlich viel größer, als
man sich das hier ausmalen kann. Das vorliegende Heft ist ein guter
Botschafter für die Paläontologie und als solches uneingeschränkt zu
empfehlen. Auch der weltweite Erfolg der Ausstellung spricht dabei
für sich. Man sollte allerdings auch darüber nachdenken, ob nicht
viele Leser lieber eine ordentlich gebundene Ausgabe hätten, denn ein
solches Heft verschleißt bei häufi gem Gebrauch doch rasch: Das
Schwarz auf der Heftrückseite zeigte beim Rez. bald deutliche
Abriebspuren.
Wolfgang Riegraf, Münster in Westf.
Zentralblatt für Geologie und Paläontologie Teil II Jg. 2013, heft 3-4