Bücher über den Planeten Erde sind, was Grundlagenwissen betrifft,
Klassiker und garantieren mehrere Auflagen. Sie sind damit Longseller,
um die Sprache des Buchhandels zu verwenden. Bestseller wären Bücher,
die sich in hoher Auflage rasch verkaufen und dann verschwinden.
Plattentektonik als Motor der Kontinentverschiebung
Die nunmehr 7. Auflage der "Plattentektonik" von Frisch und Meschede
blickt auf eine 20-jährige Erscheinungsgeschichte, beginnend mit der
1. Auflage 2005, Verlagswechsel inklusive, zurück. Die Autoren sind
der gebürtige Österreicher Wolfgang Frisch (Jahrgang 1943), Professor
emeritus für Geologie an der Universität Tübingen für den Text und
Martin Meschede (Jahrgang 1957), Professor emeritus für Regionale und
Strukturgeologie an der Universität Greifswald für die Bilder, sprich
Grafiken. Bereits 1986 hatte Frisch mit Jörg Loeschke eine
"Plattentektonik" geschrieben, die drei Auflagen erlebte. Damit ist
klar: Frisch, der auf eine erfolgreiche Karriere zurückblickt,
zahlreiche Länder als Geologe bereist hat, kennt sich bestens aus und
ist damit DER "Mister Plattentektonik".
Einleitend (ab Seite 9) werden historische geodynamische Konzepte und
Theorien, wie die Geosynklinaltheorie (1873) von James Dana, die
Unterströmungstheorie (1906) von Otto Ampferer bis hin zur Theorie der
Kontinentverschiebung (1912) von Alfred Wegener erläutert. Erst in den
1960er Jahren setzte sich die Plattentektonik durch, deren Name von
den Lithosphärenplatten, die die Oberfläche des Planeten Erde
bedecken, stammt.
Wer glaubt, das hätte schon Wegener erkannt, muss seine Meinung
revidieren und auf Seite 12 entscheidende Details nachlesen: "Ein
wesentlicher Unterschied der Plattentektonik zu Wegeners Konzept
besteht darin, dass die Kontinente nicht als isolierte Schollen
wandern, sondern Teile von Platten sind, die auch ozeanische Kruste
und einen Anteil des Erdmantels umfassen." Demnach können
Lithosphärenplatten aus kontinentaler Kruste (ca. 30 bis 40 Kilometer
dick) oder aus ozeanischer Kruste (5 bis 8 Kilometer dick) bestehen.
Buchseiten Blick ins Buch: Perfekt ausgeführte Grafiken erleichtern
das Verständnis der vielfältigen Aspekte der Plattentektonik. Verlag
Schweizerbart Über die Natur der Plattengrenzen
Wesentlich, vor allem für das Verständnis der Gebirgsbildung, ist die
Art der Plattengrenzen. Abbildung 14 zeigt ein einfaches Schema:
Bewegen sich Platten auseinander, wie beim mittelozeanischen Rücken,
spricht man von einer konstruktiven Grenze. Wird eine Platte unter
eine andere geschoben, wie etwa Nazca-Platte des Ostpazifiks unter
Südamerika, ist es eine destruktive Plattengrenze oder
Subduktionszone. Bewegen sich zwei Platten seitlich aneinander vorbei,
handelt es sich um eine konservative Plattengrenze oder
Transformstörung.
Da bei all den genannten Bewegungen die Erde als Ganzes weder wächst
noch schrumpft, muss "die Addition aller Bewegungen die Summe Null
ergeben". Anders gesagt: "Global gesehen wird die Auseinanderdrift der
Platten an den konstruktiven Rändern von der Aufeinanderzubewegung an
den destruktiven Rändern kompensiert."
Obiges Beispiel zeigt, dass hier eine allgemein verständliche Sprache
und Bilder gefunden wurden, die auch einer breiteren Leserschaft
Zugang zur Thematik eröffnet. In insgesamt 13 Kapiteln werden alle
globalen Aspekte, die mit der Plattentektonik in Verbindung stehen,
wie mittelozeanische Rücken, Lagerstättenbildung bis hin zur
Entstehung von Gebirgszügen, Alpen und Himalaya (Seite 182) inklusive,
dargestellt.
Fazit: "Erdgeschichte – Die Geschichte der Kontinente, der Ozeane und
des Lebens" ist eine umfassende, chronologisch aufgebaute Darstellung
der Entstehung der Erde im Sinne einer historischen
Geologie. "Plattentektonik – Kontinentverschiebung und Gebirgsbildung"
stellt die komplexen Zusammenhänge in verständlicher Weise dar und
überzeugt durch perfekt ausgeführte Grafiken und Blockbilder. Dass
beide Bücher einander ergänzen, liegt nahe.
Thomas Hoffmann-2025-09-19, www.derstandard.de