Wer heute mit offenen Augen durch unsere Innenstädte spaziert, wird
auf Schritt und Tritt dem neben dem Holz natürlichsten Werkstoff
unserer Erde begegnen, dem Natur(bau)stein. Er findet sich zu unseren
Füßen als Bordstein, Natursteinpflaster, Treppenstufen oder
Bodenbelag, auf Augenhöhe und über unseren Köpfen als Mauerstein,
Fassadenverkleidung, Fenstersturz und -sims, Pfeiler- und
Säulenverkleidung, Dachabdeckung und vieles mehr. Wir entdecken ihn
aber auch als Bestandteil vieler Denkmäler, Statuen, Grabsteine
etc. und im Innenbereich vieler Häuser – z. B. als Fußboden,
Kaminverkleidung, Fensterbank, Küchenarbeitsplatte oder Waschtisch.
Besonders historische Bauten wie Schlösser, Burgen, Herrenhäuser und
Rathäuser sowie Brücken und Denkmäler errichtete man in unseren
Städten mit mittelalterlichem Stadtkern aus charakteristischen
Naturwerksteinen der näheren Umgebung – ein weiter Transport war
damals nur per Schiff möglich. So unterscheiden sich alte Stadtkerne
sehr häufig deutlich voneinander, während die moderneren Bauten sich
immer mehr gleichen – von einigen vorübergehenden Modeströmungen
abgesehen.
Während es von Berlin und einigen anderen Städten Deutschlands schon
„geologische Führer“ über die typischen Bau- und Denkmalgesteine gibt,
erschien mit dem vorliegenden Büchlein der erste Führer über die
Naturwerksteine im Stadtbild von Hannover. In 25 Kapiteln stellen die
Herausgeber und drei Mitautoren 35 der herausragendsten Bauwerke und
Denkmäler aus Naturstein aus der Hannoverschen Innenstadt vor –
weitere Bände zu diesem Thema sind geplant. Die Bauwerke und Denkmäler
werden hier – analog zur Petrographie ihrer Werksteine – in die drei
großen Gruppen Plutonite (4), Vulkanite (3) und Metamorphite (4), in
die beiden Sedimentit-Typen Sandsteine (17) und Kalksteine (6) und in
die Gruppe Pfl astersteine (1) eingeteilt. Den Schluss der Broschüre
bilden die beiden Kapitel Glossar sowie Quellen und weiterführende
Literatur. Der übliche Index fehlt!
Der Leser bekommt folgende Informationen über die 35 verschiedenen
Bauwerke bzw. Denkmäler: Denkmal- bzw. Bauwerkname, Straßenname,
äußeres Erscheinungsbild des Objektes, petrographischer Name des
verwendeten Naturwerksteins, Fundort, Gesteinsgenese, geologisches
Alter, geologischer Rahmen, mineralogische Zusammensetzung, Abbau,
Transport, Bearbeitung, Steinbruch-, Transport- und
Baugeschichte. Jedes Bauwerk bzw. Denkmal ist farbig abgebildet,
ebenso das zugehörige Gestein. Da das typische Gestein Hannovers ein
Sandstein ist – genauer gesagt sind es verschiedene Varietäten eines
Sandsteins aus der Unter-Kreide (der sog. Wealden-Sandstein) –,
erscheinen bei diesem Gesteinstyp die meisten Objekte. Ansonsten ist
das Verhältnis zwischen den einzelnen Gesteinstypen relativ
ausgewogen.
Die detaillierten geologischen und petrographischen Beschreibungen
sind gut verständlich formuliert. Tauchen Fachbegriffe auf, sind diese
für den Nichtfachmann direkt oder im umfangreichen Glossar am Ende des
Büchleins erklärt. Die Fotos wählte man gut aus, wenngleich einige
Gesteinsfotos etwas zu klein geraten sind. Auf der vorderen
Umschlaginnenseite findet der Leser eine farbig gehaltene
stratigraphische Tabelle, in die auch die Objektnummern eingetragen
sind. Der ausklappbare hintere Bucheinband enthält innenseitig eine
geowissenschaftliche Karte Deutschlands, in die die Herkunft der
beschriebenen Gesteine eingetragen ist, und auf dem ausgeklappten
Außenteil eine Innenstadtkarte mit allen Objektlokalitäten.
Während die einzelnen Objektbeschreibungen gut gelungen sind, enthält
das Glossar einige Fehler, die man in einer zweiten Auflage unbedingt
korrigieren sollte: Ammoniten gab es bereits im Devon; sie beschränken
sich nicht allein auf Jura und Kreide. (S. 72). Ein Tephrit ist kein
Alkalibasalt (S. 72), sondern ein eigenständiges vulkanisches Gestein
mit einem höheren Foidanteil als Alkalibasalt. Bimssteine sind meist
weiss oder hellgrau, nicht dunkel- bis hellgrau. Es gibt natürlich
auch grünliche und bräunliche Bimssteine. Eine klare Definition des
Begriffs fehlt. Der Verweis auf Ammonoidea beim Begriff Ceratiten
(S. 73) geht ins Leere. Fehlerhaft bzw. unzureichend erklärt sind die
Begriffe Granat, Granodioritisch, Granulit, Graphit, Larvikit,
Magmatisches Gestein, Peridotit, Phonolith, Regionalmetamorphose,
Schiefer, Serpentinit, Syenit und Tephrit.
Aufgrund ihrer handlichen Größe passt die Broschüre quasi als
„gesteinskundlicher und geschichtlicher Stadtführer“ in jede
Handtasche bzw. in jede nicht allzu kleine Jackentasche. Der bedingt
wasserfeste Umschlag erlaubt sogar einen Einsatz bei schlechtem
Wetter.
Das Büchlein eignet sich für Geowissenschaftler, Studenten der
Geowissenschaften, Architekten und Bauingenieure, Denkmalpfleger,
Baugeschichtler, Steinmetze, alle gesteinskundlich Interessierten,
aber auch für alle Hannoveraner sowie für die Besucher und Gäste der
Stadt. Dieser spannende, etwas andere Stadtführer sollte ebenso in
jeder gut bestückten Stadtbücherei und Fachbibliothek präsent sein.
CORNELIA SCHMITT-RIEGRAF, Münster i. Westf.
Zentralblatt für Geologie und Paläontologie Teil II Jg. 2011 Heft 5-6