Lange wurde ein deutschsprachiges Werk auf dem Sektor der Archäometrie
vermisst, das über die Spannweite der Möglichkeiten, archäologische
Funde und Befunde mithilfe naturwissenschaftlicher Methodik zu
bearbeiten, informiert. Die Herausgeber, Andreas Hauptmann und der
leider inzwischen verstorbene Volker Pingel, erweisen sich als
engagierte Verfechter einer gelebten Kooperation zwischen
Naturwissenschaftlern und Archäologen, die in Bochum durch gemeinsame
Veranstaltungen von Seiten des Deutschen Bergbau-Museums und der
Ruhr-Universität ihren Ausdruck findet. Das Ergebnis einer
archäometrisch ausgerichteten Vortragsreihe liegt nun als Sammlung von
Beiträgen renommierter Spezialisten auf den verschiedensten Gebieten
der Archäometrie vor.
Die Publikation wendet sich in erster Linie an Studenten, primär
solche der Archäologie, im weiteren Sinne auch an Studenten der
unterschiedlichen naturwissenschaftlichen Fächer.
Das macht sich an der Auswahl der Themenfelder bemerkbar, die
vorrangig eher den die Archäologen unmittelbar betreffenden
Themenfeldern wie Prospektion, Datierung und Umweltarchäologie
gewidmet sind. Mehr materialkundlich orientierte Untersuchungenan
archäologischen Objekten aus Glas, Metall etc. treten
verständlicherweise etwas in den Hintergrund. Jedes Themenfeld beginnt
mit einer kurzen Einführung. Der in fünf größere Abschnitte
gegliederte Band wird mit Fundmaterial organischen Ursprungs eröffnet,
genauer gesagt den menschlichen und tierischen »Überresten«, wogegen
botanisches Material lediglich im Rahmen der dendrochronologischen
Datierung Erwähnung findet. Pollenanalyse oder andere paläobotanische
Arbeitsfelder fehlen, ebenso wie Materialkundliches zu Bernstein,
Holz, gagatähnlichen Materialien oder anderem Fundgut organischen
Ursprungs. Die letztgenannte Gruppe eröffnet naturgemäß für die
Beantwortung archäologischer Fragestellungen derzeit wenig Potenzial
für neue Erkenntnisse, so dass ihr Fehlen weitaus besser erklärbar ist
als das des paläo-botanischen Arbeitsgebietes.
Doch dies ist leicht zu verzeihen angesichts der spannenden und
informativen Darstellungen beispielsweise zur Erforschung der
Mensch-Tierbeziehungen und zu den klassischen anthropologischen
Untersuchungsmethoden an menschlichem Skelettmaterial. Beide Bereiche
haben in den letzten Jahren neue Informationsebenen eröffnet, die erst
durch Entwicklungen in Isotopenchemie und Molekularbiologie ermöglicht
wurden. Die Auswertung alter DNA sowie Hinweise auf Lebensräume und
Ernährungs weisen bieten der Archäologie neue Forschungsansätze.
Themenfelder, die Restauratoren eher in ihrem unmittelbaren
Arbeitsgebiet ansprechen, sind vor allem im Kapitel 2 zu finden, in
dem archäologische Funde anorganischer Zusammensetzung unter primär
werkstofftechnischen Gesichtspunkten be - handelt werden. Mit Keramik,
Glas und Metall sind die wichtigsten mineralisch geprägten Fundgruppen
vertreten, auch wenn z.B. Glasperlen nur einen Bereich
archäometrischer Aktivitäten im Sektor »Glas« repräsentieren. Der
Beitrag zur Keramik umfasst, zumindest im Anriss, alle relevanten
Arbeitsschritte eines keramischen Materials von der Rohstoffherkunft
bis zum Gebrauch. Da sich die Spuren metallurgischer Tätigkeit im
archäologischen Befund über Reste an Aufbereitungs- oder Ofenanlagen
und vor allem Schlacken nicht ohne tiefere Kenntnis der
Verhüttungsvorgänge erschließen lassen, ist eine ausführliche
Darlegung der Erzeugung von Metall aus dem Erz, wie hier geschehen,
sinnvoll.
Der dritte Abschnitt, »Numerische Datierungsmethoden «, widmet sich
mit Beiträgen zur Radiokohlenstoffmethode und Dendrochronologie der
eher klassischen archäologischen Fragestellung der Da -
tierung. Einleuchtend dargestellt sind mithilfe von Beispielen aus der
Praxis der 14C-Methode die Probleme bei der Kalibrierung, ebenso deren
mögliche Lösungen z.B. durch das »wiggle-matching«. Für angehende
Archäologen dürften im Beitrag zur Dendrochronologie auch die
praktischen Hinweise zur Probenbeschaffenheit wertvoll sein. Noch
relativ jung ist die im dritten Beitrag des Kapitels dargelegte
Methode der Lumineszenzdatierung, sofern sie auf archäologisch
relevante Sedimente angewandt wird. Als verbreitete Methode der
Datierung keramischer Materialien erfreut sie sich jedoch schon lange
großer Beliebtheit und gehört unabdingbar in ein solches
Übersichtswerk.
An diesem Beitrag zeigt sich im Übrigen auch die gute Kooperation
innerhalb der deutschsprachigen Archäometrielandschaft, handelt es
sich doch bei dem Autor um den Herausgeber des gerade erschienenen
Konkurrenzwerkes aus dem Springerverlag (s.u.).
Das nächste Thema, die Geoarchäologie, stellt eines der jüngsten
Mitglieder der Archäometriefamilie dar und mit einem Beitrag über die
Rekonstruktion von Umwelt und Landschaft im Mediterraneum auch den
kürzesten der fünf Abschnitte.
Die Prospektionsmethoden bilden mit Beiträgen zu Luftbildarchäologie
und geophysikalischen Erkundungsmethoden den letzten und fünften
Arbeitsbereich des Buches und runden das gelungene Werk ab.
Die jeweiligen Aufsätze beziehen sich immer auf konkrete Fallbeispiele
und stellen somit stets den wichtigen Bezug zwischen praktischer
Anwendung und archäometrischer Methodik her. Hie und da wird es für
Archäologiestudenten, die allzu oft mit geringen
naturwissenschaftlichen Grundkenntnissen ausgestattet sind, ein wenig
schwierig, die spezifischen Problemstellungen um eine Methode zu
erfassen. Dieses Manko ist sicher nicht durch die Herausgeber und
Autoren zu beheben. Ein Glossar wäre hilfreich gewesen, das auch das
umfangreiche Inhaltsverzeichnis nicht zu ersetzen vermag. Klare
Strukturen der Beiträge in Kombination mit instruktiven Abbildungen
erleichtern jedoch das Verständnis und den interdisziplinären Dialog,
in den die Studenten hoffentlich im Rahmen ihrer Abschlussarbeiten aber
besonders während der Berufspraxis eintreten werden.
Mit diesem Band und der 2007 erschienenen »Einführung in die
Archäometrie« aus dem Springer-Verlag mit Günther Wagner als
Herausgeber sind in kurzer Zeitfolge zwei schöne Übersichtswerke in
deutscher Sprache zu archäometrischen Methoden und ihren Anwendungen
erschienen.
Das von den beiden Bochumern Hauptmann und Pingel herausgegebene Werk
wird man sicher häufig in die Hand nehmen – gut, dass es zu einem
erschwinglichen Preis von unter 50 € zu haben ist und der Verlag sich
für einen festen Einband entschieden hat.
Susanne Greiff
Restaurierung und Archäologie Jahrgang 1 (2008), S. 113-114