Abstract

Spiriferen des Oberharzer Unterdevons

[Spirifers in lower Devonian rocks of the Upper Harz Mtns.]

Simon, Wilhelm

Kurzfassung

Dahmer hat den Nachweis erbracht, daß die seit Beushausen als Äquivalent des Koblenz-Quarzits aufgefaßten Schalker Schichten des Oberharzes in Wirklichkeit dem oberen Ober-Ems (Kondel-Gruppe Solles) angehören. Die darunter folgenden nessigi-Schichten enthalten zwar keine Kondel-Leitformen. doch eine Anzahl Arten, die zumindest ihr Hauptlager in der Kondel-Gruppe haben, dagegen keine einzige Leitform für tieferes Ober-Ems (Laubacher bzw. Wiltzer Schichten). Durch Mollusken sind die nessigi-Schichten mit den (nur) höchsten Remscheider Schichten verzahnt, die von Äquivalenten der Heisdorfer Schichten (obere Kondel-Gruppe) überlagert werden. Remscheider Spiriferen, die im Rheinland vor Beginn der Kondel-Zeit erlöschen (humilis Scupin, incerlus Fuchs, depressus Fuchs) fehlen in den nessigi-Schichten. — Allseitiges Abwägen der Fauna zwingt uns, die nessigi-Schichten als tiefste Abteilung der Kondel-Gruppe aufzufassen. Das heißt, der gesamte Spiriferen führende Kahleberg-Sandstein, einst „Spiriferen-Sandstein“, des Oberharzes (nessigi-, Schalker, Festenburger einschließlich des unterdevonischen Anteils von Beushausens Speciosus-Schichten) entspricht Solles rheinischer Teilstufe des Spirifer intermedius maturus Spriestersbach. Die Spiriferen-Gemeinschaft des Kahleberg-Sandsteins ist eine verarmte mittelrheinische Kondel-Fauna, die Spiriferen-Gemeinschaft des Hauptquarzits (Vorposten rheinischer Fazies im Hercynfazies-Bereich jenseits der Acker-Bruchberg-Linie) ist noch weiter verarmt. Die Gleichsetzung des Kahleberg-Sandsteins mit wenigstens einem Teil des Hauptquarzits hat sich eingebürgert, obwohl letzterer nach den Listen der letzten 60 Jahre zwar den maturus-Vorläufer arduennensis Schnur (tieferes Ober-Ems), nicht aber maturus (oder andere sichere Kondel-Alten) führen soll. Tatsächlich liegt maturus jedoch ebenfalls vor (Ventralklappen in Slg. Clausthal). [Eine Revision der Hauptquarzit-Fauna ist vorgesehen. ] Sp. intermedius maturus hat im Oberharz sein Hauptlager in einer wenige Meter mächtigen Folge (mit verarmter Festenburger Fauna) unmittelbar am Dadi des Unterdevons. Er tritt hier stellenweise bankbildend auf und ersetzt den in den Festenburger Schichten gleichfalls ungemein häufigen Sp. paradoxus Schlotheim. Doch ist maturus nicht auf die genannte Folge beschränkt, sondern findet sich, wenn auch sehr selten, schon in den Festenburger Schichten zusammen mit paradoxus (was schon Halfar beobachtete, danach jedoch in Vergessenheit geriet). Allerdings machen die Festenburger Stücke einen altertümlichen Eindruck und zuweilen liegt die Bezeichnung cf. arduennensis nahe. Derartige morphologische Zwischenformen finden sich gelegentlich auch unter der maturus-Population am Hangenden. Ebenso ist die Bestimmung des zweiten wichtigen Hysteroliten, paradoxus, nicht selten schwierig. Die Harzer Exemplare sind von den nessigi-Schichten an ausgeprägt langflügelig; langflügelig ist der typische paradoxus (Schlotheims Urstück stammt vom Rammelsberg bei Goslar); im Hauptquarzit und wohl auch im Rheinischen treten andere Varietäten auf, deren Abgrenzung noch aussteht. In den Festenburger Schichten nun gewinnt paradoxus eine große Variationsbreite, und zwar in wesentlichen Merkmalen in Richtung auf intermedius maturus. Wäre aus dem Rheinland nicht die im Siegen erfolgte Aufspaltung in die Reihen primaecus-hercyniae-paradoxus und primaevus-latestriatus-arduennensis-intermedius bekannt, so käme man hier in Versuchung, intermedius an den erlöschenden paradoxus anzuschließen und die Umwandlung durch eine lückenlose morphologische Übergangsreihe zu belegen. Ursache dieser Täuschung ist das beträchtlich verspätete Einwandern von intermedius maturus und seiner genetischen Vorform oder konservativen Nebenform (wie sie in der unteren Kondel-Gruppe am Rhein ähnlich auch von Solle beobachtet wurde). Weiter ergibt sich aus dieser Verzögerung des Einwanderns eine stratigraphische Fehlerquelle. Läge nicht das Zeugnis von Mollusken und Trilobiten und der Aufschluß des Schichtenverbandes vor, so würde man auf Grund der Hysteroliten die Festenburger Schichten nicht als obere Kondel-Gruppe, sondern als Grenze Laubach/Kondel-Gruppe beurteilen, — eine Warnung vor Überschätzung der chronologischen Zuverlässigkeit von Brachiopoden, besonders von Spiriferen, allgemein von sessilen Tieren.