Die Autoren um G. D. KOUFOS berichten über die in den Jahren 1997-2003
ausgegrabene obermiozäne Wirbeltierfundstelle Perivolaki in
Thessalien. Die Grabungskampagnen lieferten insgesamt ca. 2.000 Funde,
überwiegend Großsäuger und einige Vögel. Die Prospektion nach
Kleinsäugern und anderen Kleinwirbeltieren gab keine Hinweise auf
entsprechende Funde. Der vorliegende Band ist eine sorgfältige
Dokumentation der Fundstelle, des geologischen 156 Paläontologie
allgem. Rahmens, der Fauna und ihrer stratigraphischen wie
chronologischen Einordnung, sowie eine paläoökologische und
paläobiogeographische Interpretation. Er besteht aus elf Beiträgen.
SYLVESTROU & KOUFOS (1. Stratigraphy and locality) beschreiben die
Lage der Fundstelle und unterscheiden drei lithostratigraphische
Einheiten. Sie ordnen die neogenen und quartären Sedimente sechs
verschiedenen Ablagerungsmilieus zu.
BOEF & KOUFOS (2. Aves) analysieren die aus drei Knochen bestehende
Avifauna. Sie gehören zu der neuen Meergansart Branta thessaliensis
n. sp. und einem nicht näher bestimmbaren Rebhuhn (Perdicinae
indet.). Als Holotypus nennen die Autoren ein Distalende eines Humerus
und ein Proximalende einer Ulna. Das ist nur möglich, wenn beide zum
gleichen Individuum gehören. In der Diagnose nennen die Verf. nur
Merkmale des Humerus.
KOUFOS (3. Primates, 4. Carnivora, 5. Proboscidea, Rhinocerotidae)
beschreibt einige Unterkieferbruchstücke und postcraniale Knochen von
Mesopithecus cf. delsoni und diskutiert die geographische und
stratigraphische Verbreitung der Gattung in Griechenland. Die
logarithmischen Verhältnisdiagramme (Abb. 4 und 5) sind
unverständlich, da die Bezugswerte nicht erklärt werden. Die
Carnivorenfauna ist mit acht Taxa erstaunlich divers und zeigt
Ähnlichkeiten mit den Faunen von Vathylakkos, Pikermi und Samos. Ein
Milchzahn von Deinotherium sp. und drei Funde Ceratotherium
cf. neumayri sind die spärlichen Nachweise von Rüsseltieren und
Nashörnern.
VLACHOU & KOUFOS (6. Equidae) weisen drei Arten von Hipparion nach:
H. dietrichi, H. macedonium und H. cf. mediterraneum. SYLVESTROU &
KOSTOPOULOS (7. Suidae) dokumentieren die Gebissreste von Microstonyx
major.
KOSTOPOULOS & KOUFOS (8. Giraffidae) beschreiben und vergleichen die
Gebisse und postcranialen Knochen von Palaeotragus rouenii und von
Helladotherium duvernoyi.
KOSTOPOULOS (9. Cervidae and Bovidae) analysiert die Cerviden und
Boviden. Von den Hirschen gibt es nur eine Oberkieferzahnreihe von
cf. Lucentia sp. Die Bovidenfauna dagegen ist mit zehn Taxa
ausgesprochen divers. Prostrepsiceros, Nisidorcas und Tragoportax sind
mit 70% Anteil an der Boviden-Gemeinschaft die dominierenden
Formen. Die Boviden von Perivolaki dokumentieren ein
Entwicklungsstadium zwischen Faunen aus dem unteren und mittleren
Turolium und sprechen für eine Korrelation mit der Säugetiereinheit MN
12. Durch Einflüsse aus dem Norden und Osten unterscheidet sie sich
deutlich von der Pikermi-Fauna.
Nach acht Beiträgen mit Dokumentation und Analyse einzelner
Faunengruppen behandeln die beiden letzten synthetisch die
Gesamtfauna. KOUFOS, Sen., KOSTOPOULOS, SYLVESTROU & VLACHOU
(10. Geochronology) diskutieren die Biostratigraphie und
Magnetostratigraphie der Fundstelle. Ihre Analyse der
biochronologischen Daten zeigt den intermediären Charakter der Fauna
von Perivolaki zwischen den späten unterturolischen Faunen des Axios-
Tales und den mittelturolischen Faunen von Pikermi und Samos. Der
FaunenLehrbücher, zusammenf. Darstellungen, Bibliographien 157
vergleich wird mit dem Simpson-Index quantifiziert. Die
Faunengruppierungen sind mittels Faktoren- und Clusteranalyse
ermittelt und in Diagrammen dargestellt. Die magnetostratigraphische
Untersuchung von fünf im Gebiet aufgeschlossenen Profilen ermöglicht
die vorläufige Verbindung eines zusammengesetzten
magnetostratigraphischen Standardprofils für Perivolaki mit der GPTS
(geomagnetic polarity time scale) und eine Korrelation mit dem Chron
C3Br.2r. Dies entspricht einem Alter zwischen 7,3 und 7,1 Millionen
Jahren.
Abschließend rekonstruieren KOUFOS, MERCERON, KOSTOPOULOS, VLACHOU &
SYLVESTROU (11. Palaeooecology and palaeobiogeography) die
paläoökologischen Rahmenbedingungen unter Anwendung verschiedener
statistischer Methoden. Die Verf. analysieren die Diversität der
Fauna von Perivolaki anhand verschiedener Indices (Simpson,
Shannon-Weaner, Whittacker). Die Analyse ergibt ein ausgeglichene und
homogene Fauna mit einer normalen Verteilung der Taxa. Die
Nahrungspräferenzen der verschiedenen Taxa werden mittels Microwear
der Ungulatenzähne untersucht. Die Analysen ergeben für Perivolaki
einen ehemaligen Lebensraum mit buschiger und strauchiger Vegetation
sowie mit bewaldeten Arealen. Für einen relativ offenen ehemaligen
Lebensraum spricht die Dominanz bestimmter Boviden und Equiden. Die
Ergebnisse kamen mittels multivariater Analysen zustande. Die
faunistische Ähnlichkeit wird mit dem Simpson- Index quantifiziert und
ergibt engere Beziehungen der Perivolaki-Fauna zu Faunen aus dem
Axios-Tal als zu den Pikermi-Faunen von Süd-Griechenland.
Insgesamt ist die Arbeit in allen Beiträgen sorgfältig dokumentiert
und mit modernen Methoden analysiert. Diese Monographie ist eine
wichtiger Beitrag zur Säugetierpaläontologie des jüngeren Miozäns und
wird für zukünftige Arbeiten eine wertvolle Vergleichsgrundlage
sein. Von großem Idealismus der Grabungsteilnehmer und ihrer
Begeisterung für die Paläontologie zeugt auch, dass sie die
Geländeaufenthalte zum großen Teil aus eigenen Mitteln und mit nur
minimaler öffentlicher Förderung bestritten.
R. ZIEGLER
Zentralblatt f. Geo. u. Pal., Jg. 2007, H. 1-2