Bespr.: der Aufschluss Ausgabe 5/6, S. 270 nach oben ↑
Schon das Titelblatt der Silur-Monographie, auf dem die Titelseite der ersten Ausgabe von "The Silurian System" (MURCHISON, 1839) abgedruckt wurde, zeigt auf, wie viele Generationen von Geologen und Paläontologen sich bereits mit dem Silur beschäftigt haben. In der vorliegenden Monographie wird nun der aktuelle Stand der Silur-Forschung in Deutschland zusammengefasst. Die zunehmende Komplexität eines solchen Projekts drückt sich nicht zuletzt darin aus, dass nicht weniger als 33 Wissenschaftler unter Federführung von Thomas HEUSE und Dietmar LEONHARDT an diesem Band mitgearbeitet haben.
Dem Vorwort wurde eine Deutschland-Karte beigefügt, auf der die regionalen Einheiten, die in der Monographie behandelt werden, markiert sind, was eine rasche Orientierung ermöglicht. In den Kap. 2 bis 4 stehen Fragen der Silur-Stratigraphie im Vordergrund. Kap. 2, in dem Aspekte der Bearbeitungsgeschichte des Silurs thematisiert werden, zeigt beeindruckend auf, wie sich die Auffassungen über die Dauer des Silurs von HOLMES (1959) bis GRADSTEIN et al. (2004) von 40 auf 27,7 Mio. a verschoben haben. Nach der aktuellen zeitlichen Einstufung (Stand: 2004) wird für das Silur ein Zeitraum von 443,7 bis 416,0 Mio. a angegeben. In Kap. 3 wird erläutert, dass Deutschland während des Silurs vier plattentektonischen Einheiten angehörte: im Bereich der Festlandsmasse Laurussia im Norden sind das Baltica sowie Avalonia, während die Mitteldeutsche Kristallinzone und Armorica vom Südkontinent Gondwana abzuleiten sind; ozeanische Suturen trennen Armorica und Avalonia auf der einen und Avalonia und Baltica auf der anderen Seite voneinander. Als klassisch zu nennende stratigraphische Gliederungsmethode im Silur gilt die Graptolithen-Gliederung, die in Kap. 4 behandelt wird.
Mit knapp einhundert Seiten entfällt mehr als die Hälfte des Umfangs der Monographie auf die Besprechung der regionalen Einheiten, die in Kap. 5 vorgestellt werden. Hilfreich für den Leser ist dabei ein wiederkehrendes Schema, das einen Vergleich der behandelten Einheiten erleichtert. Auf die Einleitung, in der die jeweilige regionale Einheit charakterisiert wird, folgt eine Darstellung der ausgeschiedenen stratigraphischen Einheiten (Formationen) nach folgendem generellen Schlüssel: Symbolik, frühere Beschreibungen/Definitionen, heutiger Stand der Definition, Namengebung, Lithologie, Verbreitung, Untergrenze, Obergrenze, Mächtigkeit, spezielle stratigraphische Gliederung, besondere Korrelationshorizonte, lithologisch-fazielle Besonderheiten, Fazies- und Sedimentationsbedingungen, Magmatismus, Fossilführung, Deformation und Metamorphose, radiometrische Daten, stratigraphisches Alter und Literaturhinweise. Es werden folgende regionale Einheiten, die zum Teil in Untereinheiten weiter untergliedert werden können, unterschieden: 1) Vorland der Rügen-Kaledoniden (Adlergrund), 2) Venn-Antiklinale, 3) nördliches Rheinisches Schiefergebirge, 4) südöstlicher Hunsrück (Soonwald), 5) Taunus, 6) Ostrand Rheinisches Schiefergebirge, 7) Harz, 8) Nördliche Phyllitzone im Abschnitt Aken- Hundeluft, 9) Spessart, 10) Ruhlaer Kristallin, 11) Thüringisch- Fränkisches Schiefergebirge, 12) Südlicher Frankenwald und Münchberger Deckenstapel, 13) Fichtelgebirge und Steinwald, 14) Vogtland, 15) Erzgebirge (Erzgebirgsnordrandzone), 16) Mittelsachsen (Nordostteil des Zentralsächsischen Lineaments), 17) Elbezone, 18) Lausitz (Görlitzer Schiefergebirge), 19) Nordwestsachsen, 20) Untergrund Süddeutsche Scholle (Fränkische Muldenzone), 21) Oberpfälzer Wald/Bayerischer Wald und 22) Schwarzwald.
In Kap. 6, das insbesondere den Fossiliensammler interessieren dürfte, werden die im Silur von Deutschland nachgewiesenen Faunen und Floren abgehandelt: Graptolithen, Conodonten, Ostrakoden, Tentakuliten, Brachiopoden, Trilobiten, Crinoiden, Bivalven, Gastropoden, Nautiloideen, Eurypteriden, Phyllocariden, Radiolarien, Foraminiferen, Chitinozoen, Acritarchen, Muellerisphaeriden/ Mazuelloiden, Sporen und Makrofloren. Tabellarische Übersichten geben rasch Auskunft darüber, welche Florenund Faunenelemente in den einzelnen regionalen Einheiten zu erwarten sind, während auf Tafeln die stratigraphisch wichtigsten Fossilgruppen (Graptolithen, Conodonten und Ostrakoden) abgebildet werden. Das abschließende Kap. 7 ist der Geochemie gewidmet. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis lädt je nach Interessengebiet zu weiterführenden Studien ein.
Auch zu diesem Band können Herausgeber und Autoren, die mehrheitlich an Universitäten, Landesämtern oder Museen beruflich tätig sind und die ihre Arbeit in der Subkommission neben ihrer normalen Tätigkeit oft über viele Jahre hinweg sozusagen ehrenamtlich ausüben, nur beglückwünscht werden. Mit der Silur-Monographie wird insbesondere dem in unterschiedlichen Bereichen tätigen Geowissenschaftler ein Leitfaden an die Hand gegeben, der ihm den neuesten Kenntnisstand über diesen Zeitabschnitt der Erdgeschichte in Deutschland umfassend und in übersichtlicher Form erschließt. Doch wird auch der fortgeschrittenere Fossiliensammler und der an regionaler und historischer Geologie interessierte Laie manchen Nutzen aus diesem Band der "Stratigraphie von Deutschland" ziehen.
Norbert HAUSCHKE, Halle (Saale)
der Aufschluss Ausgabe 5/6, S. 270