Werner KÄSS legt 12 Jahre nach der Publikation seines Buches über
Geohydrologische Markierungstechnik die zweite, überarbeitete und
erweiterte Auflage vor; dass die Erstauflage nach 10 Jahren vergriffen
war, ist einer der Gründe für den Neudruck; der andere Grund sind die
Verbesserung der Markierungstechniken und der Auswertungsverfahren von
Markierungsversuchen. Wie groß das internationale Interesse an
hydrogeologischen Markierungstechniken ist - in diesem Fall an den
Erfahrungen des Autors KÄSS - belegt die unverändert nachgedruckte
englische Fassung im Jahr 1998.
Markierungsmethoden benutzt man in der Hydrogeologie, um die Wege des
Sicker- und des Grundwassers im Boden und Gestein kennen zu lernen und
um die Fließgeschwindigkeit und die Aufenthaltsdauer im Untergrund zu
beschreiben. Dabei gibt man Fremdstoffe (Tracer) in das Wasser ein,
die weder mit dem strömenden Medium, dem Wasser, noch mit dem
durchströmten Untergrund reaktive Veränderungen eingehen und so an den
Austritts- bzw. Entnahmestellen sicher nachgewiesen werden können. Von
hier aus lässt sich ein Brückenschlag zu einem Hauptproblem unserer
heutigen Umwelt machen, nämlich das Einbringen von - anthroprogenen -
Schadstoffen in Böden und in Gewässer. Solche Schadstoffe können -
wenn sie nicht reaktiven Prozessen oder Sorptionen unterliegen - wie
Tracer wirken; dann lassen sich auch mit Einsatz der hydrogeologischen
Markierungstechniken das Transportverhalten und die Ausbreitung von
Schadstoffen im Grundwasser exakter nachweisen.
W. KÄSS konnte 13 weitere Autoren für das vorliegende Handbuch
gewinnen, allesamt ausgewiesene Spezialisten für die Thematik
Markierungstechnik und durch ihre Publikationen international gesuchte
Kooperationspartner. Mit diesem Team konnte er ein grundlegendes,
umfassendes Handbuch vorlegen, das auf dem neuesten Stand der
Forschungsergebnisse in der Markierungstechnik beruht, das allen
Detailfragen mit besten Lösungsansätzen nachgeht und das wohl auch
bald - wie schon die Erstauflage - vergriffen sein wird.
Der Aufbau des Werkes ist konsequent durchgeführt. In der Einleitung
erfolgen Begriffsbestimmungen für künstliche und ``natürliche''
Markierungsstoffe. Im Kapitel ``Markierungsmittel'' (S. 14-268) werden
alle bekannten und zusätzlich die in jüngster Zeit eingesetzten neuen
Tracer akribisch vorgestellt. Vorangesetzt werden die
Fluoreszenzstoffe, die bekanntesten und die am häufigsten genutzten
Tracer; dazu gehören das Uranin, das schon vor über 100 Jahren zum
Nachweis von Strömungsrichtungen des Grundwassers bekannt war. Für
alle Tracer beschreibt man die physiko-chemischen Charakteristika, ihr
Lösungsverhalten, ihre Farbgebung (vgl. dazu Farbtafel I, S. 521), die
jeweilige Dotierungsmenge sowie die Nachweistechnik und belegt sie
meist mit Anwendungsbeispielen. Hervorragende Abbildungen ergänzen die
Textaussagen - nahezu auf jeder zweiten Seite findet man eine
Abbildung - und belegen sie, was die Lektüre des gesamten Buches
spannend macht und das Interesse des Lesers stetig steigert. Da sieht
man gern darüber hinweg, dass sich - wenn auch äußerst selten - ein
Druckfehler einstellt oder dass sich eine kleine Nachlässigkeit
einschleicht wie die fehlende Dimension auf der Ordinate bei Abb. 7.
Neben den Farbstoffen stellt der Koautor BEHRENS außer Salzen und
Tensiden im Unterkapitel 2.4 (S. 144-161) die radioaktiven und die
aktivierungsanalytischen Tracer eingehend dar, wobei er besonders auf
die Messungstechnik und auf die Anwendung dieser eleganten, aber
aufwändigen Markierungsmethode eingeht. Besonderes Interesse verlangt
die Beschreibung von Triftkörpern, die man bei Tracerversuchen
benutzt; dazu zählt die umweltschonende Nutzung von Sporen, die
Anwendung von Bakterien und Phagen und deren Einsatzgebiete. Ein
überraschendes Verfahren ist der Einsatz der Geobombe, ein
Schallwellen erzeugender Schwimmkörper in weitlumigen Karsthohlräumen
(S. 233).
MOSER beschreibt aus seinen langjährigen Arbeiten mit Umweltisotopen
(z. B. Deuterium, Tritium, 13C und 14C) Vorkommen, Verhalten und
Nachweis dieser bei Markierungsversuchen im Wasser verwendeten
Isotope; daran schließt er spezielle Auswerteverfahren der
Messergebnisse an und macht überzeugende Aussagen über
Grundwasserverweilzeiten und zur Grundwasserdatierung (S. 238-259).
KÄSS stellt mit dem Kapitel Vorbereitung und Durchführung von
Markierungsversuchen (S. 269-289) die Ergebnisse seiner Lebensarbeit
über diese Thematik in geraffter, aber doch alle Teilbereiche - z. B.
Rechtsfragen, Auswahl der Eingabe- und Beobachtungsstellen und des
Markierungsmittels bzw. seiner Eingabemenge - erfassender Form vor.
Text und die beigefügten Abbildungen und Themenkarte verlocken dazu,
sich jetzt selbst einmal an einem Markierungsversuch zu beteiligen.
Hieran schließt sich folgerichtig die von SCHULZ in seinen
langjährigen Forschungen erarbeitete Auswertung von
Markierungsversuchen (S. 291-334) an. Eingehend erläutert er die
physikalischen Grundlagen des Stofftransports im Untergrund -
Dispersion, räumliche und zeitliche Verteilung von Tracerwolken - und
geochemische Reaktionen beim Stofftransport mit Verteilungskoeffizent
und Retardationsfaktor, Abbaureaktionen, Kationenaustausch-Reaktionen
und Lösungs- und Fällungs-Reaktionen; alles Vorgänge, die beim
Stofftransport ablaufen und ohne deren vollständige Kenntnis eine
problembezogene Auswertung nicht fehlerfrei möglich ist. Die
Auswertung von Durchgangskurven von Tracern ermöglicht die Ermittlung
der Abstandsgeschwindigkeiten, der Dispersivitäten und der
geochemischen Reaktionen.
Das Werk schließt mit dem umfangreichen Kapitel Anwendungsund
Auswertebeispiele (S. 335-473). Hier haben fast alle der Ko- Autoren
aus ihrem jeweiligen ganz speziellen Forschungsgebiet - u. a. auch
aus Ingenieurwesen, Gletscherabfluss, Oberflächengewässern,
Tiefenwässern - Beispiele für die Tracer-Technik beigetragen, wofür
Lehrbücher, zusammenfassende Darstellungen, Bibliographienmm 777
02/Paläontologie S. 733-792 18.04.2006 16:55 Uhr Seite 777 ihnen wegen
der fachlich klaren Beschreibung der einzelnen Fälle und wegen der
Beweisführung für die Lösungsansätze großer Dank gebührt. Nach dem
Studium aller vorangestellten Kapitel liest man diese Präsentation der
Beispiele mit größtem Genuss. Die Lektüre von KÄSS’ Handbuch regt
jeden Leser zur Mitarbeit an. Seite für Seite liest man mit
wachsender Spannung. Dazu trug nicht nur die ausgezeichnete
Kooperation des Autorenteams bei, sondern auch der Verlag
Borntraeger/Schweizerbart durch seine Bereitschaft, ein solch
herausragendes Handbuch in dieser ansprechenden Form zu publizieren.
K. Poll
Zentralblatt für Geologie und Paläontologie Teil II Jahrg. 2005 Heft 5/6