In der Reihe „Studienbücher der Geographie“ erscheint ein in der
deutschsprachigen Fachliteratur schon länger vermisstes Werk über den
Karst bzw. das Karstphänomen und dadurch geprägte Landschaften. Eines
der letzten deutschsprachigen Werke lag von A. Bögli mit seiner
„Karsthydrographie und physische Speläologie“ aus dem Jahre 1978 vor,
während aus dem angloamerikanischen Raum seit längerem
zusammenfassende Bücher bekannt waren, die ausführlich auch
hydrogeologische Aspekte betonten. Es war nun für den Rezensenten von
Interesse, ein von einem ausgewiesenen Geomorphologen
bzw. Karstmorphologen verfasstes Buch zum Thema Karst zu lesen.
Die Herausgeber der Schriftenreihe betonen im Vorspann die Wichtigkeit
der didaktischen Verarbeitung und einer klaren Darstellung. Die Reihe
soll dem Studierenden, aber auch Lehrern des Faches zum Eigenstudium
und zur Fortbildung dienen. Der Umfang des Buches und die Auswahl der
behandelten Teildisziplinen zum Thema Karst zeigen, dass der Stoff in
sehr straffer Form dargeboten werden musste. Der Autor konnte dabei
auf den Fundus seiner langjährigen Erfahrung als Universitätslehrer
zurückgreifen.
Zunächst erfolgt eine Begriffsklärung und die Charakterisierung von
Karst als Gegenstand einer multi- und interdisziplinären Wissenschaft
(Kap. 1). Ein kurzer Abriss des Verhältnisses von Mensch und Karst und
der sich daraus ergebende Niederschlag in der Literatur zeigt, wie
frühzeitig sich der Mensch mit dem Phänomen Karst auseinander gesetzt
hat bzw. auseinander setzen musste. Älteste Zeugen menschlicher
Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Karst sind Funde in Höhlen, die
der Mensch zu seinem Schutz aufsuchte oder zu seiner Wohnstätte machte
– weltberühmt und als Archiv der Menschheitsgeschichte zu werten: die
Wandmalereien in den Höhlen von Lascaux in Südfrankreich oder in
Altamira in Nordspanien. Eine nähere fachlich-naturkundliche
Auseinandersetzung mit dem Karstphänomen kann sowohl in der
europäischen als auch in der vorderasiatischen Antike festgestellt
werden, in jener Zeit hauptsächlich auf rein deskriptiver Basis. Ab
dem 17. Jahrhundert werden immer mehr Beschreibungen und
naturwissenschaftlich-technische Erklärungen bekannt, die sich mit
Wasserversorgung oder der Gewinnung von Kulturland im Karst
beschäftigen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts beginnt auch die
Entwicklung zur eingangs schon erwähnten Multi- und
Interdisziplinarität bei der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem
Karst als spezifischem Landschaftstyp u. a. mit den Teilaspekten
Morphologie, Hydro(geo)logie, Ökologie oder Anthropogeographie
(Kap. 2).
Eine geraffte Übersicht bietet der Autor zu den petrographischen
Grundlagen zum Karstphänomen (Kap. 3), wobei neben Karbonatgesteinen
als überwiegendem Träger des Karstphänomens im engeren Sinne auch alle
jene Gesteinsarten mitbehandelt werden, die in der älteren Literatur
ursprünglich nicht als Karstgesteine (Salzgesteine, Sulfatgesteine,
Silikatgesteine) angesprochen wurden, später jedoch wegen der
Ausbildung entsprechender Formen (der Autor spricht hier konsequent
von karst-konvergenten Formen) in diesen Kanon aufgenommen wurden. Die
usprünglich als Nicht-Karstgesteine klassifizierten Gesteinsarten,
welche die Entwicklung karst-konvergenter Formen zulassen, teilweise
auch zu ähnlichen Landschaftstypen im morphologischen Sinn führen
(z. B. mit unterirdischer Entwässerung etc.), wurden als Träger eines
Pseudokarstphänomens gewertet. Die wissenschaftlich-terminologische
Diskussion dazu kann auch heute noch nicht als vollständig
abgeschlossen bezeichnet werden. Das Kapitel bietet auch eine Fülle
von praktischen Übersichten wie z. B. Schemata zur Unterscheidung der
Gesteinsarten, Übersichten über ihre geographische Verbreitung und
Hinweise zu den hydrogeochemischen Prozessen, denen die Karstgesteine
ausgesetzt sind.
Die karsthydrographischen Phänomene und ihre Zusammenhänge (Kap. 4),
die – weil oftmals besonders eindrucksvoll bei Flussschwinden oder
Karstquellen – schon in der Antike Gegenstand verschiedenster
Landschafts- und Naturbeschreibungen waren, werden nach dem Typus des
Karstgesteins gegliedert, in dem die Wasserbewegung stattfindet. Eines
der konstitutiven Merkmale einer Karstlandschaft ist die überwiegend
unterirdische Entwässerung. Niederschlagswasser dringt an
Einzelpunkten (Schwinden etc.) konzentriert in den Untergrund ein und
unterliegt verschiedenen Transportprozessen, aber auch einer
spezifischen chemisch-physikalischen
Gestein-Wasser-Wechselwirkung. Fließ-, Lösungs- und
Stofftransportprozesse charakterisieren die Karsthydrographie im
Untergrund in Abhängigkeit vom Trägergestein und seinem strukturellen
Inventar. Weitreichende Karstwasserzusammenhänge, nachgewiesen in
zahllosen Markierungsversuchen mit künstlichen Tracern, sind dabei
Ausdruck einer netzwerkartigen Entwässerungsstruktur. In der
wissenschaftlichen Literatur fand die Diskussion darüber zunächst (am
Beginn des 20. Jahrhunderts durch A. Grund und F. Katzer) einen
Höhepunkt in der hitzigen Debatte um das Karstgrundwasser. Die
zunächst qualitativ-beschreibenden Diskussionsbeiträge wichen später
detaillierten physikalisch-chemisch und hydraulisch orientierten
Betrachtungsweisen mit einer Fülle an Beobachtungsmaterial, das die
Komplexität der unterirdischen Entwässerung im Karst, die Genese der
Entwicklung der Entwässerungsstrukturen sowie den Einfluss
langfristiger klimatogener Prozesse deutlich machte. Der Autor zeigt
dies an Beispielen aus verschiedenen Klimazonen. Ein Abriss über das
Karstwasser als Ressource samt der verschiedenen Gefährdungen, die in
der Natur der typischen Karstentwässerung liegen, beschließt dieses
Kapitel.
Besonders breiten Raum (129 Seiten) wird den Oberflächenformen im
Karst gewidmet (Kap. 5). Neben der Beschreibung von Einzelformen
bzw. Formengruppen (Karren, Dolinen, Poljen etc.) mit einer Fülle an
gelungenem Bildmaterial sowie instruktiven Schemata geht der Autor
auch auf die umfangreich entwickelten Methodiken zur
Kalkabtragsmessung ein, wobei Mess- und Berechnungsergebnisse im
Vergleich aus verschiedenen Karstlandschaften (in unterschiedlichen
Klimaten) der Erde geboten werden.
In einem weiteren Kapitel (Kap. 6) geht der Autor auf karstökologische
Besonderheiten ein, insbesondere auf karsttypische Bodenbildungen
(z. B. Terra rossa) oder mikroklimatische Verhältnisse in diversen
Hohlformen an der Erdoberfläche (z. B. Kaltluftseen mit
Wintertemperaturen von bis zu –56 °C). Spezifische Bodenbildungen und
damit verknüpfte Vegetation waren und sind in den klassischen
Karstlandschaften der Dinariden Basis ackerbaulicher Aktivitäten.
Zum Abschluss versucht der Autor noch einen Ausblick (Kap. 7) und
kommt zum Schluss, dass es nach wie vor eine Fülle von Arbeiten aus
Karstgebieten bzw. über den Karst im Allgemeinen mit teilweise
überraschenden Ergebnissen gibt. Dies illustriert er an einzelnen
Beispielen wie Artefaktfunden aus Höhlen der Schwäbischen Alb und an
Tauchversuchen im Blautopf bei Blaubeuren, wo nach über 1 km
Tauchstrecke 2007 trockene Höhlenteile gefunden werden
konnten. Interessant ist auch ein ingenieurgeologisch-technisches
Projekt, das im Rahmen eines Verbundprojektes von universitären
Partnern der Universität Karlsruhe und industriellen Partnern auf
Südjava im bekannten Kegelkarstgebiet des Goenoeng Sewu durchgeführt
wurde. Dabei konnte durch eine großkalibrige gerichtete Brunnenbohrung
im Festgestein Wasser aus einem Höhlenfluss für die Wasserversorgung
des bisher unterversorgten Gebietes erschlossen werden.
Das Studienbuch wird von einem umfangreichen Quellen- und
Literaturverzeichnis (Kap. 8) sowie einem knappen Stichwortverzeichnis
abgeschlossen. Alles in allem bietet das Buch einen informativen
Überblick über den Gegenstand „Karst“ mit treffender Auswahl des
Bildmaterials und erklärenden Skizzen. Einzelne Schreibweisen von
Namen (S. 21–23) sollten bei Neuauflage nochmals kontrolliert und
revidiert werden. Naturgemäß können auf beschränktem Raum nicht alle
Aspekte zum Phänomen Karst gleichgewichtet behandelt werden, und
vermutlich wünscht sich jeder Rezensent für sein Spezialgebiet
ausführlichere Darstellungen. Dafür ist das Buch nicht gedacht, doch
gibt der Autor am Ende größerer Abschnitte Hinweise auf die
spezifische weiterführende Literatur. Damit wird der Leser an die
entsprechenden Arbeiten herangeführt und ermuntert, weiter ins Detail
einzudringen. Das Buch erfüllt damit seinen intendierten Zweck, eine
Übersicht zu bieten und ein Führer für weitergehende Studien zu sein.
Ralf Benischke
Beiträge zur Hydrogeologie 58, 2011, Seite 85-88