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Karyologie ist die Wissenschaft vom Zellkern und von den in ihm
enthaltenen Chromosomen.
Bereits Roux (1883) hatte intuitiv erkannt, daß die während jeder
Mitose vollzogene Längsspaltung der Chromosomen ein Indicium dafür
abgibt, daß die aufeinanderfolgenden Chromosomenabschnitte qualitativ
ungleich sein müssen oder aber, in unsere heutige Sprache übersetzt,
andere Gene enthalten. Dabei dürfen wir nicht
vergessen, daß damals noch gar nicht einmal die Bedeutung des Kerns
für die Vererbung gesichert war. Zwar hatte bereits Haeckel (1866,
S. 288) auf solche Möglichkeit hingewiesen, aber ein positiver Beweis
wurde erst ungefähr zwei Jahrzehnte später angebahnt, als
Strasburger (1884). O. Hertwig (1884), Nussbaum (1884). Weismann
(1885) und Kölliker (1885, 1886) bewiesen hatten, daß die Befruchtung
eine Vereinigung zweier Gametenkerne als Basis hat und daß in vielen
Fällen das Cytoplasma ganz zurücktreten, vielleicht völlig fehlen
könne. so daß dann nur die Kernsubstanzen in die Eizelle übergeführt
werden. Trotzdem zeigten Hybridisierungsversuche, daß die Erbanlagen
meist in den 8 und 9 Gameten in gleichen Quantitäten vorhanden sein
müssen und nur in relativ seltenen Fällen die Vererbungsrichtung mehr
von der Mutter als vom Vater bestimmt wird. Während Weismann aber
selbst noch 1892 (S. 43) für jede Zellart ein besonderes „Idioplasma“
annahm, hat Kölliker, soweit ich sehe, als erster klar ausgesprochen,
daß die Kernsubstanzen in allen Geweben eines Organismus qualitativ
gleich sein müssen.
Namentlich an zoologischen Objekten trat in der Folgezeit die
Bedeutung des Kerns für die Übertragung der Erbeigenschaften immer
deutlicher hervor. So ließ sich durch Experimente bei disperm
befruchteten Eizellen von Echinodermen die qualitative Ungleichheit
der einzelnen Chromosomen erschließen (Boveri 1902, 1905, 1914). Bei
Bastardbefruchtung konnte der Kern des einen Elters dem des anderen an
Größe oder Chromatinmenge unterlegen sein, ja selbst ganz aus dem
Kopulationsakt ausgeschaltet werden. Auch während der
Furchungsteilungen war Ausstoßung der Kernanteile eines Elters
möglich, so daß die Vererbungsrichtung einseitig verschoben wurde
(Herbst 1909, 1914, Baltzer 1910, O. Koehler 1912 u. a.).