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Die vorliegende Arbeit beschreibt das ökologische und soziologische
Verhalten der Agriophyten Angelica archangelica ssp. litoralis,
Bidensfrondosa und Rorippa austria- ca im Ruhrgebiet.
Das Untersuchungsgebiet umfaßt die Ruhraue im Bereich des unteren
Ruhrtales (Stadt- grenze Essen/Bochum, Ruhr-km 50,5 und Mündung in den
Rhein bei Duisburg-Ruhrort, Fluß-km 0,0) sowie die Uferböschungen des
westlichen Abschnittes des Rhein-Heme-Kanals (Stadtgrenze
Essen/Gelsenkirchen, Kanal-km 20,5, bis Hafen Duisburg-Ruhrort,
Kanal-km 1,5).
In einem einleitenden, allgemeinen Teil werden neben der historischen
Entwicklung des Untersuchungsgebietes dessen abiotische Bedingungen
sowie die Ergebnisse der floristischen und vegetationskundlichen
Begleituntersuchungen dargestellt.
Der spezielle Teil beinhaltet die aut- und populationsökologischen
sowie vegetationskundlichen Untersuchungsergebisse der behandelten
Agriophyten.
Angelica archangelica ssp. litoralis ist vermutlich erst zu Beginn
dieses Jahrhunderts in das Untersuchungsgebiet vorgedrungen. Die
Einwanderung verlief wahrscheinlich über verschleppte Diasporen durch
Schiffsverkehr aus dem indigenen Verbreitungsgebiet in
Skandinavien. Von den ersten bekannten Vorkommen im Duisburger Hafen
in den 20er Jahren (BONTE 1930) breitete sich die Sippe langsam
flußaufwärts entlang der Ruhr und entlang der Uferböschungen des RHK
aus. Heute weist die Sippe innerhalb des Untersuchungsgebietes eine
zerstreute Verbreitung auf. Die Werte für die Wuchshöhe von Angelica
archangelica ssp. litoralis schwanken zwischen minimal 76 cm und
maximal 273 cm, wobei die durchschnittliche Wuchshöhe 180 cm
beträgt. Eine mittelgroße Pflanze produziert ca. 22.500, die größten
Exemplare über 60.000 Früchte. Für die Höhe der Produktivität einer
Teilpopulation - ermittelt pro Quadratmeter - ist jedoch nicht das
Einzelindividuum sondern vielmehr die Bestandsdichte
verantwortlich. Während die Form der Früchte mit rundlichen bis
breit-elliptischen Konturen dem diagnostischen Merkmal der Subspezies
litoralis entspricht, schwankt die Größe der Früchte sehr stark. Im
Extremfall kann dies zu artdiagnostischen Problemen bei der Abgrenzung
gegenüber der Subspezies archangelica führen. Die Größen der
Teilpopulationen schwanken zwischen wenigen Einzelindividuen und 500
m2 großen Beständen. Angelica archangelica ssp. litoralis wächst
überwiegend in den Steinschüttungen der Ufer, in denen es im Bereich
der Ruhr zu jährlichen Überflutungsereignissen, am RHK zu regelmäßigen
Überspülungen durch Wellenschlag kommt. Die bodenchemischen
Untersuchungen zeigen für die mikrobielle Zersetzbarbeit der
organischen Substanz überwiegend günstige pH-Werte und
C/N-Verhältnisse sowie salzunbelastete und sehr nährstoffreiche
(Stickstoff- und Phosphatversorgung) Wuchsorte an. Der größte Teil der
untersuchten Teilpopulationen wächst unter offenen
Lichtbedingungen. Die Sippe besitzt im Untersuchungsgebiet eine
deutliche syntaxonomische Bindung innerhalb des Senecionion und bildet
hier eine eigene Gesellschaft, die sowohl hinsichtlich des
Kennartenspektrums als auch aufgrund der physiognomischen Struktur dem
Convolvulo-Archangelicetum Passarge 1964 entspricht. Neben der
typischen Ausprägung mit Grünlandsippen findet sich im Gebiet eine
Ausprä- gung mit zahlreichen Feuchtezeigem, die als Ausbildung von
Bidens frondosa bezeichnet wird. Im mitteleuropäischen Vergleich
scheint die Eigenständigkeit des Convolvulo-Archangelicetum jedoch
fraglich zu sein. Da Angelica archangelica ssp. litoralis gleichermaßen das Soncho-Archangelicetum besiedelt und nicht in beiden
Gesellschaften den Rang einer Assoziationsart besitzen kann, das
Convolvulo-Archangelicetum jedoch keine weiteren Assoziationskennarten
enthält, sollten die beiden Gesellschaften besser als Subassoziationen
in einer vereinigten Gesellschaft geführt werden.
Bidens frondosa hat sich vermutlich erst in den 30er Jahren im
Untersuchungsgebiet etabliert (MÜLLER 1942). Die ersten Nachweise der
Varietät anomala konnten anhand von Herbarrnaterial in die 70er Jahre
datiert werden. Früchte der Sippe gelangten vermutlich über die
Handelswege von Nordamerika nach Europa. Innerhalb der Fluß- und
Kanalsysteme wird Bidens frondosa sowohl hemerochor als auch zoochor
verbreitet. Darüber hinaus finden sich sehr zerstreut synanthrope
Vorkommen außerhalb der Ruhraue und der Uferböschungen des RHK an
Parkteichen und Straßenrändem. Heute ist die Sippe an der Ruhr weit,
im Bereich der Uferböschungen des RHK nur zerstreut verbreitet. Das
größte Exemplar wurde mit 238 cm (Varietät frondosa), das kleinste mit
17 cm (beide Varietäten) gemessen. Die durchschnittliche Größe betrug
bei der Varietät frondosa 81,6 und bei der Varietät anomala 80,2
cm. Je nach Größe produzieren kleinwüchsige Individuen 50 bis 400,
mittelwüchsige 400 bis 5.000 und großwüchsige 10.000 bis 50.000
Früchte. Die Größe der Teilpopulationen ist sehr heterogen. Es können
sowohl Bestände mit wenigen Einzelexemplaren als auch Teilpopulationen
von bis zu 30 m2 beobachtet werden. Bidens frondosa siedelt
überwiegend im direkten Uferbereich. Die Wuchsorte variieren zwischen
Steinschüttungen, Uferverbau und Ufermauem bis hin zu den naturnahen
Kiesinseln und -ufern. Die bodenchemischen Untersuchungen zeigen für
die mikrobielle Zersetzbarkeit der organischen Substanz überwiegend
günstige pH-Werte und C/N-Verhältnisse sowie weitgehend
salzunbelastete, meist sehr nährstoffreiche (Stickstoff- und
Phosphatversorgung) Standorte an. Ein großer Teil der untersuchten
Teilpopulationen wächst unter offenen Lichtbedingungen, wenige
Wuchsorte sind beschattet. Syntaxonomisch zeigt Bidens frondosa
innerhalb des Untersuchungsgebietes keine deutliche Bindung an die
Bidentetea. Der Grund hierfür liegt im Fehlen geeigneter Wuchsorte der
Bidentetea-Gesellschaften, die im Untersuchungsgebiet nur selten und
meist fragmentarisch entwickelt sind. Darüber hinaus besitzt Bidens
frondosa deutlich gehäufte Vorkommen innerhalb
Galio-Urticetea-Gesellschaften, vor allem im Senecionion, innerhalb
dessen auch die größten Wuchshöhen von >200 cm zu beobachten sind. An
einigen Stellen scheint Bidens frondosa durchaus erfolgreich gegenüber
Impatiens glandulifera konkurrieren zu können. Des weiteren werden
Gesellschaften der Phragmitetea bis hin zu den Asplenietea
durchdrungen. Die von vielen Autoren vertretene These, Bidens frondosa
würde durch intraspezifische Konkurrenz die indigene Bidens tripartita
verdrängen, (SCHUMACHER 1942, KÖCK 1988) kann im Untersuchungsgebiet
aktuell nicht bestätigt werden. Selbst wenn Bidens frondosa habituelle
und physiologische Vorteile gegenüber Bidens tripartita hätte, bleibt
die Frage offen, ob nicht die selten gewordenen bzw. fehlenden
Bidentetea-Wuchsorte oder andere konkurrenzkräftige Sippen wie
Impatiens glanadulifera, Fallopia japanica oder Heracleum
mantegazzianum für den Rückgang von Bidens tripartita verantwortlich
sind.
Rorippa austriaca wurde 1910 erstmalig im Untersuchungsgebiet an der
Ruhr bei Essen-Kettwig nachgewiesen (BONTE 1916). Dieses Vorkommen
steht ursächlich in engem Kontext zur nahegelegenen Kammgamfabrik am
Ufer der Ruhr (in Essen-Kettwig)‚ in dessen Umfeld Bonte und
Scheuermann mehrere hundert Adventivarten beobachteten. Wie und wann
die weitere Besiedlung des Untersuchungsgebietes erfolgte, bleibt
unklar. Ende der 70er Jahre ist bereits eine lineare Verbreitung an
der Ruhr zu registrieren (DÜLL & KUTZELNIGG 1980). Heute ist Rorippa
austriaca in Teilbereichen der Ruhraue häufig, in anderen lediglich
zerstreut verbreitet. Am RHK finden sich aktuell nur wenige
Vorkommen. Darüber hinaus sind im Untersuchungszeitraum eine Reihe
synanthroper Vorkommen außerhalb der Ruhraue bekannt geworden, die
wahrscheinlich auf Verschleppung mit Baumaterial aus den Kiesgruben
des Rheintals zurückzuführen sind. Die größten Wuchshöhen wurden mit
138 cm, die kleinsten mit 33 cm gemessen. Im Durchschnitt erreicht die
Sippe 87,1 cm. Auffällig ist dabei, daß Rorippa austriaca innerhalb
des Bestandes von begleitenden Taxa i.d.R. um mehrere Dezirneter
überragt wurde. Der Fruchtansatz beträgt bei sehr kleinen Individuen
um 750 Samen, bei großwüchsigen bis zu 10.000 Samen, wobei die
Samenproduktion für die Reproduktivität im Untersuchungsraum keine
Bedeutung besitzt, da dort keine Sämlinge beobachtet werden konnten. Vielmehr begünstigt das klonale Wachstum der Sippe mit der
Fähigkeit der Bildung wurzelbürtiger Sprosse das Eindringen selbst in
dichte Vegetationskomplexe. Die Reproduktion verläuft vermutlich
ausschließlich vegetativ. Rorippa austriaca besitzt die weiteste
Standortamplitude der untersuchten Sippen. Während die pH-Werte und
die Leitfähigkeit der Böden lediglich geringen Schwankungen
unterliegen, weisen alle übrigen untersuchten Parameter (Stickstoff-,
Phosphorversorgung, C/N-Verhältnis und Humusgehalt) eine weite
Streuung auf und zeigen alle Übergänge von „nährstoffarm“ bis
„nährstoffreich“ an. Ebenso schwanken die Bedingungen füir die
mikrobielle Zersetzbarkeit der organischen Substrate von „günstig“ bis
„sehr ungünstig“. Die Wuchsorte sind überwiegend offen, Rorippa
austriaca erreicht jedoch aufgrund der hochwüchsigeren begleitenden
Taxa keinen vollen Lichtgenuß. Die syntaxonomische Stellung der Sippe
ist im Untersuchungsgebiet nicht deutlich erkennbar. Tatsächlich läßt
sich das Aufnahmematerial in mehrere ökologische Gruppen gliedern, die
gleichermaßen den Feuchtegradient „naß-feucht-frisch“ kennzeichnen. Im
Gegensatz zu den Angaben von TÜXEN (1950) und OBERDORFER (1979/1980)
zeigt sich, daß Rorippa austriaca im Untersuchungsgebiet keine
erkennbare Bindung innerhalb des Agropyro-Rumicion besitzt. Auch das
wenige publizierte mitteleuropäische Aunahmematerial weist nicht auf
eine Zugehörigkeit ins Agropyro-Rumicion hin. Wahrscheinlich verhält
sich Rorippa austriaca als klonal wachsende Sippe - zumindest
innerhalb des synanthropen Areals - soziologisch indifferent.