Inhaltsbeschreibung nach oben ↑
Wenn ein Zoologe über die Biologie der Moore schreibt, an deren
Erforschung andere Disziplinen, besonders die Botanik, weit mehr
beteiligt sind, so muß ihm ein besonderes Ziel vorschweben. Es sei mir
gestattet, dieses im folgenden anzudeuten.
Immer mehr kämpft in der Zoologie die Ansicht um Anerkennung, daß
nicht nur Bau und Leistung der Organismen, sondern auch ihre
Verbreitung im Raum wichtige Probleme bietet, die nicht nur
morphologische und physiologische Fragestellungen aufs reichste zu
befruchten vermögen, sondern deren Lösung auch an und für sich zur
tieferen Erfassung des Lebens, die wir anstreben, gehört
(s. bes. Hesse 1924).
Diese Probleme befassen sich einmal mit Geschehnissen, die im Lauf der
Geschichte, einmalig gegeben, die geographische Verbreitung der
Organismen bestimmten, zum ändern mit Faktoren, die unabhängig von
einem Zeitgerüst in jedem Augenblick wirkend die Besiedlung von
Lebensräumen regeln: Historische und ökologische
Fragestellungen. Fragestellungen der letztgenannten Art soll unser
Heftchen in erster Linie dienen, die historischen müssen freilich auch
behandelt werden, denn Verständnis der Verbreitung der Organismen im
Raum ist nur durch Berücksichtigung beider erzielbar.
Zwei Methoden stehen uns (wie der Biologie überhaupt) zu Gebote:
Beobachtung und Experiment. Beide werden gemeinsam arbeiten müssen, um
die ökologische Forschung zu fördern, die stets typisch synthetisch
ist: die Ergebnisse physiographischer und biologischer Forschungen
müssen durch sie zueinander in Beziehung gebracht werden.
Es läge nahe, hierbei so vorzugehen, daß man an irgendwelchen
Einzelorganismen ihre Abhängigkeit von irgendwelchen Faktoren der
Umwelt untersucht. Solche Untersuchungen befriedigen aber meistens
nicht ganz! Das hat zunächst einen prinzipiellen Grund: Die Natur ist
ein Ganzes und ein Einzelwesen ist aus dem Zusammenhang herausgerissen
nie restlos verständlich. Ferner liegt die Gefahr vor, daß solche
Untersuchungen methodisch planlos sind: Es ist, wenn man sich nur auf
Einzelobjekte beschränken will, reine Glückssache, wenn man ein für
die Erforschung der gesetzmäßigen Bedingtheit des Lebens im Raum
geeignetes Objekt "herausgreift" und die wesentlichen Faktoren der
Umwelt, deren Verbreitung regelnde Bedeutung zu prüfen ist, erkennt. —
Wenn wir hingegen nicht von isolierten Einzelorganismen, sondern von
einer in ein bestimmtes Milieu "eingepaßten" Gesamtheit von Lebewesen
ausgehen, so ist es nicht schwer, die richtigen Versuchsobjekte zu
erkennen, und die wesentlichen zu prüfenden Milieufaktoren ergeben
sich fast von selbst.
Für fruchtbare experimentell-ökologische Untersuchungen liefert die
beste Grundlage das Studium eines durch bestimmte physio-graphische
Charaktere ausgezeichneten Raums und seiner Besiedlung. Diese
Vorarbeit erfordert weitgehendes Studium der den Raum an sich
erforschenden Hilfswissenschaften, ferner Zusammentragung und Sichtung
eines zumeist von sammelnden Spezialisten und Liebhabern geförderten
Materials: sehr zeitraubende und oft wenig befriedigende Arbeit, eben
Vorarbeit. Doch ist sie wichtige Voraussetzung für experimentell
ökologische Forschung und eröffnet bei Betrachtung der Lebewelt eines
bestimmten Raums als Ganzes auch für die allgemeine Biologie
bedeutsame Ausblicke.
Im vorliegenden Heftchen soll versucht werden, diese Arbeit für ein
mir geeignet erscheinendes Gebiet, die Moore, zu leisten. Wenn es dazu
beiträgt, bei der Formulierung geeigneter Fragestellungen zu helfen
und das nötige Eindringen in die Hilfswissenschaften erleichtert, so
erfüllt es seinen Zweck.