Im Cour. Forsch.-Inst. Senckenb. faßt man regelmäßig den Forschungsstand
der weltberühmten eozänen Fossillagerstätte Messel zusammen,
die 1995 von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt wurde.
Parallel zur gedruckten Fassung liegt der aktuelle Band 216 zur
Messelforschung – wie der letzte, 1999 erschienene – vollständig auch
als elektronische Version vor. Alle Originalbeiträge sind als PDFDateien
auf der begleitenden CD-ROM abrufbar. Die PDF-Dateien
erlauben eine wesentlich höhere Vergrößerung der Abbildungen als in
der gedruckten Ausgabe. Zusätzlich zu den Schwarz-Weiß-Abbildungen
gibt es – wo möglich – Farbabbildungen. Der erste Teil enthält 13 Beiträge,
die die breit gefächerten Forschungsaktivitäten zur Paläontologie,
Geologie und Geochemie der Fossillagerstätte Grube Messel aufzeigen.
Der zweite Teil weist acht Kurzbeiträge zu umfangreichen digitalen
Materialien der Forschungs- und Öffentlichkeitsarbeit auf.
Zu den Beiträgen im Einzelnen: D. KALTHOFF, W. V. KOENIGSWALD &
C. KURZ stellen unter dem Titel A new specimen of Heterohyus nanus
(Apatemyidae, Mammalia) from the Eocene of Messel (Germany) with
unusual soft-part preservation ein neues, mit Weichteilen erhaltenes
Skelett des Apatemiden Heterohyus nanus vor und postulieren für das
Tier eine arborikole Lebensweise.
C. KURZ & J. HABERSETZER präsentieren mit Untersuchungen der Zahnmorphologie
von Beutelratten aus Messel mit der Mikroröntgenmethode
CORR eine Untersuchung zur Zahnmorphologie der Beutelratte
„ Peradectes“ mittels der Mikroröntgenmethode CORR (Continuous
Online Recalibrated Radiography), die die Sicht auf die Okklusionsfläche
der Zähne auch bei geschlossenem Kiefer ermöglicht. Die Verf.
überprüfen die Methode an einem Exemplar von Amphiperatherium
mit frei liegenden Kauflächen kritisch.
Unter New specimens of Hassiavis laticauda (Aves: Cypselomorphae)
and Quasisyndactylus longibrachis (Aves: Alcediniformes) from
the Middle Eocene of Messel (Germany)stellt G. MAYR neue Exemplare
von zwei Vogeltaxa vor, darunter das erste vollständige Skelett von
Hassiavis laticauda MAYR, 1998. Dessen Schnabelmorphologie unterstreicht
die Klassifikation in ein monophyletisches Taxon. Ein neues
Skelett von Quasisyndactylus longibrachis bestätigt dessen Zuordnung
zu den Alcediniformes.
In Diet of Messelornis (Aves: Gruiformes), an Eocene bird from
Germany beschreibt M. MORLO ein Fossil des gruiformen Vogels
Messelornis cristata mit Resten des percoiden Fisches Rhenanoperca
minuta im Bereich des Ösophagus. Auf der Basis des direkten Nahrungsnachweises
und der Schnabelform interpretiert der Autor die Art
– abweichend von der bisherigen Vorstellung einer frugivoren Lebensweise
– als omnivor.
S. SCHAAL beschreibt unter Palaeophyton fischeri n. sp. (Serpentes:
Boidae) eine Riesenschlange aus dem Eozän (MP11) von Messel die
neue, über zwei Meter lange Riesenschlangenart Palaeophyton fischeri
n. sp., die bis zu 369 Wirbel hat. Erhaltungsbedingt läßt der Autor die
Zuordnung zu den Boinae oder Phytoninae offen.
S. BASZIO beschreibt mit Messelophis variatus n. gen. n. sp. from the
Eocene of Messel: a tropidopheine snake with affinities to Erycinae
(Boidae) die neue Schlangengattung und -art Messelophis variatus
n. gen. et n. sp. und stellt sie phylogenetisch zwischen die beiden
Unterfamilien Tropidopheinae und Erycinae.
S. SCHAAL & S. BASZIO publizieren mit Messelophis ermannorum n. sp.
eine neue Zwergboa (Serpentes: Boida: Tropidopheinae) aus dem Mittel-
Eozän von Messel die neue Schlangenart Messelophis ermannorum
n. sp. Die Gattung kommt nur in Messel vor. Ihre vollständige und häufige
Erhaltung erlaubt die Abschätzung der intra-individuellen Variabilität.
J. GAUDANT & F. J. MEUNIER untersuchen in Un test pour déterminer la
position systématique du genre Thaumaturus REUSS 1844 (poisson
téléostéen): l’approche paléohistologique die systematische Stellung
der Teleostei-Gattung ThaumaturusREUSS. Nach den histologischen Daten
gehört die Gattung, abweichend von der bisherigen Zuordnung zu
den Osteoglossomorphen, eher zu den Haplomi (Esociformes).
M. MORLO, S. SCHAAL, G. MAYR & C. SEIFFERT führen in An annotated
taxonomic list of the Middle Eocene (MP11) vertebrata of Messel die
132 fossilen Wirbeltiertaxa der Grube Messel in einer kommentierten
Faunenliste auf. Sie nennen auch jeweils Erstnachweise aus Messel,
Neufunde und laufende Forschungsprojekte.
V. WILDE präsentiert in Aktuelle Übersicht zur Flora aus dem mitteleozänen
„Ölschiefer“ der Grube Messel bei Darmstadt (Hessen,
Deutschland)die Bearbeitungsgeschichte der fossilen Flora von Messel
und eine Kompilation der bisher von dieser Fundstelle beschriebenen
Familien von Farngewächsen, Gymnospermen und Angiospermen.
R. RABENSTEIN, R. USMAN & S. SCHAAL überprüfen in Suche nach rezenten
Modellen für den eozänen Lebensraum von Messel 292 aus der
Literatur bekannte Seen in Südostasien auf ihre Eignung als rezente
Modelle für den eozänen lakustrinen Lebensraum von Messel. Sie
untersuchen auch die Möglichkeiten für paläontologisch-biologische
Vergleichsstudien vor Ort und ziehen 28 Seen – meist in Indonesien –
in die engere Auswahl.
S. AURAS & W. PÜTTMANN zeigen mit Zusammensetzung und Herkunft
der 4-Methylsteroide im Messeler Ölschiefer mit Hilfe von Gaschromatographie-
bzw. Massenspektrometrie-Analysen, dass die Steroid-
Zusammensetzung des Messeler Ölschiefers und die Sterol-Zusammensetzung
der rezenten coccalen Grünalge Tetraedon minimum Parallelen
aufweisen. Diese Alge bildet die Algenlaminitschicht des Messeler
Ölschiefers.
M. FELDER & F.-J. HARMS legen in Lithologie und genetische Interpretation
der vulkano-sedimentären Ablagerungen aus der Grube
Messel anhand der Forschungsbohrung Messel 2001 und weiterer
Bohrungendie Ergebnisse der Forschungsbohrung von 2001 dar, die in
Verbindung mit geophysikalischen und geologischen Untersuchungen
die Genese des Vorkommens zu entschlüsseln halfen. Der eozäne Messelsee
entstand demnach vor 50 Mill. Jahren infolge von phreatomagmatischen
Explosionen und war kein tektonisch entstandenes Becken
(Grabenbruch), wie man lange glaubte.
S. Schaal liefert mit Aktuelle Übersichtskarte zur Betriebs- und
Grabungsplanung in der Fossilienfundstätte Grube Messeleine aktualisierte
Fassung der Übersichtskarte der Grube Messel. Die Karte steht
Lehrbücher, zusammenfassende Darstellungen, Bibliographienmm 87
auf der Begleit-CD-ROM zusätzlich als farbige Version in höherer Auflösung
zur Verfügung.
J. HABERSETZER stellt in Röntgenverfahren zur Untersuchung der
Messeler Fossilieneinen Vergleich konventioneller und digitaler Radiographie
vor, zeigt typische Beispiele zum Eisatz einer bestimmten
Technik und diskutiert sie.
R. RABENSTEIN, J. HABERSETZER & S. SCHAAL beschreiben unter Ein internetbasierter
Überblick zum Weltnaturerbe Grube Messel die auf der
Begleit-CD vorgestellte offene, einfach programmierbare, HTML-basierte
Präsentation der Grube Messel. Für verschiedene Nutzergruppen
konzipiert, ist sie in ein umfassendes pädagogisches Konzept eingebunden.
Sie stellt die derzeit umfangreichste eletronische Darstellung
der Grube Messel dar und umfasst mehr als 600 HTML-Seiten.
T. KRASSMANN & R. RABENSTEIN beschreiben in Kugelpanorama-Ansichten
des Weltnaturerbes Grube Messel die Erstellung von Kugelpanoramen.
Eine Demo-Version in 150 dpi-Auflösung auf der Begleit-CD-ROM
enthält vier 360º-Ansichten aus dem Grubenzentrum und aus den
Hangbereichen.
P. SCHMIDT, J. HABERSETZER & S. SCHAAL stellen unter Multimediapräsentation
zur Fossilfundstätte Grube Messel eine multimedial aufbereitete
Präsentation von Informationen zur Fossilfundstelle Messel
vor.
H. SCHERF demonstriert mit Virtuelles 3-D-Modell der Fossilienfundstätte
Grube Messel ein virtuelles dreidimensionales Geländemodell
der Grube Messel. Auf der Begleit-CD-ROM ist ein Videoflug über das
Modell enthalten.
J. HABERSETZER, H. SCHERF, F. BECKMANN & R. SEIDEL stellen in 3-DAnimation
knöcherner Gesamtskelette und mikro-tomographischer
Skelettdetails von Fossilien aus der Grube Messeldrei Videosequenzen
mit dreidimensionalen Animationen eines kompletten Skeletts und
knöcherner Details vor. Sie diskutieren anschließend ein Konzept zur
Kombination animierter Makro- und Mikroansichten von Fossilien.
S. SCHAAL, E. E. BRAHM, J. HABERSETZER, A. HEBS, M. MÜLLER & E. SCHLOSSERSTURM
legen unter dem Titel Literaturübersicht und Schriftenverzeichnis
zur wissenschaftlichen Erforschung der Fossilienfundstätte Messel
eine Literaturliste zur Grube Messel mit 1.436 Publikationen vor (auf
der Begleit-CD-ROM enthalten). Sie erläutern die Literaturrecherche in
„Current Contents®“ am Beispiel verschiedener Suchbegriffe.
Die umfangreichen digitalen Materialien auf der Begleit-CD-ROM
des Bandes geben einen Einblick in neue Möglichkeiten der IT-Technologien
für die Öffentlichkeitsarbeit. Der Band informiert umfassend
und kompetent über die neueste Forschung an Messelfossilien und
-sedimenten. Buch und CD-ROM sind für alle an der Messelforschung
Interessierte und auch für Museumspädagogen ohne Einschränkung zu
empfehlen.
R. ZIEGLER