Illusionistische Schaukästen der Natur
Sie erschaffen die Illusion eines Lebensraumes, sind echte
Kunstwerke mit langer Geschichte und gehören weltweit zu den
Hauptattraktionen in Naturkundemuseen: Dioramen. Wie eine Art
Bühnenbild stellen sie die Tier- und Pflanzenwelt eines Ökosystems
dreidimensional und naturgetreu nach. Im heute erschienenen
Senckenberg-Buch „Senckenbergs historische Dioramen“ gibt der
langjährig bei Senckenberg beschäftigte Zoologische Präparator Udo
Becker einen Einblick in die Entstehung dieser einzigartigen
Naturszenen im Frankfurter Naturmuseum, die zum großen Teil bis heute
zu sehen sind. Dabei rollt er neben der Geschichte der Dioramen auch
die des ersten Museums am Eschenheimer Turm – dessen Gründung vor 200
Jahren 2021 gefeiert wird – und des neu erbauten Museums an der
Senckenberganlage auf. Zudem stellt er Techniken beim Aufbau und der
Präparation von Dioramen vor.
Ein Giraffenjunges trinkt auf weit gespreizten Beinen an einer
Wasserstelle, beschützt von der Mutter und dem riesigen, fast
viereinhalb Meter großen Giraffenbullen, der in einiger Entfernung
wartet. Antilopen und Gazellen umringen die Gruppe, Affen klettern
umher, ein Waran liegt in der Abendsonne. Am Horizont leuchten die
schneebedeckten Gipfel des Kilimandscharo-Massivs. Am 13. Oktober 1908
konnten die Besucher*innen das erste Diorama im neu erbauten Museum an
der Senckenberganlage bestaunen und wie durch ein Fenster in eine
ferne Welt blicken. Dem „Ostafrika-Diorama“ folgten 1910 das Diorama
„Arktische Gruppe“, das das Tierleben im Grönländischen Eismeer
zeigte, sowie 1935 die „Frankfurter Urlandschaft“ und 1936 das
„Riesenelch-Diorama“. Diese eindrucksvollen Momentaufnahmen der Tier-
und Pflanzenwelt, exisitieren heute leider nicht mehr – sie wurden im
zweiten Weltkrieg zerstört. Die von 1936 bis 1942 nach und nach
eröffneten zehn kleineren Dioramen „Tiere der Heimat“ wurden nach dem
Krieg wieder aufgebaut und sind heute mit fünf neu gestalteten
Lebensgruppen in ähnlicher Weise im Senckenberg Naturmuseum zu
sehen.
Der Entstehungsgeschichte der Senckenberg-Dioramen ist Autor Udo
Becker in seinem Buch nachgegangen. Er erläutert detailliert die
Entscheidungsprozesse der beteiligten Direktoren und Mitarbeiter*innen
vor dem Hintergrund der historischen Ereignisse, schildert die
Herkunft der Exponate und die Arbeit der Präparatoren und
Künstler. Anekdoten machen die Geschichte der Dioramen lebendig. So
erfahren die Leser*innen, dass sich die Präparationswerkstatt für die
Arbeit am Giraffenbullen des Ostafrika-Dioramas als zu niedrig
erwies. Kurzerhand wurde ein Loch in die Decke geschlagen, so dass der
Kopf der Giraffe vom oberen Raum präpariert werden konnte. Ebenso
bemerkenswert ist die Geschichte des Dioramas „Frankfurter
Urlandschaft“. Dieses zeigte die Umgebung am heutigen Standort des
Senckenberg Naturmuseums vor mehreren tausend Jahren: Ein sumpfiger
See, an dessen Uferzone Elche und Biber lebten. Im Vordergrund die
Skelette eines Auerochsen und eines Wildhundes, die im Morast
versanken. Die rund 11.000 Jahre alten Skelette wurden 1914 bei
Ausschachtungsarbeiten neben dem heutigen Museum gefunden und
sorgfältig geborgen.
Ergänzt wird die Geschichte der Dioramen durch Informationskästen
zu beteiligten Persönlichkeiten wie Präparatoren, Künstlern und
Museumsdirektoren. Den Rahmen setzen Kapitel zur allgemeinen Historie
der Dioramen, der Entwicklung der Schausammlungsinhalte und der
Ausstellungskonzeption in naturkundlichen Museen, Erläuterungen der
Präparationstechniken sowie eine Zusammenfassung der Geschichte der
Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und dem Frankfurter
Senckenberg Naturmuseum. Historische Fotografien, zahlreiche Skizzen,
Berichte von Zeitzeug*innen und eine umfangreiche Literatur- und
Quellensammlung komplettieren den Band. Annette Scheersoi, Professorin
für Biologiedidaktik an der Universität Bonn, greift im
Abschlusskapitel „Dioramen – Zeitzeugen oder zeitlos?!“ die Frage auf,
welchen didaktischen Wert Dioramen naturkundlicher Museen in der
heutigen Zeit erfahren.
Udo Becker absolvierte an der Senckenberg-Schule eine Ausbildung
zum technischen Assistenten für naturkundliche Museen und
Forschungsinstitute und erlernte anschließend den Beruf des
Zoologischen Präparators. In dieser Profession ist er seit 1985 bei
der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung tätig. Seine
Leidenschaft gilt neben diesem vielfältigen Beruf der Beschäftigung
mit der Historie der zoologischen Präparation sowie der Geschichte der
Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, des Frankfurter
Naturmuseums und dessen historisch bedeutsamen Exponaten.
Annette Scheersoi ist Professorin für Biologiedidaktik an der
Universität Bonn. Ihr Forschungsschwerpunkt ist das Biologielernen an
außerschulischen Lernorten. Hierbei befasst sie sich vor allem mit
Fragen der Interessenentwicklung. Mit Museen verband sie schon immer
eine besondere Affinität.
Pressemeldung
Kontakt
Udo Becker
Zoologischer Präparator
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum
Tel. 069 7542-1293
E-Mail: udo.becker@senckenberg.de
Isabell Clasen
Verlags- und Publikationswesen
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum
Tel. 069 7542-1607
E-Mail: Isabell.Clasen@senckenberg.de
Alexandra Donecker
Pressestelle Senckenberg Gesellschaft für
Naturforschung
Tel. 0697542-1209
E-Mail: pressestelle@senckenberg.de