Extreme Naturereignisse wie Erdbeben, Vulkanausbrüche, Stürme,
Starkniederschläge,Überschwemmungen,Dürren und Brände verursachen laut
Versicherungsstatistiken immer größere Schäden und fordern häufig auch
in heutiger Zeit Menschenleben. Neu ist dieses Thema
keinesfalls. Wenig bekannt in der Öffentlichkeit aber dürfte sein,
dass die Vereinten Nationen die 90er Jahre zur Internationalen Dekade
der Reduzierung von Naturkatastrophen (IDNDR) deklarierten und dass
auch ein deutscher Beitrag hierzu geleistet wurde, nämlich durch das
hierfür eingerichtete Deutsche IDNDR Komitee. Diesem Komitee
standen ein wissenschaftlicher Beirat (für Fragen der Entstehung der
Naturkatastrophen und der wissenschaftlichen Strukturierung der
Katastrophenvorsorge) sowie ein operativer Beirat (für die Praxis der
Vorsorge) zur Verfügung. Nach Abschluss der Dekade wurden die Beiräte
vom Komitee beauftragt, das vorliegende Buch zu verfassen, das eine
Zusammenstellung zum Thema Naturkatastrophen und ihrer Bewältigung
enthalten soll. Wenn man bedenkt, dass es gerade in Deutschland in den
90er Jahren einige nicht unwesentliche Naturkatastrophen gab,
angefangen von der Sturmserie im Frühjahr 1990,gefolgt von den
Rheinhochwasserereignissen 1993 und 1995 sowie dem Oderhochwasser 1997
bis hin zum Sturm Lothar" zum Jahresende 1999 mit beachtlichen
Schäden,so ist es sicherlich von allgemeinem Interesse, die Ursachen,
Auswirkungen,aber auch die Vorsorgemaßnahmen von solchen Ereignissen
näher zu beleuchten. Die Arbeit des Deutschen IDNDR- Komitees wurde
übrigens auch nach Abschluss der Dekade durch eine
Nachfolgeorganisation, dem Deutschen Komitee für Katastrophenvorsorge
e.V. unter Leitung von Dr. Norbert Blüm fortgesetzt.
Das Buch enthält Beiträge von insgesamt 41 Autoren. Es hat einen
interdisziplinären Charakter dadurch, dass die Autoren aus
verschiedenen Fachrichtungen kommen, so- wohl aus natur- als auch
gesellschaftswissen- schaftlichen Bereichen.Die meteorologische Seite
wird hierbei durch Angehörige des Deutschen Wetterdienstes, aber auch
von Universitäten vertreten.
Gegliedert ist das Buch in insgesamt fünf Fachkapitel. Das erste
Kapitel hat eine einführende Funktion, es definiert Begriffe und
betrachtet allgemein die möglichen Schäden von Katastrophen, die
einzelnen Elemente der Katastrophenvorsorge
(z. B. Risikoanalyse,Vorbeugung, Selbsthilfe der Bürger) und der
Katastrophenbewältigung (Katastrophenhilfe, Wiederaufbau), wobei auch
Beispiele genannt werden.Die Darstellung beschränkt sich nicht allein
auf deutsche Ereignisse, sondern behandelt Katastrophen auf der ganzen
Erde, und bei weitem nicht nur auf meteorologisch bedingte Ereignisse,
sondern Erdbeben, Vulkanausbrüche und andere. Es wird deutlich
gemacht, dass ein Katastrophenmanagement (die Autoren gebrauchen
diesen Begriff) keinen absoluten Schutz gegen solche Extremereignisse
bieten kann, sondern dass vor allem Vorsorgemaßnahmen im Vordergrund
stehen,um Schäden so weit wie möglich zu begrenzen.
Das zweite Kapitel befasst sich mit dem wissenschaftlich-technischen
Aspekt von Naturkatastrophen. Zu jeder Ereignisart (Erdbeben,
Vulkanismus, Stürme usw.) erfolgt ein Beitrag von einer
Spezialistengruppe, wobei sich jeder Beitrag an das Schema Ursachen,
Prozesse, Schäden, Maßnahmen" gehalten hat. Die wissenschaftlichen
Sachverhalte sind durchweg allgemeinverständlich
dargelegt. Schadensstatistiken werden häufig in Form von Diagrammen
und Tabellen präsentiert. Auch Karten sind enthalten, z. B. eine
Erdbebengefährdungskarte. Leider sind fast alle Abbildungen in
schwarz-weiß, darunter leiden vor allem die Kartendarstel- lungen. Nur
einige wenige Abbildungen sind farbig, allerdings separat vom
Bezugstext in einem eigenen Farbteil. Immerhin haben sich die Autoren
aber die Mühe gemacht, bei den Querverweisen zwischen Farbteil und
Text die Seitenzahlen mit anzugeben. Spezielle wissenschaftliche
Projektergebnisse und spezielle Ereignisse (z. B. der Ausbruch des
Vulkans Pinatubo) werden häufig in separaten, grau unterlegten Boxen
erläutert.
Speziell bei den meteorologischen Beiträgen findet der Leser Sturm und
Starkniederschlag" in einem Abschnitt zusammengefaßt,
Überschwemmungen" dagegen separat in einem anderen. Diese Unterteilung
erscheint zumindest unglücklich, die Starkniederschläge würden eher zu
den Überschwemmungen passen, wenn es auch Ereignisse gibt wie der von
den Autoren angesprochene Hurrikan Mitch, wo Sturm und Niederschlag in
der Tat zusammenwirken. Inhaltlich sind diese Beiträge jedoch wie die
übrigen fachlich sehr fundiert, auf die Rolle der numerischen
Wettervorhersage wird ebenso eingegangen wie auf die zur Verfügung
stehenden Daten zur Überwachung der Sturm- und
Niederschlagsentwicklung (einschließlich Radar), auch auf Hochwasser-
Frühwarnsysteme. Exemplarisch werden die meteorologischen Ursachen des
Oderhochwassers erläutert.
Im dritten Kapitel kommt der gesellschaftswissenschaftliche
Zusammenhang zur Sprache. Hier werden zwei wesentliche Problemkreise
angesprochen: Zum einen das Fehlen eines global integrierten
Katastrophenschutzes, zum anderen die Problematik der Ent-
wicklungsländer, die häufig nicht über die finanziellen
Voraussetzungen für eine Katastrophenvorbeugung verfügen und auch
durch Katastrophen in ihrer Entwicklung zurückgeworfen werden.
Das vierte Kapitel befasst sich mit der Vorhersage von bzw. der
Frühwarnung vor Naturkatastrophen, wobei wiederum zwischen den
einzelnen Katastrophenarten unterschieden wird. Methoden der
Vorhersage und Frühwarnsysteme werden beschrieben. Allgemein sind vor
allem Fernerkundungsme- thoden ein wertvolles Hilfsmittel der
Frühwarnung, zum einen für die Überwachung von Vorgängen (z. B. die
Krustendeformation bei Vulkanen als Vorläuferphänomen für einen
Ausbruch), zum anderen für die Generierung von Eingangsdaten für
numerische Vorhersagemodelle. Für den meteorologischen Bereich sind
diese Methoden natürlich schon lange bekannt. Bei den geologisch
bedingten Naturereignissen besteht das Problem, dass zuverlässige
deterministische Vorhersagen zum Teil nur dann möglich sind,wenn
Vorboten der Katastrophe bereits eingetreten sind und die Warnung dann
nur relativ kurzfristig erfolgen kann. Eine wesentliche Rolle bei
Frühwarnsystemen spielen auch die heute verfügbaren
Kommunikationssysteme wie das Internet und die
Kommunikationssatelliten. Auch die Frage, was bei der Umsetzung von
Warnungen zu beachten ist, wird behandelt.
Im fünften Kapitel schließlich wird auf die Akteure des
Katastrophenmanagements eingegangen, wobei zwischen (deutschen)
Regierungsorganisationen und Nichtregierungsorganisationen
unterschieden wird. Dabei werden auch speziell die Rollen der
Versicherungen und Medien angesprochen. Unter den
Regierungsorganisationen wird auch der Deutsche Wetterdienst erwähnt
(er ist sowohl im Komitee als auch im Operativen Beirat vertreten),
der ja mit seinen Vorhersagen, Warnungen, Gutachten, aber auch mit der
Zusammenarbeit mit anderen Organisationen eine Schlüsselrolle im
Katastrophenmanagement hat. Andere wichtige auf meteorologischem
Gebiet arbeitende Institutionen finden jedoch ebenfalls Erwähnung wie
z. B. das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR).
Am Schluss des Buches folgt noch ein sehr ausführliches
Literaturverzeichnis sowie ein Stichwortverzeichnis.Beigelegt ist eine
Weltkarte der Naturgefahren der Münchner Rück.
Insgesamt liefert das Buch eine sehr umfassende Übersicht über die
vielen Bereiche des Katastrophenmanagements. Es geht bei
Einzelereignissen allerdings meist nicht sehr ins Detail; dies würde
sicherlich auch den Rahmen einer solchen Zusammenstellung
sprengen. Das Buch ist daher für alle geeignet, die sich einen ersten
Überblick über die Thematik verschaffen möchten und weniger eine
Vertiefung zu spezielleren Fragen.
P. Bissolli, Offenbach
Deutscher Wetterdienst, Fortbildungszeitschrift "promet",
Jg. 28, Nr. 1/2, 2002, S. 71/72