Die Torfmoose gehören ihrer Baueigentümlichkeiten, ihrer ökologischen,
vegetationskundlichen und wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer weiten
Verbreitung und ihrer Auffälligkeit wegen zu den bekanntesten
Moosen. Sie sind als solche leicht zu erkennen; die Gattung ist kaum
zu verwechseln. Die Identifizierung der vielen, einander häufig sehr
ähnlichen Arten ist hingegen oft schwierig. Ursache hierfür ist eine
hohe morphologische Plastizität. Ein und dieselbe Sippe kann standort-
oder jahreszeitenbedingt in unterschiedlichen Formen und Färbungen
auftreten. Für die Bestimmung sind mikroskopische Merkmale von
entscheidender Bedeutung. In Mitteleuropa stehen uns zur
Identifizierung heute ausgezeichnete Schlüsselwerke zur Verfügung
(z. B. „Die Torfmoose Südwestdeutschlands und der Nachbargebiete“ von
A. Hölzer, 2010; Besprechung im Band 81 dieser Berichte).
Mitteleuropa ist jedoch nicht Zentrum dieser artenreichen, weltweit
verbreiteten Gattung. Allein Südamerika beherbergt mindestens viermal
mehr Arten als Europa. Wer etwa dortige Torfmoose bestimmen wollte
(oder solche aus Afrika und Asien), hatte bisher große
Schwierigkeiten. Denn regionale Bearbeitungen sind nur in geringem
Umfang verfügbar und die einstige große Weltmonographie Warnstorfs
(„Sphagnologia Universalis“) ist – nach nunmehr 100 Jahren – heillos
veraltet. Sehr viele der von Warnstorf dort behandelten 342 Arten
sind inzwischen in die Synonymie verwiesen. Gleichzeitig wurden
gerade in jüngerer Zeit durch H. Crum, R. E. Andrus und K. I. Flatberg
viele weitere neue Arten beschrieben, allein 140 Arten nach 1980.
Die von Michaelis hier vorgelegte Darstellung ist eine mit
Bestimmungsschlüsseln versehene kritische Zusammenschau der von ihm
akzeptierten Arten, keine Monographie. Das heißt, die gegebenen
Artbeschreibungen, in Wort wie in zeichnerischer Darstellung, folgen
bei den mehr klassischen Arten meist modernen Bearbeitungen, bei den
vielen neueren Arten den Originalbeschreibungen. In diesem Buch finden
wir die in einer umfänglichen und teilweise schwer zu beschaffenden
Literatur verstreuten Beschreibungen nebeneinander übersichtlich und
nach einheitlichem Muster und Merkmalskatalog vorgestellt und
illustriert. Bei wenigen Arten fehlen Illustrationen, da die
Originalbeschreibungen (Sphagnum aequiporosum, S. elenkini,
S. krylovi, S. roraimense, S. schwabeanum, S. subacutifolium und S.
veresczagini) keine diesbezüglichen Abbildungen enthalten. Von den
meisten der seltenen Sippen hatte Michaelis kein Material in der Hand,
was gelegentlich wünschenswert gewesen wäre, um die
Originalbeschreibungen zu vervollständigen (so etwa bei
S. maegdefraui, von dem Originalmaterial in der Botanischen
Staatssammlung München liegt).
284 Sphagnum-Arten, zuzüglich einiger weniger Subspezies und
der monotypischen auf Tasmanien beschränkten isolierten Gattung
Ambuchanania (das ehemalige Sphagnum leucobryoides)
werden von Michaelis ausführlich und nach einheitlichem Muster
beschrieben und in einigen Fällen auch kurz diskutiert. Über 560
weitere Namen im Artrang sind als Synonyme (oder wahrscheinliche
Synonyme) geführt und beigeordnet.
Michaelis gliedert die Gattung Sphagnum in die 13 Sektionen:
Sericea (mit 1 Art), Lapazensis (mit 1 Art),
Sphagnum (mit 44 Arten), Rigida (mit 5 Arten),
Insulosa (mit 1 Art), Acutifolia (mit 57 Arten),
Squarrosa (mit 4 Arten), Polyclada (mit 1 Art),
Subsecunda (mit 113 Arten), Isocladus (mit 1 Art),
Hemitheca (mit 1 Art), Cuspidata (mit 54 Arten) und
Mollusca (mit 1 Art). Ambuchanania fügt er, fast
versteckt, am Ende dieser Sektionen an (sie findet sich auch in den
Schlüssel zu den Sektionen). Zahllose, jeweils mit Maßstäben
versehene Detailzeichnungen (u. a. von Habitus, Ästen, Ast- und
Stammblättern in Aufsicht und im Schnitt, Bau der Zellen der Ast- und
Stammblättern in dorsaler und ventraler Betrachtung, Hyalodermis von
Ast- und Stamm-Achsen) finden sich auf 194 DIN-A4-großen Bildtafeln in
drucktechnisch perfekter Wiedergabe. Ein dem Band beigegebenes loses,
tiefschwarzes Blatt unter die entsprechende Seite gelegt, verbessert
noch den Kontrast der darüber liegenden Strichzeichnungen. Diese
Zeichnungen sind, wie schon erwähnt, sämtlich der Literatur
entnommen. Sie stammen somit aus unterschiedlicher Feder, zeigen
unterschiedliche Zeichentechniken und umfassen je Art unterschiedlich
viele Merkmalskomplexe. Ihre bibliographische Herkunft ist in einem
Abbildungsverzeichnis dokumentiert. Trotz unterschiedlicher Zeichner
vermitteln die Tafeln durch Michaelis geschicktes Arrangement der
einzelnen Zeichnungen ein durchaus einheitliches Bild. Beschreibung
und Abbildungen verhelfen zu einer guten Vorstellung der Arten.
Angaben zum Habitat sind sehr knapp und schlagwortartig. Um die
Verbreitung zu skizzieren, benutzt der Autor Codes für 19 floristische
Regionen, die in einer Karte ausgewiesen sind (z.B. „As.2“ für
„Ostasien inkl. Japan“ oder „Am.1“ für „Nordamerika“). Bei den nicht
weiträumig verbreiteten Sippen werden diese Angaben oft weiter
präzisiert, beispielsweise „As.2 (Japan)“ oder „Am.1 (Alaska)“. Bei
manchen Schreibweisen („Kostarika“, „Nordwestbrasilien“,
„Kgn. Charlotte-Inseln“) ist nicht der mit der deutschen Sprache wenig
vertrauten Leser gedacht worden. Zwischen Aufzählungen und
Präzisierungen wurde per Satzzeichen nicht unterschieden („Guyana,
Brasilien, Amazonas“ / „Thailand, Vietnam“ / „Guadalcanal, Salomonen“
/ „Japan/Honshu“ / „Japan, Hokkaido“ / „Azoren: Terceira“). Es ist
dankenswert, wenn bei den nur einmal gefundenen Arten die Herkunft
noch genauer angegeben wird. So findet man bei Sphagnum pulvinatum
die Angabe: „Nordbrasilien: Cerro de la Neblina“. Solche
Präzisierungen wären aber, da ja Michaelis alle Originalbeschreibungen
mit den Fundortsdaten vorlagen, auch in einer ganzen Reihe anderer
Fälle möglich gewesen.
Das großformatige, sehr sauber gedruckte und stabil gebundene Buch,
mit abwaschbarem Hardcover- Einband, beginnt mit knappen, lesenswerten
Kapiteln zum Bau der Torfmoose, zu ihrer Reproduktionsbiologie,
Erforschungsgeschichte und Stammesgeschichte. Ihnen folgen
Kurzbeschreibungen der Sektionen (mit Schlüssel der Sektionen). Der
darauf folgende dichotome Bestimmungsschlüssel für die Arten liegt
nicht in Form eines Gesamtschlüssels vor, sondern ist in sechs
regionale Teilschlüssel aufgliedert (1. Europa, 2. Asien, 3. Afrika,
4. Nord- und Mittelamerika, 5. Südamerika, 6. Australien, Neuseeland,
Pazifik). Jeder dieser Teilschlüssel ist weiter in einzelne Schlüssel
für jede Sektion untergliedert. Der Rezensent hat stichprobenweise
Herbarmaterial mit diesen Schlüsseln nachbestimmt und stieß dabei auf
keine Mängel.
Es folgt weiter eine Übersicht über die Regionalfloren, d. h. eine
nach Sektionen sortierte Auflistung der in den erwähnten 19
Weltregionen bisher festgestellten Arten. Diese Artenlisten und
Schlüssel einzelner Gebiete helfen, den Zeitaufwand des Bestimmens
erheblich zu verkürzen. So werden aus Neuseeland beispielsweise nur
sieben Arten angeführt. Da mag man sich freuen, nicht mit einem 284
Arten umfassenden Gesamtschlüssel arbeiten zu müssen. Doch ist dabei
nicht außer Acht zu lassen, dass wir über die tatsächliche Verbreitung
vieler Arten auch heute noch sehr wenig Sicheres wissen. Weit mehr als
jede dritte in diesem Buch behandelte Art wird nur von einer –
weltweit gesehen – vergleichsweise kleinen Region (wie Altai,
Bolivien, Burundi, Costa Rica, Ecuador, Feuerland, Guatemala,
Paraguay, Uruguay, Venezuela, u. a.) gemeldet. Ob die eine oder andere
Sippe nicht viel weiter verbreitet ist? Hochdisjunkte Vorkommen kennt
man ja auch bei Sphagnum. Da sich regionale Schlüssel
vielleicht schon bald als unvollständig erweisen könnten, wäre an
dieser Stelle noch ein zusätzlicher, alle Arten umfassender
Gesamtschlüssel wertvoll gewesen.
Das Literaturverzeichnis umfasst mehr als 500 Titel. Nur eine
Minderheit davon sind übliche Textzitate; die Mehrzahl der Zitate
betrifft jene Literatur, die die Originalbeschreibungen der im Buch
behandelten Taxa enthält (bei den in die Synonymie gestellten Arten
ist diese Literatur nicht ganz komplett erfasst). Dieses
Literaturverzeichnis wird durch ein „Verzeichnis der Zeitschriften und
Schriftenreihen“ ergänzt mit dort vollständig ausgeschriebenen
Zeitschriften-Titeln (im Schriftenverzeichnis sind diese abgekürzt
wiedergegeben).
Die kleinen erwähnten Mängel schmälern nicht den hohen praktischen
Wert dieser übersichtlichen, sorgfältigen und kritischen
Zusammenstellung. Sie wird Vielen die Zuwendung zu fremdländischen
Vertretern dieser schwierigen Gattung wesentlich erleichtern, wenn
nicht erst ermöglichen. Wer sich über die heimischen Arten hinaus sich
für Sphagnum interessiert, dem sei das – leider nicht gerade billige
–Werk nachdrücklich empfohlen. Wer sich für Taxonomie und Floristik
der Gattung in besonderer Weise interessiert oder wer als Kustos eine
große Sammlung zu ordnen hat, für den wird dieses Buch unverzichtbar
sein.
Ob wohl eine englische Fassung folgen wird? Dass dieses, für die
Bestimmung ja gerade der außereuropäischen Torfmoose so wichtige Werk
in deutscher Sprache erschien, das wird sicher einzig von den
deutschsprachigen Lesern begrüßt.
H. Hertel
Berichte der Bayerischen Botanischen Gesellschaft 82, 2012